Entscheidungsstichwort (Thema)
Anbringung einer Vorhangfassade nur ausnahmsweise Modernisierungsaufwand
Leitsatz (NV)
Eine Vorhangfassade, die nicht ausschließlich zur Verkleidung von Wärmedämmstoffen angebracht ist, dient nicht ausschließlich dem Wärmeschutz.
Normenkette
EStDV 1979 § 82a Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines im Jahre 1971 errichteten Einfamilienhauses. Er ließ nach dem 30. Juni 1978 an der Nord-, West- und Ostseite des Hauses eine Vorhangfassade (Verklinkerung; lt. Rechnung 166,10 qm Klinkerfläche im Format 24/5,2/5,2) in einem Abstand von rd. 3 cm zu den verputzten Außenwänden anbringen. Besondere Dämmstoffe wurden nicht angebracht. Die Aufwendungen für die Vorhangfassade beliefen sich einschließlich Nebenkosten auf 28 695,92 DM.
Der Kläger machte hierfür im Streitjahr 1981 erhöhte Absetzungen nach § 82a Abs. 1 Nr. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1979 (EStDV) geltend.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führt im wesentlichen aus, unter Maßnahmen, die ausschließlich zum Zweck des Wärmeschutzes vorgenommen wurden, seien solche zu verstehen, die objektiv gesehen ausschließlich dazu dienten, die Wärmedämmung des Gebäudes nach außen hin zu verbessern. Die vom Kläger durchgeführte Baumaßnahme erfülle diese Funktion.
Eine Verklinkerung, die als freitragende Schale (sog. Vorhangfassade) vor die vorhandene Außenwand gesetzt werde, führe zu einer erheblichen Verbesserung der Wärmedämmung durch die isolierende Wirkung des eingeschlossenen Lufthohlraumes. Das FG folge insoweit dem Sachvortrag des Klägers, der auch vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) nicht in Zweifel gezogen worden sei. Es sei zwar nicht auszuschließen, daß im Streitfall die zusätzliche Anbringung von Dämmstoffen einen noch höheren Wärmeschutz zur Folge gehabt hätte. Diese Tatsache stehe aber nicht der Feststellung entgegen, daß schon die vom Kläger angebrachte Vorhangfassade als solche in nicht unwesentlichem Umfang den Wärmeschutz verbessere. Es komme hinzu, daß ein bautechnischer Grund, nämlich der nicht ausreichende Überstand des Flachdaches, den Einbau eines besonderen Dämmstoffes nicht ohne weiteres zugelassen habe.
Im Streitfall sei ferner davon auszugehen, daß die Vorhangfassade ausschließlich dem Wärmeschutz diene. Da die Außenwände des Hauses mit einem Außenputz versehen gewesen seien und dieser sich in einem intakten Zustand befunden habe, könne die Vorhangfassade die äußere Gestaltung und den Schutz des Hauses in allenfalls untergeordneter Weise erhöht, insbesondere aber keine direkten sonstigen Verbesserungen mit sich gebracht haben. Die aus den Rechnungen erkennbare Art der Verklinkerung sowie die Höhe der Kosten ließen nicht den Schluß zu, daß es sich um eine außergewöhnlich aufwendige Ausführung gehandelt habe. Ferner sei zu beachten, daß der Kläger in den Jahren 1979 und 1982 Fenster mit Isolierverglasung eingebaut habe. Dies deute darauf hin, daß er auch subjektiv mit der Anbringung der Fassade den Zweck der Wärmeschutzverbesserung verfolgt habe. Infolgedessen seien die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen in vollem Umfang begünstigt.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der Verletzung von § 82a Abs. 1 Nr. 2 EStDV gerügt wird.
Das FA beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage als unbegründet (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Vorentscheidung verletzt § 82a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStDV 1979. Nach dieser Vorschrift sind Maßnahmen begünstigt, die ausschließlich zum Zweck des Wärme- oder Lärmschutzes vorgenommen werden.
Das FG hat es zu Recht offengelassen, ob die Baumaßnahme zu Herstellungskosten oder zu Erhaltungsaufwand geführt hat; denn es handelte sich um eine Maßnahme, die nach dem 30. Juni 1978 durchgeführt worden ist (§ 82a Abs. 4 EStDV).
