Entscheidungsstichwort (Thema)
Häusliches Arbeitszimmer als Mittelpunkt der beruflichen Betätigung bei einer Produkt- und Fachberaterin
Leitsatz (amtlich)
1. Ob das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, bestimmt sich nach dem qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Dies zu beurteilen obliegt in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz.
2. Bei einer Produkt- und Fachberaterin, deren Tätigkeit wesentlich durch die Arbeit im Außendienst geprägt ist, bildet das häusliche Arbeitszimmer auch dann nicht den Mittelpunkt ihrer beruflichen Betätigung, wenn die dort verrichteten Tätigkeiten zur Erfüllung der übertragenen Aufgaben notwendig sind.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist, wann das Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen mit einer beruflichen Tätigkeit, die teilweise zu Hause und teilweise auswärts ausgeübt wird, den Mittelpunkt der gesamten Betätigung i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bildet.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Streitjahr (1996) als Produkt- und Fachberaterin für medizintechnische Produkte im Außendienst nichtselbständig tätig. In ihrer Wohnung nutzte sie einen Raum als Arbeitszimmer für ihre berufliche Tätigkeit. Bei ihrem Arbeitgeber stand ihr kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung.
Zwei Tage pro Woche arbeitete die Klägerin ausschließlich in ihrem Arbeitszimmer. Sie betreute Kunden telefonisch, führte Mailingaktionen durch und beantwortete Kongressanfragen. Sie arbeitete die Tourenpläne für die jeweils folgende Woche aus und verabredete Termine mit ihren Kunden. Ferner erstellte sie die Besuchs- und Wochenberichte sowie die Statistiken an diesen beiden Tagen. An den übrigen Tagen arbeitete die Klägerin den eigenen Angaben zufolge morgens zunächst ein bis zwei Stunden ebenfalls in dem häuslichen Arbeitszimmer, um die Tagesrouten vorzubereiten und die einzelnen Termine letztmalig zu bestätigen. Nach Abschluss der Kundenbesuche bereitete sie die Ergebnisse des Tages im Arbeitszimmer nach, erstellte ggf. Angebote und beantwortete Anfragen. Darüber hinaus lagerte die Klägerin in dem Arbeitszimmer auch die Produkte, die sie vertrat.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin u.a. Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von knapp 4 000 DM (ohne die Kosten der Ausstattung) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte hiervon lediglich 2 400 DM.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1031 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 EStG. Sie trägt vor, "Mittelpunkt" im Sinne der Abzugsbeschränkung sei der Ort, an dem inhaltlich die wesentliche Arbeitsleistung erbracht werde. Wer beispielsweise ein Produkt zu Hause, im häuslichen Arbeitszimmer, entwickele, nach Erprobung dort weiterentwickele und von dort aus versende, habe dort seinen Tätigkeitsmittelpunkt, auch wenn er das Produkt jeden Tag auf dem Markt anpreise, erläutere und vorführe. Das Gleiche gelte für Steuerpflichtige, die den Verkauf fertiger Produkte organisierten, diese im häuslichen Arbeitszimmer lagerten und von dort verschickten oder selbst den Kunden überbrächten.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Steuerbescheid dahin gehend zu ändern, dass die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer in voller Höhe als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Das FA tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision war nach § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückzuweisen.
Im Ergebnis zutreffend hat das FG festgestellt, dass das Arbeitszimmer der Klägerin nicht der Mittelpunkt ihrer gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 EStG war. Die Aufwendungen für dieses Zimmer können daher lediglich in Höhe von 2 400 DM als Werbungskosten berücksichtigt werden.
1. Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der lediglich eine berufliche Tätigkeit ―teilweise zu Hause und teilweise auswärts― ausübt, ist Mittelpunkt seiner gesamten Betätigung, wenn er dort diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Die diesbezügliche Würdigung aller Umstände des Einzelfalles obliegt in erster Linie den Finanzgerichten. Dem zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt im Rahmen dieser Würdigung lediglich eine indizielle Bedeutung zu.
a) Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach Satz 2 der letztgenannten Vorschrift nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach Satz 3 Halbsatz 1 der Vorschrift (in der hier maßgeblichen Fassung) die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2 400 DM begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2 der Vorschrift).
