Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Berücksichtigung der Absetzung für Abnutzung -- AfA -- auf Grundstücke und auf Gegenstände des Anlagevermögens eines auf dem belasteten Grundstück unterhaltenen Betriebes im Erlaßverfahren wegen unbilliger Härte nach § 5 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 der 1. DV.
Normenkette
Gesetz zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich (Hypothekensicherungsgesetz) vom 2. September 1948, WiGBl. S. 87
Tatbestand
Die Schuldnerin ist Eigentümerin des in X belegenen, mit Umstellungsgrundschulden belasteten Grundstücks. Das Haus diente ursprünglich den Zwecken eines Fremdenheims und ist auf dem Wege, dieser Verwendung wieder zugeführt zu werden. In den Jahren 1948/1949 war es vorwiegend von Dauermietern belegt, die dort teils möbliert, teils unmöbliert, wohnten. Dem Gewerbebetrieb (Fremdenheim) und der eigenen Wohnung der Eigentümer waren nur wenige Räume vorbehalten. Der Ehemann der Beschwerdeführerin (Bfin.) hat im Jahre 1949 eine Tätigkeit als Agent ausgeübt.
Die Schuldnerin hat gemäß § 5 Abs. 4 der Ersten Durchführungsverordnung zum Hypothekensicherungsgesetz vom 7. September 1948, Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (WiGBl.) S. 88 für II/1948 und 1949, Anträge auf Erlaß der Zinsen und Aussetzung der Einziehung von Tilgungsleistungen gestellt. Die Oberfinanzdirektion hat die Anträge abgewiesen, das Finanzgericht dem Antrag für den Abschnitt II/1948 stattgegeben. Die Schuldnerin hat wegen 1949 Rechtsbeschwerde (Rb.) eingelegt, so daß der Streit gegenwärtig nur noch die Leistungen des Jahres 1949 betrifft.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Das Finanzgericht hat richtig erkannt, daß es sich in § 5 Abs. 4 a. a. O. um Vergünstigungen auf zwei verschiedenen Ebenen handelt. Halbsatz 1 gewährt einen Rechtsanspruch, wenn die dort vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitsberechnung einen zur Deckung der Leistungen ausreichenden Überschuß nicht ergibt. Halbsatz 2 sieht eine Vergünstigung aus Billigkeitsgründen vor, wenn die Einziehung eine offenbare Härte bedeuten würde. Das Finanzgericht hat in seiner Entscheidung jedoch die Methoden der Errechnung für die beiden Teile der Vorschrift des § 5 Abs. 4 nicht auseinandergehalten. Es hat sich auf die Entscheidung des Senats III 16/53 U vom 27. Februar 1953, Bundessteuerblatt (BStBl.) 1953 III S. 112, dafür berufen, daß "im Erlaßverfahren" die gleichen Berechnungsarten angewandt werden müßten und hat für die Fälle des Halbsatzes 1 und Halbsatzes 2 die Wirtschaftlichkeitsberechnung zugrunde gelegt. Das Finanzgericht hat insoweit die Entscheidung des Senats durchaus mißverstanden. Der Senat hat dort ausgeführt:
"Die Einkünfte im Sinne der Richtlinien können nicht nach verschiedenen Methoden, sondern nur einheitlich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt werden. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung nach § 5 Abs. 4 a. a. O. muß außer Betracht bleiben." Diese Sätze beziehen sich, wie sich aus dem Wortlaut klar ergibt, auf die Ermittlung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners im Härte verfahren, in dem nach den Richtlinien des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen vom 23. Februar 1949 (Amtsblatt des B. Staatsministeriums der Finanzen S. 121) die Einkommensverhältnisse ermittelt werden sollen. Die Feststellungen der Einkünfte im Erlaßverfahren wegen "unbilliger Härte" können, wenn es sich um Einkünfte verschiedener Herkunft handelt, nur nach einheitlichen Grundsätzen in Anlehnung an die Vorschriften des EStG ermittelt werden. Der Anspruch auf die Vergünstigung aus Halbsatz 1 wegen Unwirtschaftlichkeit des Grundstücks wird aber nicht im "Erlaßverfahren" verfolgt, weil auf ihn ein Rechtsanspruch besteht.
Das angefochtene Urteil unterliegt daher der Aufhebung. Die Sache geht an das Finanzamt zurück, das völlig neue Berechnungen aufzustellen haben wird. Hierbei ist folgendes zu beachten:
Zu Halbsatz 1: Hier handelt es sich um die wirtschaftliche Lage des belasteten Grundstücks. Es ist also, unter Beachtung der dort gegebenen Vorschriften, eine Wirtschaftlichkeitsberechnung aufzustellen; mit anderen Worten, es sind die Einnahmen und die Ausgaben für das Grundstück gegenüberzustellen. Dies bedeutet, daß auf beiden Seiten der Wirtschaftlichkeitsberechnung alle Beträge auszuscheiden sind, die nicht mit dem Grundstück selbst in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Wo für möblierte Räume ein Gesamtmietpreis vereinbart ist, ist der auf die Einrichtung entfallende Teil auszusondern. Ein Betrag für Absetzung für Abnutzung (AfA) des Grundstücks ist nicht zu berücksichtigen, weil ein solcher in Halbsatz 1 nicht vorgesehen ist, vielmehr der geld mäßige (nicht wertmäßige) Überschuß, der der Tilgung der Leistungen dienen soll, ermittelt werden muß.
