Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung des Begriffs Haupterwerbszweck i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 2 UStDB 1951 beim Kraftfahrzeughandel, wenn der Erwerber, der Unternehmer ist, schriftlich erklärt, das erworbene Kraftfahrzeug ausschließlich oder überwiegend zur Bewirkung beruflicher oder gewerblicher Leistungen zu benötigen, es jedoch nach der Lieferung auch in erheblichem Umfang privat benutzt.
Normenkette
UStG 1951 § 7 Abs. 3; UStDB 1951 § 11 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine OHG, betreibt den Groß- und Einzelhandel mit Kraftfahrzeugen. Um in bestimmten Fällen der Lieferung an Unternehmer den ermäßigten Steuersatz von 1 v. H. nach § 7 Abs. 3 UStG 1951 in Anspruch nehmen und die Voraussetzungen dafür nachweisen zu können, ließ sich die Steuerpflichtige von diesen Abnehmern Bescheinigungen erteilen, die der vom RdF im Erlaß S 4216-434 III vom 17. Dezember 1937 (Umsatzsteuer-Kartei S 4216 R. 21) vorgesehenen Erklärung entsprachen. Der entsprechende Vordruck hat folgenden Wortlaut: "Ich erkläre hiermit, daß ich von der Firma ... den Kraftwagen (es folgt eine genaue Bezeichnung nach PS, Motor- und Fahrgestell-Nr.) fabrikneu/gebraucht zur Ausübung meines selbständigen Berufs/Gewerbes (Unternehmens) als ... erworben habe. Ich benötige das Fahrzeug ausschließlich/überwiegend zur Bewirkung beruflicher/gewerblicher Leistungen."
Bei einer Betriebsprüfung wurde u. a. durch Rückfrage bei den für die Käufer zuständigen FÄ ermittelt, daß einzelne Kunden zwar Unternehmer i. S. des Umsatzsteuerrechts waren, den von der Steuerpflichtigen erworbenen Kraftwagen vom Zeitpunkt der Lieferung an aber nicht überwiegend gewerblich oder beruflich genutzt, sondern im wesentlichen für private Zwecke verwendet haben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) zog die Steuerpflichtige nach dem Ergebnis der Betriebsprüfung zur Umsatzsteuer 1957 heran. Er versagte der Steuerpflichtigen, soweit noch Streit besteht, den ermäßigten Steuersatz nach § 7 Abs. 3 UStG 1951 in drei Fällen, in denen Lieferungen an den Inhaber eines Privatheims, eines Optik-Einzelhandelsgeschäfts und an einen Versicherungskaufmann bewirkt wurden.
Nach insoweit erfolgloser Sprungberufung hat die Steuerpflichtige Rechtsbeschwerde eingelegt, die die Vorinstanz wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen hat und die nunmehr nach §§ 184 Abs. 2, 115 ff. FGO als Revision zu behandeln ist. Die Steuerpflichtige rügt unter Wiederholung ihres Vorbringens im Verfahren vor dem FG insbesondere eine Verletzung des § 7 Abs. 3 UStG 1951 i. V. mit § 11 Abs. 1 UStDB 1951, weil das FG unter Zugrundelegung der von ihr nicht nachprüfbaren Ermittlungen des FA den Begriff "Haupterwerbszweck" unrichtig ausgelegt habe. Sie beantragt, ihr bei den drei streitigen Lieferungen den ermäßigten Steuersatz von 1 v. H. zu gewähren.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision der Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 7 Abs. 3 UStG 1951 setzt zunächst voraus, daß an einen Unternehmer geliefert worden ist. In dieser Beziehung hat die Vorinstanz, gestützt auf die Ermittlungen des Betriebsprüfers und das Vorbringen des FA, die Unternehmereigenschaft der Abnehmer in den drei streitigen Fällen festgestellt. Weitere Voraussetzungen für die Gewährung der Großhandelsvergünstigung ist, daß die Steuerpflichtige an einen Unternehmer zur Verwendung in dessen Unternehmen, z. B. zur Bewirkung gewerblicher oder beruflicher Leistungen, geliefert hat. Dazu hat das FG dargestellt, daß die Kraftfahrzeuge in allen drei Fällen von den Kunden auch betrieblich oder beruflich verwendet worden sind. Es führt sodann inhaltlich aus: Weil ein eigenes Fahrzeug zur Erfüllung gewerblich oder beruflich bedingter Aufgaben nützlich sei, könnte das in einigen oder sogar in allen Fällen ausschlaggebend für die Erwerber gewesen sein, sich zur Anschaffung eines Kraftfahrzeugs zu entschließen. Die Vorinstanz kommt nach diesen Ausführungen zu dem Ergebnis, die Veranlassung oder der Hauptanlaß zum Erwerb sei nicht entscheidend für die Beurteilung der Frage, was der Haupterwerbszweck gewesen sei. Sie bezieht sich für ihre Ansicht auf die Urteile des Senats V 104/58 U vom 22. Januar 1960 (BFH 70, 351, BStBl III 1960, 130) und V 213/61 U vom 1. Oktober 1964 (BFH 80, 443, BStBl III 1964, 633).