b) Der Begriff "Mittelpunkt der gesamten (…) Betätigung" ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Er unterscheidet sich von vergleichbaren Formulierungen wie "Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit" in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG, "Mittelpunkt der geschäftlichen Leitung des Arbeitgebers" in § 41 Abs. 2 Satz 2 EStG, "Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung" in § 10 der Abgabenordnung (AO 1977) oder "Mittelpunkt der Lebensinteressen" in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 7 EStG. Deswegen kann zur Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG auf die genannten anderen Bestimmungen nicht zurückgegriffen werden (so auch Söhn in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Anm. Lb 187 und 191; Meurer in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 4 Anm. 723; Wacker in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 4 Anm. 285n). Auch die Gesetzesmaterialien (BTDrucks 13/1686, 16) sprechen hinsichtlich der zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG von einer "Neuregelung" und enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesetzgeber an einer anderen gesetzlichen Bestimmung hat orientieren wollen.
c) Der Mittelpunkt i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung eines Steuerpflichtigen. Wo dieser Schwerpunkt liegt, ist im Wege einer Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen festzustellen. Im Rahmen dieser Wertung kommt dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Deswegen schließt das zeitliche Überwiegen der außerhäuslichen Tätigkeit einen unbeschränkten Abzug der Aufwendungen nicht von vornherein aus.
aa) Dies ergibt sich bereits aus einem Vergleich der Mittelpunktsregelung mit der Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 EStG.
In § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 EStG stellt das Gesetz auf einen bestimmten Prozentsatz (50 v.H.) ab und legt damit ein quantitatives Tatbestandsmerkmal fest. In Satz 3 Halbsatz 2 wird demgegenüber der Begriff des Mittelpunkts ohne ausdrückliche zeitliche Grenze verwendet. Dementsprechend darf der Mittelpunktsbegriff zum einen nicht nur quantitativ verstanden werden (so auch die herrschende Ansicht, vgl. etwa Söhn in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 4 Anm. Lb 187; a.A.: Sagasser, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1995, 1649, 1652; Homburg, Betriebs-Berater ―BB― 1995, 2453); zum anderen gibt es für den Mittelpunkt keine von vornherein festgelegte zeitliche Grenze (so auch Giloy, BB 1995, 2454, 2457; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, § 19 Rz. 60 "Arbeitszimmer").
bb) Die Systematik der Vorschrift bestätigt dies. Satz 2 der Regelung nennt zwei Ausnahmen vom Abzugsverbot, nämlich eine Nutzung zu mehr als 50 v.H. oder das Fehlen eines anderen Arbeitsplatzes. Diese Voraussetzungen müssen dem Wortlaut nach ("oder") nicht kumulativ vorliegen.
Der erste Halbsatz des Satzes 3 bestimmt für beide Alternativen eine Abzugsbeschränkung der Höhe nach. Hieran wird wiederum im zweiten Halbsatz des Satzes 3 angeknüpft, der damit lediglich die "Beschränkung der Höhe nach" aufhebt und eine weitere, zusätzliche tatbestandliche Voraussetzung für den unbegrenzten Abzug von Aufwendungen aufstellt. Diese bezieht sich ―ebenso wie die Regelung in Satz 3 Halbsatz 1― auf beide Alternativen des Satzes 2 (so auch Urban, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 1996, 229, 232).
Ginge man (mit Teilen des Schrifttums und der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, vgl. Broudré in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 4 EStG Anm. 1565; Meurer, a.a.O., § 4 Rdnr. 723; Söhn in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 4 Rdnr. Lb 207; Homburg, BB 1995, 2453; ferner: Urteile des FG München vom 8. November 2000 1 K 1066/98, 1 K 3227/98, EFG 2001, 268, 270, und vom 26. April 2000 13 K 3200/99, EFG 2001, 1114; FG Baden-Württemberg vom 2. September 1998 2 K 245/95, EFG 1999, 329; FG Düsseldorf vom 19. Oktober 2000 15 K 7678/98 E, EFG 2001, 814) davon aus, dass ein Arbeitszimmer nur dann "Mittelpunkt" im Sinne dieser zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzung sein könne, wenn der Steuerpflichtige dort überwiegend tätig ist ―also mindestens 50 v.H. seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeiten verrichtet―, käme der Regelung in Satz 3 Halbsatz 2 in Bezug auf die 2. Alternative des Satzes 2 keine Bedeutung zu: Ein Steuerpflichtiger, dem kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht und der damit unter die Voraussetzung der 2. Alternative des Satzes 2 fällt, könnte Aufwendungen nur dann nach Satz 3 Halbsatz 2 unbeschränkt abziehen, wenn er zusätzlich die Voraussetzung der 1. Alternative des Satzes 2 einer Nutzung zu mehr als 50 v.H. erfüllte. Dies würde im Ergebnis zu einer ―vom Gesetz nicht gewollten― Koppelung der beiden in Satz 2 genannten selbständigen Tatbestandsalternativen führen.