Der VIII.Senat hat in seinem Urteil vom 20. Oktober 1981 VIII R 85/79 (BFHE 134, 301, BStBl II 1982, 64) ausgesprochen, daß Aufwendungen für Vorhangfassaden im allgemeinen nicht nach § 82a EStDV begünstigt sind. Vorhangfassaden dienen regelmäßig außer dem Wärme- und Schallschutz auch dem Schutz des Hauses und dessen äußerer Gestaltung. In diesem Zusammenhang hat der VIII.Senat auf die unterschiedlichen Zielsetzungen der Förderung des Wärme- und Schallschutzes in § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 82a EStDV und in § 4 des Modernisierungs- und Energieeinsparungsgesetzes (ModEnG) - i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 27. Juni 1978 (BGBl I 1978, 878) - hingewiesen und daraus gefolgert, daß die Begünstigung gemäß § 82a EStDV entsprechend ihrem Wortlaut voraussetze, daß die Maßnahmen ausschließlich dem Wärme- oder Lärmschutz dienen müssen. Dem schließt sich der erkennende Senat an.
Die Beurteilung, ob eine Maßnahme ausschließlich dem Wärmeschutz dient, ist nicht nur eine Rechtsfrage, sondern auch eine Tatsachenwürdigung und damit Teil der Tatsachenfeststellungen des FG i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, die das Revisionsgericht aber daraufhin zu überprüfen hat, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen. Die vom FG vorgenommene Würdigung verstößt gegen Erfahrungssätze.
Eine Vorhangfassade erfüllt eine Reihe von Zwecken. Dazu gehören der Witterungsschutz und die Erhöhung der Haltbarkeit der von der Vorhangfassade geschützten Hauswand, wobei deren Verklinkerung auch künftige Verputzarbeiten überflüssig macht. Die Vorhangfassade kann der Verschönerung des Gebäudes dienen. Im Rahmen des Witterungsschutzes erhöht sie regelmäßig auch den Wärmeschutz, außerdem auch den Lärmschutz.
Wegen dieser vielfältigen Zweckerfüllung könnte eine ausschließlich dem Wärmeschutz dienende Maßnahme i.S. des § 82a EStDV allenfalls dann angenommen werden, wenn sich das Anbringen der Vorhangfassade als Maßnahme zum Schutz von Wärmedämmstoffen darstellt (vgl. Urteil in BFHE 134, 301, BStBl II 1982, 64). Bei einer nicht zur Verkleidung von Wärmedämmstoffen angebrachten Vorhangfassade kann wegen der verschiedenen Funktionen erfahrungsgemäß nicht einzelnen Zwecken eine nur untergeordnete Bedeutung beigemessen werden; die Fassade kann nicht ausschließlich dem Wärmeschutz dienen.
Die vom Kläger angebrachte Vorhangfassade besteht aus Klinkersteinen. Sie dient mithin auch dem Schutz des Hauses vor Witterungseinflüssen und dessen äußeren Gestaltung. Das FG hat wegen des Vorhandenseins eines unbeschädigten Außenputzes und der nach Art und Kosten nicht aufwendigen Ausführung die Verbesserung der äußeren Gestaltung und des Schutzes des Hauses als allenfalls untergeordnet angesehen und die Maßnahme als ausschließlich dem Wärmeschutz dienend beurteilt. Diese Würdigung des FG verstößt gegen den Erfahrungssatz, wonach bei einer nicht zur Verkleidung von Wärmedämmstoffen angebrachten Vorhangfassade einzelne Zwecke keine untergeordnete Bedeutung haben können und die Fassade deshalb nicht ausschließlich dem Wärmeschutz dienen kann. Daß die Luft zwischen Außenwand und Vorhangfassade zur Wärmedämmung beiträgt und der Kläger die Absicht hatte, den Wärmeschutz zu verbessern, ändert nichts daran, daß die Vorhangfassade erfahrungsgemäß auch anderen Zwecken dient.
Die Berufung des Klägers auf sein schriftsätzliches Beweisangebot im Klageverfahren, durch Sachverständigen-Gutachten den Ausschließlichkeitscharakter nachweisen zu wollen, hat keinen Erfolg. Ausweislich des Protokolls ist das ,,Beweisangebot" in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt worden. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte der Kläger keinen Erfolg haben können: denn der Beweisantrag enthält keinen genügend substantiierten Tatsachenvortrag, weshalb aufgrund welcher Einzelheiten eine von dem Erfahrungssatz abweichende Beurteilung hätte ermöglicht werden sollen und können.
Da die Vorhangfassade nicht ausschließlich dem Wärmeschutz dienen konnte, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.
Die Klage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 416946 |
BFH/NV 1990, 565 |