Leitsatz (amtlich)
Überläßt eine GmbH ihren Gesellschaftern Gebäude, die sie auf einem von den Gesellschaftern gemieteten Grundstück errichtet hat, kann darin unter Umständen eine verdeckte Gewinnausschüttung gefunden werden.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin, eine GmbH, betreibt ihr Fabrikationsunternehmen auf einem ihren Gesellschaftern gehörigen Grundstück. Das Grundstück war ihr zunächst auf Grund eines Pachtvertrags vom 1. Juli 1947 überlassen worden, in dem nach Angaben der Klägerin vereinbart gewesen sein soll, die Gesellschafter hätten von ihr erstellte Gebäude nach dem Buchwert zu ersetzen. Am 10. April 1948 räumten die Gesellschafter der Klägerin ein Erbbaurecht ein. In § 10 des Erbbaurechtsvertrags war bestimmt, daß von der Klägerin errichtete Gebäude bei vorzeitiger Aufhebung des Vertrags in das Eigentum der Gesellschafter übergehen und von diesen mit dem gemeinen Wert ersetzt werden sollten. Das Erbbaurecht wurde am 18. Mai 1954 aufgehoben, ohne daß insoweit eine neue schriftliche Abmachung getroffen wurde und ohne daß eine Änderung in den bisherigen Nutzungsverhältnissen eintrat. Am 30. November 1961 schlossen die Klägerin und ihre Gesellschafter einen Mietvertrag, in dessen § 2 bestimmt war, daß sich "das seit Jahren bestehende Mietverhältnis" ab 1. Januar 1961 nach diesem Vertrage richte. In § 14 hieß es, die Gesellschafter seien berechtigt, die Aufwendungen der Klägerin für Bauten, die auf dem Grundstück erstellt waren, durch "Zahlung der Herstellungskosten abzüglich angemessener Absetzung für Abnutzung abzugelten".
Die Gesellschafter übten zum 31. Dezember 1961 das Ablösungsrecht nach § 14 dieses Vertrags aus und übernahmen die von der Klägerin erstellten Baulichkeiten. Der Übernahmepreis von 319 210 DM entsprach dem in der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 1961 ausgewiesenen Wert. Der vom Beklagten und Revisionsbeklagten (dem FA) ermittelte Verkehrswert zum 31. Dezember 1961 betrug hingegen 357 575 DM.
Das FA setzte in einem berichtigten vorläufigen Körperschaftsteuerbescheid für 1961 die Differenz von 38 365 DM als verdeckte Gewinnausschüttung an. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG hat ausgeführt:
Die Klägerin habe zugunsten ihrer Gesellschafter auf Vergütungsansprüche in Höhe von mindestens 38 365 DM verzichtet. Sie habe von den Gesellschaftern Ersatz des gesamten Aufwands für die Erstellung der Gebäude verlangen können. Das ergebe sich für die Zeit bis zur Aufhebung des Erbbaurechtsvertrags aus dessen § 10. Für die Zeit ab Aufhebung des Erbbaurechtsvertrags seien die Aufwendungen gemäß § 547 Abs. 2 Satz 1 BGB zu ersetzen. Das bedeute, daß die Gesellschafter außer dem Buchwert zum 31. Dezember 1961 auch die bis zu diesem Zeitpunkt vorgenommenen Abschreibungen hätten ersetzen müssen. Diese hätten 39 613 DM betragen und lägen sonach über dem vom FA angesetzten Wert.
Die Klägerin macht mit der Revision im wesentlichen geltend: Infolge der Aufhebung des Erbbaurechtsvertrags sei wieder der Pachtvertrag vom 1. Juli 1947 einschließlich des Rechts der Gesellschafter zur Ablösung mit dem Buchwert in Kraft getreten. Aus § 547 Abs. 2 BGB ergebe sich nicht, daß die Aufwendungen ohne die Berücksichtigung von Abschreibungen zu ersetzen seien. Die Baulichkeiten seien auch in ihrem Interesse errichtet worden. Sie habe sich die Vorteile der Nutzung entgegenhalten lassen müssen, die zumindest in Höhe der Abschreibungen zu bemessen seien.
Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Körperschaftsteuer auf 74 876 DM festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Es führt aus: Der Pachtvertrag vom 1. Juli 1947 habe mit dem Abschluß des Erbbauvertrags sein Ende gefunden. Es könne dahingestellt bleiben, ob und in welcher Höhe die Klägerin zivilrechtlich Aufwendungsersatz hätte beanspruchen können. Schon der RFH habe entschieden, daß bei der Überlassung eines Grundstücks zum Buchwert der Unterschiedsbetrag zum Verkehrswert als verdeckte Gewinnausschüttung zu erfassen sei (RFH-Urteil I A 49/32 vom 4. November 1932, Steuer und Wirtschaft 1933 Nr. 123). Stille Reserven dürften nicht der zweifachen Erfassung durch Körperschaftsteuer und Einkommensteuer entzogen werden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweiten Festsetzung der Steuer.
1. Hinsichtlich derjenigen Gebäude, die auf Grund des Erbbaurechts errichtet worden waren und im Jahre 1954 entschädigungslos in das Eigentum der Gesellschafter übergingen, kann die Steuerfestsetzung keinen Bestand haben. In der Aufhebung des Erbbaurechtsvertrags und dem - entgegen dem Vertrag - entschädigungslosen Übergang des Eigentums kann zwar eine verdeckte Gewinnausschüttung gesehen werden. Diese hätte jedoch bereits im Jahre 1954 erfaßt werden müssen.
2. In der Überlassung der nach der Aufhebung des Erbbaurechtsvertrags errichteten Gebäude an die Gesellschafter zum Buchwert liegt entgegen der Auffassung des FG keine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinn des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG. Die Frage, ob die Klägerin ihren Gesellschaftern infolge der Anrechnung nur des Buchwerts einen Vorteil zugewendet hat, den sie einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte, beurteilt sich nach dem der Überlassung zugrunde liegenden Mietvertrag vom 30. November 1961 (vgl. Urteil des BFH I R 178/69 vom 10. März 1971, BFH 102, 247, BStBl II 1971, 566). Die hierin zugelassene Übernahme von Bauten gegen Zahlung der Herstellungskosten "abzüglich angemessener Absetzung für Abnutzung" ist nicht unter Außerachtlassung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zustande gekommen. Sie enthält vielmehr eine den Interessen der Klägerin gerecht werdende und sie keineswegs benachteiligende Regelung.
Mit dem FG ist davon auszugehen, daß nach Aufhebung des Erbbaurechtsvertrags ein Mietvertrag über das Betriebsgrundstück geschlossen worden ist, auf den die gesetzlichen Regeln der §§ 535 ff. BGB Anwendung finden. Ein Mietvertrag nach § 535 BGB erfordert nichts weiter, als daß ein Vertragsteil sich verpflichtet, dem anderen Vertragsteil den Gebrauch einer Sache gegen Entgelt zu gewähren (Urteil des BGH V ZR 22/52 vom 10. Juli 1953, BGHZ 10, 171, 175). So liegt es hier. Die Klägerin behielt das Grundstück nach Aufhebung des Erbbaurechtsvertrags in Besitz und nutzte es. Dies geschah mit Wissen und Wollen der Gesellschafter. Die Klägerin zahlte eine Nutzungsentschädigung, die die Gesellschafter ohne Beanstandung entgegennahmen. Zutreffend sprechen Klägerin und Gesellschafter im Vertrag vom 30. November 1961 von dem "seit Jahren bestehenden Mietverhältnis". Der Auffassung der Klägerin, daß mit der Aufhebung des Erbbaurechtsvertrags wieder der Pachtvertrag vom 1. Juli 1947 in Kraft getreten sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Dagegen spricht die Erwägung des FG, daß der Pachtvertrag vom 1. Juli 1947 durch die vereinbarte und vollzogene Bestellung des Erbbaurechts hinfällig wurde und nach Aufhebung des Erbbaurechtsvertrags nicht ohne weiteres wieder Geltung erlangen konnte. Die Parteien des Mietvertrags vom 30. November 1961 sprechen selbst nicht von einem fortbestehenden Pachtverhältnis, sondern von dem seit Jahren bestehenden "Mietverhältnis".