Demnach kann das Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der über keinen anderen Arbeitsplatz verfügt, grundsätzlich auch dann Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung sein, wenn die Nutzung nicht mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt. Folglich ist der zeitliche Umfang der Nutzung im Fall des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Alternative 2 EStG kein abschließendes Abgrenzungskriterium für die Frage nach dem Mittelpunkt der gesamten Betätigung (vgl. auch FG Hamburg, Urteil vom 23. November 1999 II 397/99, EFG 2000, 357; Urban, DStZ 1996, 229, 232).
cc) Schließlich sprechen auch Sinn und Zweck der Abzugsbeschränkung dafür, dass dem zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers in Bezug auf Steuerpflichtige, die über keinen anderen Arbeitsplatz verfügen, nur eine indizielle Bedeutung zukommt.
Die Beschränkung des Werbungskostenabzugs für ein häusliches Arbeitszimmer dient der typisierenden Begrenzung von Aufwendungen, die eine Berührung mit dem privaten Lebensbereich des Steuerpflichtigen aufweisen und in einer Sphäre anfallen, die einer sicheren Nachprüfung durch Finanzverwaltung und Finanzgerichte entzogen ist (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. September 1996 VI R 47/96, BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68, 70; vom 21. November 1997 VI R 4/97, BFHE 184, 532, BStBl II 1998, 351, 353; vom 23. September 1999 VI R 74/98, BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7, 8). Dabei werden die Aufwendungen allerdings nicht pauschal ausgeschlossen, sondern abgestuft berücksichtigt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann steuerlich abziehbar sein sollen, wenn ein solches für die Erwerbstätigkeit erforderlich ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68, 69 f.; Urteil des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162).
Die Erforderlichkeit hat der Gesetzgeber mit der Regelung des Satzes 2 dem Grunde nach in den beiden gleich zu behandelnden Fällen des begrenzten Abzugs bejaht, nämlich bei einer Nutzung zu mehr als 50 v.H. oder beim Fehlen eines anderen Arbeitsplatzes. Notwendig zur Erzielung von Einnahmen ist das häusliche Arbeitszimmer aber vor allem in den Fällen, in denen einem Steuerpflichtigen für die konkrete Erwerbstätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Aus diesem Grunde würde ein Verständnis der Mittelpunktsregelung, welches in solchen Fällen die Anerkennung des unbeschränkten Abzugs von Aufwendungen an die zusätzliche ―zwingende― Voraussetzung einer Nutzung zu mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit knüpfte, die Grenzen der zulässigen Typisierung überschreiten.
d) Das bedeutet nicht, dass die Frage nach dem zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers durch den Steuerpflichtigen in jedem Fall unbeachtlich wäre. Ihr kommt allerdings nur eine indizielle Bedeutung zu. Dabei kann eine zeitlich umfangreiche Nutzung des Arbeitszimmers als Indiz dafür gewertet werden, dass das Arbeitszimmer Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen ist, während eine nur geringfügige Nutzung eher gegen eine solche Annahme spricht.
Grundsätzlich gilt aber, dass bei einem Steuerpflichtigen, dem für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Alternative 2 EStG), das häusliche Arbeitszimmer auch dann Mittelpunkt i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG sein kann, wenn die außerhäuslichen Tätigkeiten (zeitlich) überwiegen. Doch setzt dies voraus, dass den außerhäuslichen Tätigkeiten nur eine untergeordnete Bedeutung gegenüber den im Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten zukommt. Letztere müssen für den ausgeübten Beruf so maßgeblich sein, dass sie diesen prägen. Allein der Umstand, dass sie zur Erfüllung der außerhäuslichen Tätigkeit (etwa vor- oder nachbereitend) erforderlich sind, genügt nicht.
Die Frage, ob die in einem Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten den Beruf insgesamt prägen oder ob ihnen lediglich eine unterstützende Funktion zukommt, betrifft die Tatsachenfeststellung bzw. -würdigung, die in erster Linie den Finanzgerichten obliegt.
e) Der Senat folgt damit nicht der Auffassung des FA, dass bereits der Umstand einer dauerhaften Außendiensttätigkeit den unbegrenzten Abzug von Werbungskosten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG ausschließt (vgl. auch Bundesministerium der Finanzen ―BMF― vom 16. Juni 1998 IV B 2 -S 2145- 59/98, BStBl I 1998, 863 Tz. 8).
