Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts liegt Eigenverbrauch vor, wenn diese zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben Gegenstände einem Betriebszweig entnimmt, aus dem Umsätze an Dritte ausgeführt werden.
2. Ob eine Tätigkeit einem bestimmten Betriebszweig zuzurechnen ist, ist nicht nach der organisatorischen Einordnung, sondern nach der sachlichen Zugehörigkeit zu entscheiden.
3. Die Herstellung und Unterhaltung von Straßenbeleuchtungsanlagen ist dem Betriebszweig zuzurechnen, zu dem auch die Versorgungsbetriebe gehören.
4. Bei der Unterhaltung der Anlagen kommt ein Eigenverbrauch insoweit nicht in Betracht, als Material zur Ausführung einer fiktiven sonstigen Leistung verwendet wird.
5. Bemessungsgrundlage ist beim Eigenverbrauch der Wiederverkäufereinkaufspreis.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 2, § 5 Abs. 1; UStDB § 31 Abs. 1
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) hat dem unter dem Namen "Städtische Werke" geführten Eigenbetrieb, dem die Versorgung der Bevölkerung des Stadtgebiets mit Gas und Wasser obliegt, auch die Aufgabe zugewiesen, die Straßenbeleuchtungsanlagen zu unterhalten und zu erweitern. Das für diese Anlagen erforderliche Material ist von den Städtischen Werken angeschafft und in einer eigens für diesen Zweck eingerichteten Betriebsabteilung verwendet worden. Von den Städtischen Werken werden Gasgeräte auch an Dritte geliefert und Betriebsvorrichtungen vermietet. In der Bilanz der Städtischen Werke werden die Beleuchtungsanlagen als Treuhandvermögen geführt.
Nach Durchführung einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, daß in Höhe der Aufwendungen für die Neuanlagen und für das bei der Unterhaltung der Straßenbeleuchtungsanlagen verbrauchte Material -- vom Fuß der Kandelaber ab gerechnet -- steuerpflichtiger Eigenverbrauch gegeben sei. Es erhielt diese Auffassung auch in der Einspruchsentscheidung aufrecht.
Mit der Berufung hatte die Stpfl. keinen Erfolg.
Das Finanzgericht ging in seiner Entscheidung davon aus, daß die Stpfl. dadurch, daß sie in dem Rahmen der Städtischen Werke eine gewerbliche Tätigkeit ausübe, Unternehmer sei. Da sie den Städtischen Werken Gegenstände entnommen habe, um die Straßenbeleuchtungsanlagen zu erhalten und zu erweitern und dadurch ihre öffentlich-rechtlichen Aufgaben zu erfüllen, sei Eigenverbrauch im Sinne des § 1 Ziff. 2 UStG eingetreten. In der Unterhaltung und Erweiterung der Straßenbeleuchtungsanlagen könne kein besonderer, neben den Städtischen Werken bestehender Betriebszweig erblickt werden. Die Stpfl. habe aus dem Betrieb der Städtischen Werke nicht nur Beleuchtungsanlagen und dazugehörige Ersatzteile entnommen, sondern auch an die angeschlossenen Abnehmer Gas geliefert und dadurch für diesen Betriebszweig typische Lieferungen an Dritte erbracht. Sie habe diese Lieferungen nur vornehmen können, weil von ihr ein den Bedürfnissen entsprechendes Leitungsnetz gelegt und unterhalten worden sei. Im Hinblick darauf, daß Lieferungen von Gas lediglich mittels der Anlagen vorgenommen werden könnten, würden die Geschäfte, die sich nach den technischen Erfordernissen notwendigerweise ergänzen, zu den für diesen Betriebszweig typischen. Die enge Verbindung zwischen den Lieferungen von Gas mit der Anlegung und Unterhaltung des Leitungsnetzes ergebe sich auch aus § 31 UStDB. Aus der Lieferung von Gasgeräten an Dritte und der Vermietung von Betriebsvorrichtungen sei ebenfalls zu entnehmen, daß die Entnahme von Gegenständen, die dem Verbrauch von Gas dienen, zu dem Betrieb der Städtischen Werke rechnen.
