Leitsatz (amtlich)
1. Der II.Senat schließt sich der Rechtsprechung des III.Senats (vgl. Urteile vom 5.Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151, und vom 8.Februar 1985 III R 62/84, BFHE 142, 567, BStBl II 1985, 319) an, daß für Stichtage ab 1.Januar 1974 bei neu errichteten Gebäuden der Begriff "Wohnung" nur erfüllt ist, wenn eine baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit vorhanden ist.
2. Eine Wohnfläche von rd. 220 qm rechtfertigt für sich die Bewertung eines Einfamilienhauses im Sachwertverfahren.
Orientierungssatz
Verfassungsrechtliche Bedenken (Verletzung des Gleichheitssatzes) dagegen, daß das BewG für die Bewertung von bebauten Grundstücken (hier Einfamilienhaus) zwei unterschiedliche Wertfindungsverfahren (Ertragswertverfahren und Sachwertverfahren) vorsieht, bestehen jedenfall zum 1.1.1976 nicht (vgl. BVerfG-Rechtsprechung, BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
BewG 1965 § 75 Abs. 5, § 76 Abs. 1; BewG 1974 § 75 Abs. 5; BewG 1965 § 75 Abs. 6; BewG 1974 § 75 Abs. 6, § 76 Abs. 1; BewG 1965 § 76 Abs. 3 Nr. 1; BewG 1974 § 76 Abs. 3 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, das in den Jahren 1974/75 mit einem zweigeschossigen Wohnhaus bebaut wurde. Die Gesamtnutzfläche beträgt nach DIN 283 rd. 370 qm. Aus den vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Plänen und Unterlagen ergibt sich eine Gesamtnutzfläche nach der II.Berechnungsverordnung von rd. 271 qm. Von dieser Fläche werden knapp 49 qm für Bürozwecke verwendet. Die Wohnräume im Obergeschoß und im Erdgeschoß sind nicht gegeneinander abgeschlossen.
Das Finanzamt (FA) hat das Grundstück auf den 1.Januar 1976 als Einfamilienhaus bewertet und den Einheitswert im Sachwertverfahren auf 196 300 DM festgestellt. Der Einheitswertfeststellung liegen die in einem Gutachten der Landesvermögens- und Bauabteilung bei der Oberfinanzdirektion (OFD) enthaltenen Feststellungen zugrunde.
Bevor über den von der Klägerin eingelegten Einspruch entschieden wurde, hat ein zweiter Sachverständiger das Grundstück besichtigt. Er hat im wesentlichen die Feststellungen des ersten Gutachtens bestätigt. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Klage hat die Klägerin begehrt, das Grundstück zum 1.Januar 1976 als Zweifamilienhaus im Ertragswertverfahren zu bewerten, hilfsweise gewisse Außenanlagen bei der Bewertung außer Betracht zu lassen.
Die Klage hatte nur im Hilfsantrag Erfolg. Unter Abweisung der Klage im übrigen hat das FG den Einheitswert auf 191 500 DM herabgesetzt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, es verneine das Vorliegen einer (zweiten) Wohnung im Obergeschoß zwar nicht wegen der fehlenden Abgeschlossenheit und wegen des Fehlens eines selbständigen Zugangs, sondern deshalb, weil es an einer funktionsfähigen voll ausgerüsteten Küche im Obergeschoß fehle. Die Bewertung des Grundstücks im Sachwertverfahren sei schon angesichts der Wohnfläche von mehr als 300 qm gerechtfertigt; die Vergleichbarkeit mit der Masse der Einfamilienhäuser sei deshalb nicht gegeben.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter und führt zusätzlich aus, das FG hätte auch prüfen müssen, ob das Grundstück nicht als gemischtgenutztes Grundstück zu bewerten sei, weil es zu mehr als 20 v.H. anderen als Wohnzwecken diene. In diesem Zusammenhang rügt die Klägerin auch, das FG hätte den Widerspruch zwischen den unterschiedlichen Nutzflächenberechnungen aufklären müssen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
1. Im Ergebnis zutreffend hat das FG entschieden, daß das Grundstück der Klägerin am Stichtag seiner Art nach als Einfamilienhaus zu bewerten ist.