Der Senat folgt andererseits aber auch nicht der Auffassung, dass ein häusliches Arbeitszimmer schon dann Tätigkeitsmittelpunkt ist, wenn der Steuerpflichtige über keinen anderweitigen festen Arbeitsplatz verfügt und das Arbeitszimmer das örtliche Zentrum bildet, von dem aus er seiner beruflichen (Außendienst-)Tätigkeit nachgeht (so Seifert in: Korn, § 4 EStG Rz. 1112; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz. 597; Broudré, DStR 1995, 1733, 1735). Diese Fallgestaltung ist in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 Alternative 2 EStG ausdrücklich geregelt und führt nach Satz 3 Halbsatz 1 der Bestimmung lediglich zu einer begrenzten Anerkennung der Aufwendungen.
Auch der Gesichtspunkt, dass im häuslichen Arbeitszimmer die "geschäftsleitenden Ideen" entwickelt und die "unternehmensbezogenen Entscheidungen" getroffen werden, ist nur dann von Bedeutung, wenn die Entwicklung der Ideen und das Fällen der Entscheidungen für die Tätigkeit des Steuerpflichtigen insgesamt prägend sind. Dienen sie dagegen lediglich der Vorbereitung oder Unterstützung der eigentlichen Tätigkeit, die im Außendienst verrichtet wird, machen sie das Arbeitszimmer nicht zum Tätigkeitsmittelpunkt (a.A. Seifert, a.a.O.).
f) Der Senat folgt schließlich auch nicht der Ansicht, dass sich der Tätigkeitsmittelpunkt nach den erwirtschafteten Einnahmen bestimmt (Jahn, Der Steuerberater 1996, 55, 57; Mainzer/ Strohner, Finanz-Rundschau 1996, 91, 97; Niermann, Der Betrieb 1995, 2084); denn ein solches Verständnis der Abzugsbeschränkung wird schon vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG knüpft an die Tätigkeit und nicht an den Ertrag an.
2. Das FG ist zwar im Streitfall teilweise von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Gleichwohl war die Revision nach § 126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen, da sich die Vorentscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt.
a) Unzutreffend ist die Annahme des FG, dass ein unbeschränkter Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer schon deshalb ausscheide, weil die Klägerin dort dem eigenen Vortrag zufolge lediglich 55 v.H. ihrer gesamten Arbeitszeit verbracht hat. Die Klägerin verfügte den Feststellungen des FG zufolge im Streitjahr über keinen anderen Arbeitsplatz. Der zeitliche Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers stellt in diesem Fall kein ausschließendes Kriterium dar. Der Tätigkeitsmittelpunkt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG hätte ungeachtet dessen im häuslichen Arbeitszimmer liegen können.
b) Dennoch ist die Vorentscheidung aus anderen, von diesem Rechtsfehler unabhängigen Gründen zutreffend. Unabhängig vom zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers hat das FG festgestellt, dass die Arbeit im Außendienst den inhaltlichen, qualitativen Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit der Klägerin bildete. Grundlage dieser Feststellung ist die von der Klägerin gegebene Tätigkeitsbeschreibung, die das FG im Rahmen einer umfassenden Wertung mit dem allgemeinen Berufsbild des Außendienstmitarbeiters verglichen hat. Dabei hat das FG insbesondere die Demonstrationen der vertriebenen Produkte in den Kliniken, die als Kunden gewonnen werden sollten, als wesentlich und prägend erachtet. Diese Wertung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass das FG im Rahmen dieser Gesamtwürdigung nicht erneut auch den zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers ―als Indiz― berücksichtigt hat, ist unbeachtlich; denn der Nutzungsanteil von 55 v.H. spricht weder für noch gegen die Annahme des Tätigkeitsmittelpunktes im häuslichen Arbeitszimmer und konnte daher vernachlässigt werden.
c) Die festgestellte Rechtsverletzung war aus diesem Grund für die Vorentscheidung nicht kausal (vgl. hierzu Seer in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 126 FGO Tz. 54).
Fundstellen
Haufe-Index 913405 |
BFH/NV 2003, 688 |
BStBl II 2004, 62 |
BFHE 2003, 93 |
BFHE 201, 93 |
BB 2003, 777 |
BB 2003, 826 |
DB 2003, 808 |
DStRE 2003, 517 |
DStZ 2003, 315 |
HFR 2003, 548 |