Leitsatz (amtlich)
1. Lehnt das FA die Vornahme einer einheitlichen Gewinnfeststellung ab, so ist die hiergegen gerichtete Klage in der Regel eine Verpflichtungsklage.
2. War die Klage (damals Berufung) schon vor dem 1. Januar 1966 erhoben, so ist sie als zulässige Verpflichtungsklage auch dann zu behandeln, wenn ein Vorverfahren nicht vorangegangen war.
2. Bei der Entscheidung über eine Verpflichtungsklage nach § 101 FGO muß das Gericht über die Kosten des Vorverfahrens entscheiden.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 1, § 44 Abs. 1, §§ 101, 184 Abs. 1, 2 Nr. 2
Tatbestand
Mit der Behauptung, er habe mit seiner Mutter eine atypische stille Gesellschaft vereinbart, beantragte der Steuerpflichtige, den Gewinn der Gesellschaft einheitlich festzustellen. Das FA lehnte das ab, weil der Nachweis des Abschlusses und der Fortführunug eines Gesellschaftsvertrages nicht erbracht sei.
Auf die Sprungberufung des Steuerpflichtigen entschied das FG:
„Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben. Es ist vom Finanzamt für 1961 eine einheitliche Gewinnfeststellung durchzuführen und der Gewinn zwischen dem Berufungsführer und der Beteiligten … zu verteilen. Dabei wird das Finanzamt auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu befinden und den Wert des Streitgegenstandes festzustellen haben.”
Es war der Ansicht, das Gesellschaftsverhältnis sei anzuerkennen. Es sei demzufolge für 1961 eine einheitliche Gewinnfeststellung vorzunehmen. Dazu sei das Gericht jedoch nicht berechtigt. Im Rechtsmittelverfahren dürften keine erstinstanzlichen Bescheide erlassen werden; das sei allein Sache der Verwaltung. Andernfalls würde dem Steuerpflichtigen auch zum mindesten hinsichtlich der Höhe des Gewinns und seiner Verteilung eine Instanz verlorengehen. Die Sache müsse daher an das FA zurückverwiesen werden.
Mit der Revision rügte das FA u. a. die Form der Entscheidung des FG. Es trug vor, das FG habe den angefochtenen Bescheid aufgehoben und ihm, dem FA, die Kostenentscheidung und die Streitwertfestsetzung überlassen. In den Gründen seines Urteils habe es von einer „Zurückverweisung der Sache” gesprochen. Sei das FG der Ansicht gewesen, daß eine negative einheitliche Gewinnfeststellung und eine positive dieselbe Sache darstellten, so hätte es selbst durcherkennen müssen (§ 284 Abs. 1 Satz 1 AO a. F.), da die Voraussetzungen des § 284 Abs. 1 Satz 2 AO a. F. nicht vorgelegen hätten. Sei es dagegen der Ansicht gewesen, daß die Durchführung einer einheitlichen Gewinnfeststellung etwas anderes darstelle als die Ablehnung ihrer Durchführung, wie sie in dem angefochtenen Bescheid erfolgt sei, so hätte es die „Sache” nicht an das FA zurückverweisen können, sondern den angefochtenen Bescheid aufheben und über die Kosten selbst entscheiden müssen, da die Kostenentscheidung nur im Falle einer Zurückverweisung dem FA übertragen werden könne (§ 318 Abs. 2 AO a. F.). Es, das FA, sei der Ansicht, daß das gesamte Verfahren ein einheitliches sei, das FG also habe durcherkennen müssen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Der BFH entschied insoweit:
Dem FG ist insoweit Recht zu geben, als es nicht seine Aufgabe ist, die Gewinnfeststellung und -verteilung vorzunehmen. Es kann dabei dahingestellt bleiben, wie die verfahrensrechtliche Lage z. Z. der (jetzt angefochtenen) Entscheidung des FG nach den damals geltenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen zu beurteilen gewesen wäre; denn nach der Zurückverweisung an das FG sind nunmehr die Vorschriften der FGO anzuwenden.
Wird – wie hier – der Erlaß eines Verwaltungsakts (zur Durchführung der einheitlichen Gewinnfeststellung) abgelehnt, so ist, da auch die Ablehnung eines Verwaltungsakts selbst einen Verwaltungsakt darstellt, dagegen an sich auch eine Anfechtungsklage denkbar. Sie würde jedoch nur zur Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsakts führen. Will der Kläger ersichtlich – wie hier – erreichen, daß das FA verpflichtet wird, die beantragte einheitliche Gewinnfeststellung durchzuführen, so liegt eine Verpflichtungsklage vor (§ 40 Abs. 1 FGO), die die Anfechtungsklage absorbiert, wenn es um die Anfechtung einer Ablehnung geht (Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Anm. 7 zu § 40 FGO; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2.-3. Aufl., Anm. 8 am Ende zu § 40 FGO; Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 40 Anm. 124). Dem steht nicht entgegen, daß nach geltendem Verfahrensrecht eine Verpflichtungsklage nicht ohne Vorverfahren erhoben werden kann (§ 44 Abs. 1 FGO), hier jedoch ein solches Vorverfahren nicht stattfand. Denn nach dem bei Erhebung der Sprungberufung geltenden Recht gab es eine Verpflichtungsklage nicht und war eine Sprungberufung ohne Einschränkung zulässig (§ 261 Satz 1 AO a. F.). Nach § 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist sie auch zulässig geblieben. Die Bestimmung ihres Charakters und die Art der Entscheidung über sie hat dagegen nach neuem Recht zu erfolgen (§ 184 Abs. 1 FGO – vgl. auch das BFH-Urteil VI B 31/63 vom 10. Juni 1966, BFH 86, 590, BStBl III 1966, 598).
Die Entscheidung über eine Verpflichtungsklage richtet sich nach § 101 FGO. Das FG erläßt, wenn es die Verpflichtungsklage für begründet hält, den beantragten Verwaltungsakt also nicht selbst. Der BFH hat im übrigen schon unter der Herrschaft des vor Erlaß der FGO geltenden Verfahrensrechts für den mit dem vorliegenden Falle gleichliegenden Fall der Ablehnung einer Veranlagung entschieden, daß das FG die Veranlagung nicht selbst durchzuführen hat (Urteil IV 186/58 U vom 4. Juni 1959, BFH 69, 279, BStBl III 1959, 367). Der vom FA angeführte, vom BFH durch Urteil IV 27/58 U vom 11. März 1958, BFH 66, 556, BStBl III 1958, 212, entschiedene Fall lag, wie in dem Urteil IV 186/58 U ausdrücklich bemerkt ist, anders. Dort war an sich eine (Zusammen-) Veranlagung vorgenommen worden. Die beantragte getrennte Veranlagung sollte das FG selbst vornehmen müssen. Es handelte sich also nur um eine Art Änderung eines bereits erfolgten Verwaltungsakts.
Das FG muß im Falle einer Entscheidung nach § 101 FGO die Kostenentscheidung selbst treffen. Denn es handelt sich bei dem durch eine Verpflichtungsklage eingeleiteten Verfahren um ein selbständiges Verfahren, das durch das Urteil abgeschlossen wird und nicht – wie im Falle der Zurückverweisung – die Sache in einem neuen Rechtsgang anhängig läßt, und das deshalb auch kostenrechtlich abgeschlossen werden muß (vgl. § 143 Abs. 1 und 2 FGO; Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen FG, EFG 1966, 575).
Fundstellen
Haufe-Index 557344 |
BStBl II 1970, 625 |
BFHE 1970, 172 |