Die in der Vorentscheidung vertretene Auffassung wird durch die genannten Urteile nicht gestützt und dem hier gegebenen Sachverhalt, der von dem der entschiedenen Fälle erheblich abweicht, nicht gerecht.
Das FG ist zutreffend von § 11 Abs. 1 Satz 2 UStDB 1951 ausgegangen, nach dem der Haupterwerbszweck maßgebend ist, wenn ein Gegenstand teils zu gewerblichen oder beruflichen, teils zu anderen Zwecken erworben wird. Der Senat hat in dem Urteil V 104/58 U vom 22. Januar 1960 (a. a. O.) dazu ausgeführt, daß der Erwerbszweck des Abnehmers für den Unternehmer erkennbar sein muß, um eine Lieferung im Großhandel annehmen zu können. Wenn sich jedoch aus der Art des Liefergegenstandes in Verbindung mit dem Beruf des Abnehmers die Verwendung im Unternehmen nicht einwandfrei feststellen läßt, sondern nach der Art des Gegenstandes auf eine private Verwendung zu schließen ist, muß der Unternehmer die besonderen Umstände darlegen, die die Anerkennung als Großhandelslieferung rechtfertigen sollen. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben, weil sich die Steuerpflichtige zum Nachweis ihrer Großhandelslieferungen von den Kunden, die erkennbar Unternehmer waren, Bescheinigungen über den Erwerbszweck in der vom RdF im Erlaß vom 17. Dezember 1937 (a. a. O.) vorgeschriebenen Form aushändigen ließ und diese später dem FA (bei der Betriebsprüfung) vorlegte. Nach dem Urteil des BFH V 213/61 U vom 1. Oktober 1964 (a. a. O.) ist für die Bestimmung des Erwerbszwecks i. S. des § 11 Abs. 1 UStDB 1951 die beabsichtigte tatsächliche Verwendung im Zeitpunkt des Erwerbs maßgebend, wobei es dem Steuerpflichtigen obliegt nachzuweisen, daß die Abnehmer die gelieferten Gegenstände überwiegend für betriebliche Zwecke erworben haben. Daß die drei Abnehmer der Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Erwerbs beabsichtigt haben, die Fahrzeuge ausschließlich oder überwiegend in ihrem Unternehmen zu verwenden, haben sie durch die Kundenreverse bestätigt, deren Abgabe ihnen nach den Feststellungen der Vorinstanz keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil durch einen Preisnachlaß verschaffte. Die der Steuerpflichtigen von den Käufern bescheinigte Absicht im Zeitpunkt des Erwerbs, mit den angeschafften Fahrzeugen gewerbliche oder berufliche Leistungen zu erbringen, wird auch durch die allgemein gehaltene, vom FG ungeprüft übernommene Behauptung des FA, die sich nicht auf Prüfungsergebnisse bei den drei Abnehmern, sondern auf irgendwelche dem Inhalt, Umfang und der Art nach nicht näher erläuterte Rückfragen bei anderen FÄ stützt, nicht widerlegt. Diese Beurteilung erscheint insbesondere dadurch gerechtfertigt, daß die Vorinstanz nach dem Akteninhalt zu der Überzeugung gekommen ist, daß bei den Abnehmern gewerbliche oder berufliche Gründe ausschlaggebend, also "die Veranlassung oder der Hauptanlaß zum Erwerb" der Kraftfahrzeuge gewesen seien. Wenn die spätere betriebliche Nutzung nach der Lieferung tatsächlich nur 50 v. H. oder weniger betragen haben sollte, ist diese Änderung nicht zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 Satz 3 UStG 1951); denn nach der Lebenserfahrung gehören Kraftfahrzeuge nicht ausschließlich (wie Haushaltswaschmaschinen) oder überwiegend (wie Kühlschränke usw.) zum privaten Bedarf.
Bei dem gegebenen, dadurch besonders gelagerten Sachverhalt, daß die Steuerpflichtige bei der Abwicklung der Geschäfte alles Erforderliche getan hat, um die für die Abgabe ihrer Umsatzsteuererklärung 1957 notwendigen Besteuerungsgrundlagen einwandfrei festzustellen und nachzuweisen, ist darauf hinzuweisen, daß bei der Ermittlung des Haupterwerbszwecks nicht kleinlich zu verfahren ist (Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz, 9. Aufl., Tz. 4579, 4579 a). Außerdem muß ein Eindringen in die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Abnehmer, dessen Ergebnis der Steuerpflichtigen wegen der Vorschrift des § 22 der Reichsabgabenordnung nicht mitgeteilt werden darf und zu dem sie demzufolge nicht Stellung nehmen kann, vermieden werden.
Fundstellen
BStBl II 1969, 605 |
BFHE 1969, 205 |