Einfamilienhäuser sind Wohngrundstücke, die nur eine Wohnung enthalten (§ 75 Abs.5 Satz 1 des Bewertungsgesetzes --BewG--), Zweifamilienhäuser solche, die nur zwei Wohnungen enthalten (§ 75 Abs.6 Satz 1 BewG). Nach Maßgabe des § 75 Abs.5 Satz 3 BewG steht eine zweite Wohnung dem Begriff "Einfamilienhaus" auch dann entgegen, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist. Nach § 75 Abs.5 Satz 4 BewG gilt ein Grundstück auch dann als Einfamilienhaus, wenn es zu gewerblichen oder öffentlichen Zwecken mitbenutzt wird und dadurch die Eigenart als Einfamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt wird.
a) Unter einer Wohnung, deren Begriff im BewG nicht definiert ist, ist die Zusammenfassung von mehreren Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist. Weiter gehört es zum Begriff der Wohnung, daß sie gegen andere Wohnungen und Wohnräume abgeschlossen ist und einen selbständigen Zugang aufweist. Zudem erfordert der Wohnungsbegriff das Vorhandensein der notwendigen Nebenräume, wie Toilette, eine besondere Waschgelegenheit und eine Küche. Der Senat schließt sich der Auffassung des III.Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) an, für Feststellungszeitpunkte ab dem 1.Januar 1974 erfordere es der bewertungsrechtliche Wohnungsbegriff, daß diese Zusammenfassung von Räumen eine von anderen Wohnungen oder Wohnräumen baulich getrennte und in sich abgeschlossene Wohneinheit bildet (vgl. Urteile vom 5.Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151, und vom 8.Februar 1985 III R 62/84, BFHE 142, 567, BStBl II 1985, 319).
Das Grundstück der Klägerin hat nicht zwei Wohnungen, weil die Wohnräume in den beiden Geschossen keine baulich getrennten, gegeneinander abgeschlossenen Wohneinheiten bilden. Demgegenüber tritt die Frage, welche Anforderungen an eine Küche zu stellen sind, in den Hintergrund.
b) Im Gegensatz zu der Beschreibung der Grundstücksart "Mietwohngrundstück" in § 75 Abs.2 BewG, wonach für die Einreihung eines Grundstücks in diese Art mindestens 80 v.H. Wohnzwecken dienen müssen, enthält § 75 Abs.5 BewG keine feste Grenze, bei deren Überschreitung das Grundstück nicht mehr als Einfamilienhaus zu bewerten ist. Es wird lediglich die Mitbenutzung zu anderen als Wohnzwecken so lange als der Bewertung als Einfamilienhaus nicht entgegenstehend beschrieben, als dadurch die Eigenart nicht wesentlich beeinträchtigt wird.
Im vorliegenden Fall prägt die flächenmäßig untergeordnete Nutzung des Grundstücks zu Bürozwecken nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht dessen Charakter, so daß es als Einfamilienhaus zu bewerten war.
2. Zutreffend ist das FG auch davon ausgegangen, daß der Einheitswert des Grundstücks im Sachwertverfahren zu ermitteln war. Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, daß das BewG für die Bewertung von bebauten Grundstücken zwei unterschiedliche Wertfindungsverfahren vorsieht, bestehen jedenfalls zum 1.Januar 1976 nicht.