Entscheidungsgründe
Die gegen diese Entscheidung des Finanzgerichts eingelegte Rb. muß, wenn auch aus anderen als den vorgebrachten Gründen, zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Nach § 1 Ziff. 2 UStG ist Eigenverbrauch gegeben, wenn ein Unternehmer Gegenstände aus seinem Unternehmen für Zwecke entnimmt, die außerhalb des Unternehmens liegen. Der Reichsfinanzhof hat in seiner Entscheidung V A 506/30 vom 18. Dezember 1931 (RStBl 1933 S. 272, Slg. Bd. 30 S. 128) zu der Frage, wann bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts Eigenverbrauch vorliegt, Stellung genommen. Danach ist ein solcher anzunehmen, wenn die Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben Gegenstände einem Betriebszweig entnimmt, aus dem Umsätze an Dritte ausgeführt werden. Dieser Auffassung tritt der Senat bei. Das Finanzgericht hat deshalb zu Recht die Frage geprüft, ob die Unterhaltung und Erweiterung der Straßenbeleuchtungsanlagen demselben Betriebszweig zuzurechnen sind, zu dem die Städtischen Werke als Versorgungsbetrieb gehören. Unstreitig sind die Städtischen Werke, soweit sie die Bevölkerung mit Gas und Wasser versorgen, gewerbliche Betriebe. Dazu gehören aber, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht nur die Lieferungen von Gas und Wasser, sondern auch das Leitungsnetz und die übrigen Betriebsmittel sowie Geräte und Vorrichtungen, die verkauft bzw. vermietet werden. Daß auch die Gegenstände des Anlagevermögens des Versorgungsbetriebs zum unternehmerischen Bereich der Stpfl. gehören, ergibt sich auch daraus, daß die Verkäufe solcher Gegenstände als Hilfsgeschäfte der Umsatzbesteuerung unterliegen. Ob zu dem gleichen Betriebszweig auch die Unterhaltung und Erweiterung der Straßenbeleuchtungsanlagen zu rechnen sind, ist keine Frage der organisatorischen Einordnung, sondern eine solche der sachlichen Zugehörigkeit. Diese Zugehörigkeit hat das Finanzgericht zu Recht bejaht. Der Versorgungsbetrieb und die Betriebsabteilung Straßenbeleuchtung sind insofern artverwandt, als sie beide der Energieversorgung dienen. Der Zurechnung der Betriebsabteilung Straßenbeleuchtung zu dem Betriebszweig des Versorgungsbetriebs steht es nicht entgegen, daß die erstere gesondert geführt wird. Entscheidend ist allein, daß beide der Art ihrer Tätigkeit nach dem gleichen Betriebszweig angehören. Wenn aber die Lieferung von Gas, das Legen und Unterhalten des Leitungsnetzes, der Verkauf von Geräten und die Vermietung von Vorrichtungen zu dem unternehmerischen Bereich des Gaswerkes gehören, so müssen auch die Herstellung und die Unterhaltung der Anlagen für die Beleuchtung der Straßen zu diesem Betriebszweig gerechnet werden. Diese Zugehörigkeit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Arbeiten der Abteilung Straßenbeleuchtung sich auch auf die elektrische Beleuchtung erstrecken. Nicht erforderlich ist, daß die Tätigkeit, die der Straßenbeleuchtung dient, auch von dem Versorgungsbetrieb ausgeübt wird. Es genügt die Gleichartigkeit der Tätigkeit. Daß es sich bei der Unterhaltung und Erweiterung der Straßenbeleuchtungsanlagen um eine nicht zum Bereich der Städtischen Werke gehörende, wesensfremde Aufgabe handelt, kann nicht anerkannt werden. Das Finanzgericht hat daher die Unterhaltung und Erweiterung der Straßenbeleuchtungsanlagen zu Recht dem unternehmerischen Bereich der Stpfl. zugerechnet.
Wenn aber die Straßenbeleuchtungsanlagen im unternehmerischen Bereich erweitert wurden und die Straßenbeleuchtung der Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe dient, so muß der dauernden Verwendung der Anlagen für hoheitliche Zwecke eine Entnahme aus dem Unternehmen der Stpfl. vorausgegangen sein. Maßgebend für diese Beurteilung sind die tatsächlichen Verhältnisse; auf die buchmäßige Behandlung kann es nicht ankommen.
Die Vorinstanzen haben, soweit es sich um die Unterhaltung der Anlagen handelt, einen Eigenverbrauch in Höhe der Aufwendungen für das verbrauchte Material angenommen. Gemäß § 1 Ziff. 2 UStG fällt aber nur die Entnahme von Gegenständen als Eigenverbrauch unter das UStG. Was Dritten gegenüber eine sonstige Leistung darstellt, kann daher nicht Gegenstand der Eigenverbrauchsbesteuerung sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 66/58 U vom 9. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 173, Slg. Bd. 72 S. 475). Diese Beurteilung muß auch gelten, soweit dazu Material verwendet wird. Wie sich aus der Unterscheidung zwischen "Unterhaltung" und "Erweiterung" ergibt, können für die Unterhaltung der Anlagen auch sonstige Leistungen in Betracht kommen. Den Akten ist nicht zu entnehmen, daß als Eigenverbrauch nur die fiktiven Werklieferungen herangezogen worden sind. Es besteht daher die Möglichkeit, daß ein Teil der Kosten für die Anlagen zu Unrecht der Umsatzsteuer unterworfen worden ist.
Für die Bemessung des Eigenverbrauchs sind die Vorinstanzen von den Aufwendungen für die Herstellung und Unterhaltung der Anlagen ausgegangen. Wie sich aus § 5 Abs. 1 Satz 3 UStG ergibt, tritt beim Eigenverbrauch an die Stelle des vereinnahmten Entgelts der Preis, der am Ort und zur Zeit der Entnahme für Gegenstände der gleichen oder ähnlichen Art von Wiederverkäufern gezahlt zu werden pflegt. Das Finanzgericht ist insoweit ebenfalls von unzutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen.
Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Sie wird zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Dieses wird zu prüfen haben, ob nicht ein Teil der Materialkosten von der Besteuerung auszunehmen ist. Der Wiederverkäufereinkaufspreis wird erforderlichenfalls zu schätzen sein.
Fundstellen
BStBl III 1964, 174 |
BFHE 1964, 454 |