Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertungsabschlag wegen ungünstiger innerer Verkehrslage
Leitsatz (NV)
Bei der inneren Verkehrslage handelt es sich -- unabhängig von dem konkreten Ausmaß der durch sie bewirkten Minderung oder Steigerung der Ertragsfähigkeit -- ihrer Natur nach stets um eine objektive, d. h. dem Betrieb als solchen anhaftende (wirtschaft liche) Ertragsbedingung mit der Folge, daß die der Betriebs(-fort-)führung zugrundeliegenden (persönlichen) Motive des jeweiligen Betriebsinhabers eine Kürzung des dem Grunde nach zu gewährenden Bewertungsabschlags (hier auf 50 v. H. des festgestellten Reinertrags) nicht rechtfertigen können.
Normenkette
BewG § 9 Abs. 2 S. 3, §§ 36, 38 Abs. 2 Nr. 1, §§ 41, 58
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben drei Rebgrundstücke in verschiedenen Gemarkungen, die sie seither von ihrer durchschnittlich 14 km entfernt gele genen Hofstelle aus selbst bewirtschaften. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) stellte im Wege der Nachfeststellung auf den 1. Januar 1985 (Stichtag) den Einheitswert für den landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger auf 34 700 DM fest. Dieser Berechnung lag ein in Höhe von 9 636 DM ermittelter Vergleichswert der weinbaulichen Nutzung (§ 40 Abs. 1, 2 des Bewertungsgesetzes -- BewG --) zugrunde, von dem ein auf 2 400 DM geschätzter Betrag als Abschlag wegen ungünstiger innerer Verkehrslage abgezogen worden war.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage, mit der die Kläger den Ansatz eines Wirtschaftswerts von 0 DM und eine dementsprechende Ermäßigung des Einheitswerts auf 27 500 DM begehrt hatten, gab das Finanzgericht (FG) bis zur Höhe von 32 200 DM statt; eine darüber hinausgehende Minderung des Einheitswerts lehnte es mit der Begründung ab, der Abschlag vom Vergleichswert wegen ungünstiger innerer Verkehrslage könne nicht unbegrenzt gewährt werden, sondern nur bis zur Höhe von maximal 50 v. H. des Reinertrags.
Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 821 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung der §§ 36, 41 und 58 BewG sowie der Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 14 des Grundgesetzes (GG). Sie wenden sich u. a. gegen die im Urteil vorgenommene Kürzung des Abschlags wegen ungünstiger innerer Verkehrslage auf 50 v. H. des festgestellten Reinertrags.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 24. Februar 1994 3 K 361/88 aufzuheben und den Einheitswert für ihren landwirtschaftlichen Betrieb zum 1. Januar 1985 auf 27 500 DM festzustellen.
Das FA ist der Revision entgegengetreten und beantragt, diese als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Zu Unrecht hat das FG eine Begrenzung des Abschlags wegen ungünstiger innerer Verkehrslage auf 50 v. H. des Reinertrags vorgenommen.
Der Einheitswert eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft wird gemäß § 36 Abs. 1 BewG auf der Grundlage des sog. Ertragswerts -- einem objektiven, von subjektiven Einflüssen der Betriebsführung unabhängigen Wert (vgl. hierzu Glier in Moench u. a., Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 36 BewG Rz. 2 a. E.) -- ermittelt. Dabei ist von der Ertragsfähigkeit, d. h. dem bei ordnungsgemäßer und schuldenfreier Bewirtschaftung mit entlohnten fremden Arbeitskräften gemeinhin und nachhaltig erzielbaren Reinertrag auszugehen (§ 36 Abs. 2 BewG). Die Unterschiede der Ertragsfähigkeit der gleichen Nutzung in den zu bewertenden Betrieben werden durch Vergleich der (objektiven) Ertragsbedingungen beurteilt, zu denen auch die innere Verkehrslage gehört (§ 38 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 b aa BewG). Auf diese Weise werden betriebsindividuelle Besonderheiten, die im bundesdurchschnittlichen Reinertrag keinen Ausdruck finden, in die Wertermittlung einbezogen, soweit es sich nicht lediglich um unwesentliche Ertragsbedingungen i. S. des § 36 Abs. 3 BewG handelt.
Weichen im zu bewertenden Betrieb die tatsächlich vorgefundenen Gegebenheiten (hier die innere Verkehrslage) von den nach § 58 BewG in der Weinbaulage regelmäßig zu unterstellenden (= gegendüblichen) Verhältnissen um mehr als 20 v. H. ab, und führt diese Abweichung zu einer Änderung des Vergleichswerts der Nutzung um mehr als den fünften Teil, mindestens aber um 1 000 DM oder um mehr als 10 000 DM, so ist ein Ab- oder Zuschlag vorzunehmen, dessen Höhe sich nach der durch die Abweichung bedingten Minderung oder Steigerung der Ertragsfähigkeit bemißt (§ 41 Abs. 2 BewG).
Im Streitfall hat das FG den dem Grunde nach zu gewährenden Abschlag wegen ungünstiger innerer Verkehrslage auf die Hälfte des festgestellten Reinertrags begrenzt. Die hierfür angeführte Begründung, ein Betrieb, dessen Reinertrag um mehr als 50 v. H. gemindert sei, weise nicht nur objektiv erschwerte Ertragsbedingungen auf, sondern beruhe auch auf der subjektiven Entscheidung des Betriebsinhabers, einen derartig ertragsgeminderten Betrieb fortzuführen, hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand. Das FG verkennt, daß es sich bei der inneren Verkehrslage -- unabhängig von dem konkreten Ausmaß der durch sie bewirkten Minderung oder Steigerung der Ertragsfähigkeit -- ihrer Natur nach stets um eine objektive, d. h. dem Betrieb als solchen anhaftende (wirtschaftliche) Ertragsbedingung handelt.
Mit der Argumentation des FG, Bewirtschaftungserschwernisse würden ab einer bestimmten Reinertragsminderung zu persönlichen, d. h. durch den Betriebsinhaber verursachten Umständen, ließe sich auch jede beliebige andere Abschlagsbeschränkung rechtfertigen. Denn die (Fort-)Führung eines landwirtschaftlichen Betriebs beruht immer auf der individuellen Entscheidung seines jeweiligen Inhabers, mag auch die Inkaufnahme besonders ungünstiger Bewirtschaftungsverhältnisse bei wirtschaftlicher Betrachtung im Einzelfall unvernünftig erscheinen.
Soweit das FG seine Auffassung u. a. auf die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG stützt, übersieht es, daß sich gerade im Hinblick auf deren Regelungsinhalt ein Abstellen auf die der Betriebsfortführung zugrundeliegenden Motive verbietet. Denn der gemeine Wert ist nach der gesetzlichen Grundkonzeption ebenfalls ein objektiver Wert. Unbeachtlich ist deshalb, aus welchen Gründen ein Betrieb überhaupt eingerichtet und -- trotz entfernungsbedingt ungünstiger Bewirtschaftungsverhältnisse -- in der Folgezeit aufrechterhalten wird.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Die vom FG getroffenen Feststellungen bieten keine geeignete Grundlage für eine eigene Entscheidung des erkennenden Senats, weil in der Vorentscheidung auch Erkenntnisquellen berücksichtigt worden sind, die dem FG nicht bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung zugänglich waren.
Fundstellen
Haufe-Index 422163 |
BFH/NV 1997, 549 |