a) Grundsätzlich ist der Wert eines Einfamilienhausgrundstücks nach § 76 Abs.1 BewG im Wege des Ertragswertverfahrens zu ermitteln. Bei Einfamilienhäusern, die sich durch besondere Gestaltung oder Ausstattung wesentlich von den nach § 76 Abs.1 BewG zu bewertenden Einfamilienhäusern unterscheiden, ist jedoch abweichend davon nach § 76 Abs.3 Nr.1 BewG das Sachwertverfahren anzuwenden. Dabei reicht es aus, daß entweder eine besondere Gestaltung oder eine besondere Ausstattung vorliegt, um für die Wertfindung anstelle des Ertragswertverfahrens das Sachwertverfahren treten zu lassen. Denn die grundsätzliche Maßgeblichkeit des Ertragswertverfahrens für die Bewertung von Einfamilienhäusern ist von der Überlegung getragen, daß es sich bei diesen Häusern meist um kleine, einfach ausgestattete Wohngebäude oder serienmäßig hergestellte Häuser handelt (so schon BFH-Urteil vom 23.Juli 1971 III R 86/69, BFHE 103, 213, BStBl II 1971, 797).
Zutreffend hat das FG dahin erkannt, daß das Hausgrundstück der Klägerin sich schon im Hinblick auf seine Wohnfläche von der Masse der im Ertragswertverfahren zu bewertenden Grundstücke unterscheide. Das gilt auch dann, wenn man --insoweit entgegen dem FG-- mit der Klägerin von der sich aus Anwendung der II.Berechnungsverordnung ergebenden Wohnfläche von rd. (271 qm ./. 49 qm =) 222 qm ausgeht. Denn diese Wohnfläche gibt dem Einfamilienhaus eine besondere Gestaltung, die es deutlich von den nach § 76 Abs.1 BewG zu bewertenden Einfamilienhäusern abhebt.
b) Das Nebeneinander von Ertragswert- und Sachwertverfahren bei bebauten Grundstücken --und damit auch bei Einfamilienhäusern-- folgt aus der Erwägung, daß sich zwar für die meisten, aber nicht für alle Einfamilienhäuser eine übliche Jahresmiete verhältnismäßig unschwer ermitteln oder anhand ausreichender Kriterien vermieteter Vergleichsobjekte schätzen läßt. Diese Differenzierung ist als solche von sachgerechten Erwägungen getragen und beruht nicht auf einer den Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes verletzenden Willkür des Gesetzgebers (vgl. dazu auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 4.Juni 1976 1 BvR 360/74, BStBl II 1976, 637, ergangen auf Verfassungsbeschwerde gegen das BFH-Urteil vom 12.Juni 1974 III R 49/73, BFHE 112, 520, BStBl II 1974, 602). Das gilt wenigstens so lange, als nicht wegen der durch Art.2 Abs.1 Satz 3 des Gesetzes zur Änderung bewertungsrechtlicher und steuerrechtlicher Vorschriften i.d.F. des Gesetzes vom 22.Juli 1970 (BGBl I 1970, 1118) ohne zeitliche Begrenzung suspendierten Hauptfeststellung, die der Hauptfeststellung auf den 1.Januar 1964 folgend (vgl. dazu § 21 Abs.1 Satz 1 Nr.1 BewG), die Beibehaltung der auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.Januar 1964 bezogenen Werte selbst gegen Verfassungsrecht verstößt. Diese Voraussetzung hält der Senat für den hier streitigen Stichtag (1.Januar 1976) für (noch) nicht gegeben.
c) Der Senat hält es nicht für angebracht, die Entscheidung des BVerfG über die Vorlage des FG Rheinland-Pfalz vom 4.August 1981 2 K 207/80 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1981, 613) abzuwarten. Diese Vorlage betrifft die Feststellungszeitpunkte 1.Januar 1979 bzw. 1980, so daß für den im vorliegenden Streitfall maßgebenden Feststellungszeitpunkt (1.Januar 1976) aus dieser Entscheidung keine Erkenntnisse zu gewinnen sein werden.
Fundstellen
Haufe-Index 61356 |
BStBl II 1986, 320 |
BFHE 146, 96 |
BFHE 1986, 96 |
DB 1986, 1660-1660 (ST) |
DStR 1986, 277-278 (ST) |
DStZ, Beihefter zu Nr 13/1986 (S) |
HFR 1986, 347-348 (ST) |