Indessen folgt aus der Annahme, daß bis zum 30. November 1961 ein Mietvertrag bestand, der sich nach den gesetzlichen Regeln richtete, nicht, daß die Klägerin mit der Neufassung des Mietvertrags vom 30. November 1961 auf weitergehende Ersatzansprüche verzichtete. Wenn sich das FA auf das RFH-Urteil I A 49/32 (a. a. O.) beruft, übersieht es, daß der hier zu beurteilende Fall anders liegt. Die Klägerin hat sich nicht eines Wirtschaftsguts entäußert, über das sie - wie die Steuerpflichtige hinsichtlich des Grundstücks im Falle des RFH-Urteils - frei verfügen konnte, sondern Gebäude auf fremden Grund und Boden weggegeben. Wären Vermieter nicht die Gesellschafter, sondern unbeteiligte Dritte gewesen, hätte die Klägerin keine günstigere Entschädigungsregelung erreichen können.
Die während der Mietzeit errichteten Gebäude wurden gemäß § 94 Abs. 1, § 946 BGB wesentliche Bestandteile des Grundstücks. Die Annahme von Scheinbestandteilen nach § 95 Abs. 1 BGB scheidet aus, weil von vornherein an eine Übernahme der Gebäude durch die Gesellschafter gedacht war (dazu BGH-Urteile V ZR 22/52, a. a. O.; V ZR 264/56 vom 5. März 1958, Juristenzeitung 1958 S. 362). Entgegen der Ansicht des FG konnte die Klägerin nicht Verwendungsersatz nach § 547 BGB erlangen. Denn die Errichtung eines Gebäudes ist keine Verwendung (Bestandsverbesserung), sondern ändert das Grundstück in seinem Zustand (BGH-Urteile V ZR 22/52, a. a. O.; V ZR 105/61 vom 26. Februar 1964, BGHZ 41, 157). Ein Bereicherungsanspruch nach § 951 Abs. 1, § 818 Abs. 2 BGB entfällt ebenfalls (BGH-Urteil V ZR 105/61, a. a. O., gegen BGH-Urteil V ZR 22/52, a. a. O.). Die Klägerin war im wesentlichen auf ein Wegnahmerecht verwiesen (vgl. auch den nach Ablauf des Streitjahrs eingeführten § 547a BGB in der Fassung des Gesetzes vom 14. Juli 1964, BGBl I 1964 S. 457). Ihre Rechtsposition war sonach schwach. Die Möglichkeit, einen annehmbaren Übernahmepreis zu erzielen, war wirtschaftlich noch dadurch eingeschränkt, daß die Klägerin, die ihre Produktion fortzuführen wünschte, ein stärkeres Interesse an den Baulichkeiten hatte als ihre Gesellschafter und daß für diese die verhältnismäßig kurzen gesetzlichen Kündigungsfristen galten. Unter diesen Umständen muß es eher als ein Entgegenkommen der Gesellschafter gewertet werden, daß sie zu einer Entschädigung nach dem Buchwert bereit waren, wobei von den Herstellungskosten nur "angemessene" Absetzungen für Abnutzung sollten abgesetzt werden können. Der Abschlag vom Verkehrswert betrug am Übernahmetag noch nicht einmal 11 v. H.
3. Danach war die Vorentscheidung aufzuheben. Das Einkommen der Klägerin war antragsgemäß um 38 365 DM zu ermäßigen. Das FA hat nicht in Zweifel gezogen, daß die Klägerin nur angemessene Abschreibungen in Anspruch genommen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 413293 |
BStBl II 1972, 802 |
BFHE 1972, 313 |