Die Aufwendungen für Instandsetzung und Unterhaltung sind daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie nach der Entscheidung des Senats III 274/51 S vom 4. Juh 1952, BStBl. 1952 III S. 207 anerkannt werden können. Der Prüfungsbericht, von dem das Finanzamt und die Oberfinanzdirektion und ihnen folgend das Finanzgericht aus gegangen sind, ist nicht ohne weiteres zu verwenden. weil die Prüfung zu einer Zeit durchgeführt worden ist, in der die Urteile III 132/51 S und III 279/51 S vom 31. Januar und 4. Juli 1952, BStBl. 1952 III S. 53 und 207, noch nicht vorlagen, die Verwaltungsbehörden daher noch annehmen durften, es handle sich auch im Verfahren des Halbsatzes 1 um eine Ermessensentscheidung, so daß den Richtlinien gefolgt werden dürfe.
Zu Halbsatz 2: Ergibt die richtig aufgemachte Wirtschaftlichkeitsberechnung einen ausreichenden Überschuß, dann ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Halbsatzes 2 gegeben sind. Es kommt hier darauf an, wie sich die individuelle Lage der Schuldnerin im Erlaßjahre gestaltet hat. Dazu bedarf es nach den Richtlinien der Ermittlung des Einkommens. Ausgangspunkt hat in der Regel das im Verfahren der Einkommensteuerveranlagung festgestellte Ergebnis zu sein, es muß jedoch nicht unbedingt übernommen werden, sondern es ist daraufhin zu untersuchen, ob es nicht Elemente enthält, die zwar die Veranlagung zur Einkommensteuer beeinflussen, deren Berücksichtigung aber im Härteverfahren zu einer nicht gerechtfertigten Vergünstigung führen würde. Im vorliegenden Falle ist eine Veranlagung für 1949 mangels steuerpflichtigen Einkommens nicht erfolgt.
Die AfA für das Grundstück kann bei der Feststellung der Einkommensverhältnisse unbedenklich übernommen werden, sie wird bei jedem Schuldner von Umstellungsgrundschulden praktisch. Anders liegen die Dinge hinsichtlich der AfA für die sonstigen Gegenstände des Anlagevermögens, wenn der Schuldner ein Gewerbe betreibt, bezüglich der Anschaffungen, die seit der Währungsreform gemacht worden sind. Derartige Anschaffungen stellen eine Verbesserung der Erwerbsgrundlage dar und es würde zu einer ungerechtfertigten Begünstigung des Schuldners führen, der in der Lage ist, seinen aufgestauten Bedarf an Einrichtungsgegenständen zu befriedigen mit dem Erfolge, daß seine verbesserte Existenzgrundlage infolge der einkommensteuerrechtlich gerechtfertigten Absetzungen für Abnutzungen rein rechnungsmäßig als gefährdet erscheint. Die Häufung von Anschaffungen der gedachten Art können aber möglicherweise im Einzeljahre zu einer Einengung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners führen, so daß sie im Härteverfahren als besondere Umstände in Rechnung gestellt werden müssen. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfange dies geschehen kann, ist dem Ermessen der Verwaltungsbehörden zu überlassen. Die Richtlinien der Finanzminister der Länder sehen Berücksichtigung "besonderer Umstände" im Gegensatz zu dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 8. März 1951, BStBl. 1951 Teil I S. 262 ff. Abschnitt III § 19 nicht vor. Die in diesem Erlaß aufgestellten Richtlinien des BdF sind zwar erst ab 1950 anzuwenden (§ 25). Der Senat hat aber wiederholt ausgesprochen, daß die Vorschrift auch für die zurückliegende Zeit angewendet werden muß (vgl. das oben angeführte Urteil III 16/53 U).
Da es lediglich auf die gegenwärtigen Verhältnisse der Schuldnerin ankommt, müssen Vermögenseinbußen, die in der Vergangenheit eingetreten sind -- Kriegs- und Währungsverluste --, in dem Verfahren nach Halbsatz 2 außer Betracht bleiben. Dem Umstand, daß es sich um ein kriegsbeschädigtes Grundstück handelt, ist in dem Verfahren nach § 3a des Hypothekensicherungsgesetzes durch teilweisen Verzicht auf die Umstellungsgrundschulden bereits Rechnung getragen worden.
Fundstellen
Haufe-Index 407830 |
BStBl III 1954, 35 |
BFHE 1954, 317 |