Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwahl der Nutzungswertbesteuerung durch einen Nutzungsberechtigten
Leitsatz (NV)
1. Das mit dem Erbfall entstandene Nutzungsrecht gemäß § 14 HöfeO begründet eine dem Nießbrauch ähnliche Stellung und führt zur Entstehung zweier Betriebe; eines ruhenden Eigentümerbetriebs in der Hand der Hoferben und eines wirtschaftenden Betriebs in der Hand des Nutzungsberechtigten.
2. Die durch den Nutzungsberechtigten erfolgte Abwahl der Nutzungswertbesteuerung einer von ihm genutzten Wohnung hat keinen Einfluss auf die Zugehörigkeit dieser Wohnung und des dazu gehörenden Grund und Bodens zum Betriebsvermögen des Eigentümers.
Normenkette
EStG § 52 Abs. 15; HöfeO §§ 4, 14
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bewirtschaftete bis zum 30. Juni 1997 einen land- und forstwirtschaftlichen Hof, der unter die Höfeordnung (HöfeO) fiel. Hoferbe und Eigentümer des Hofes ist ihr Sohn A. Der Klägerin stand gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 HöfeO bis zur Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres des Hoferben die Verwaltung und Nutznießung am Hof zu. Sie ermittelte ihren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach dem Normalwirtschaftsjahr für Landwirte. Mit notariellem Vertrag vom 15. August 1997 hob die Klägerin rückwirkend zum 30. Juni 1997 das ihr eingeräumte Nutzungsrecht (im Vertrag als Nießbrauchsrecht bezeichnet) an dem Hof auf.
Zu dem von der Klägerin genutzten Betriebsvermögen gehörte u.a. die Betriebsleiterwohnung in B. Die Wohnung befindet sich neben diversen Wirtschaftsgebäuden auf einem 4 656 qm großen Grundstück. Das Grundstück wurde bei der Klägerin als Betriebsvermögen gemäß § 55 EStG bilanziert.
In ihrer Bilanz zum 30. Juni 1997 vom 19. Dezember 1997 beantragte die Klägerin gemäß § 52 Abs. 15 Satz 4 EStG a.F., den Nutzungswert der Betriebsleiterwohnung ab dem 1. Januar 1997 nicht mehr gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG a.F. den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen. Entsprechend erklärte sie deren steuerfreie Entnahme einschließlich des von ihr als dazugehörend bezeichneten Gartengrundstücks von 2 300 qm.
Bereits zuvor hatte die Klägerin bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde angezeigt, auf der hinter der Betriebsleiterwohnung liegenden Gartenfläche ein neues Wohngebäude mit zwei Wohnungen errichten zu wollen. Das Gebäude war im Mai 1998 bezugsfertig.
Mit Teilungserklärung vom 28. September 2001 wurde das Grundstück geteilt und ein Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 2 (187 qm = 63,8 % der Gesamtwohnfläche), auf einen weiteren Sohn der Klägerin, C, und dessen Ehefrau D zu ideellem Miteigentum übertragen. Die Klägerin behielt einen Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 1 (106 qm = 36,2 % der Gesamtwohnfläche), in ihrem Eigentum und nutzt seitdem diese Wohnung als Altenteilerwohnung.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah nur eine Grundstücksfläche von 1 000 qm als zur alten Betriebsleiterwohnung gehörend und damit nach § 52 Abs. 15 Sätze 4 bis 7 EStG a.F. als steuerfrei entnommen an. Weitere 470 qm (36,2 % von 1 300 qm) rechnete das FA der (neu erstellten) Altenteilerwohnung zu und beließ auch insoweit einen Entnahmegewinn gemäß § 52 Abs. 15 Satz 10 EStG a.F. steuerfrei. In dem Umfang, in dem die weitere Wohnung an C und D übertragen worden war, ging es von einer steuerpflichtigen Entnahme aus (1 300 qm x 63,8 % = 830 qm).
Unter Ansatz eines Entnahmewertes von … DM pro qm, abzüglich des Buchwertes von … DM, ermittelte das FA einen Entnahmegewinn in Höhe von … DM und erließ entsprechende Einkommensteuer-Bescheide für die Streitjahre (1996 und 1997).
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrte die Klägerin, den Entnahmegewinn außer Ansatz zu lassen. Im Übrigen bestritt sie den vom FA ermittelten Entnahmewert der Höhe nach und machte darüber hinaus geltend, dass der Zeitpunkt für die Abwahl der Nutzungswertbesteuerung rückwirkend auf den 1. Januar 1996 (statt den 1. Januar 1997) neu bestimmt werde.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass die Klägerin die Nutzungswertbesteuerung jedenfalls zum 1. Januar 1997 abgewählt habe und die gesamte Grundstücksfläche von 2 300 qm als zur Betriebsleiterwohnung der Steuerpflichtigen "dazugehörender Grund und Boden" i.S. von § 52 Abs. 15 Satz 6 EStG a.F. anzusehen sei und damit steuerfrei habe entnommen werden können.
Mit der dagegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass der Garten bereits mit dem geplanten Baubeginn nicht mehr als Hausgarten habe genutzt werden sollen. Auch finde die Auslegung des FG in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) keine Stütze. Danach ergebe sich der Umfang des zur steuerfrei entnommenen Wohnung dazugehörenden Grund und Bodens nicht ausschließlich nach dem vor der Entnahme bestehenden Nutzungs- und Funktionszusammenhang. Eine rückwirkende Änderung des Wegfalls der Nutzungswertbesteuerung auf den 1. Januar 1996 komme nicht in Betracht, da der ursprüngliche Antrag, mit dem der Wegfall auf den 1. Januar 1997 gewählt worden sei, unwiderruflich sei.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet. Sie ist deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass ein Entnahmegewinn in den Streitjahren nicht anzusetzen war.
1. Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung, ob das ehemalige Gartengrundstück als zu der betrieblichen Wohnung gehörender Grund und Boden i.S. des § 52 Abs. 15 Satz 6 EStG a.F. anzusehen ist. Die Wohnung und der dazugehörende Grund und Boden gehörten zum Betriebsvermögen des ruhenden Eigentümerbetriebs des Hoferben A. Der von der Klägerin gestellte Antrag auf Abwahl der Nutzungswertbesteuerung hatte daher keinen Einfluss auf die Zugehörigkeit der von ihr genutzten Wohnung und des dazugehörenden Grund und Bodens zum Betriebsvermögen des Eigentümerbetriebs. Weder konnte die Klägerin die Wohnung daher gewinnwirksam entnehmen noch konnte die Abwahl der Nutzungswertbesteuerung zu einer gesetzlich angeordneten fiktiven Entnahme gemäß der Regelung in § 52 Abs. 15 Satz 6 EStG a.F. führen.
Nach den Feststellungen des FG ist A gemäß § 4 HöfeO als Hoferbe nach seinem Vater Eigentümer des von der Klägerin bewirtschafteten Hofes. Der Klägerin, als der überlebenden Ehegattin des Erblassers, stand gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 HöfeO bis zur Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres des A die Verwaltung und Nutznießung (Nutzungsrecht) am Hof zu. Ausweislich der Einleitung im notariellen Vertrag vom 15. August 1997, auf den das FG ausdrücklich Bezug genommen hat, war das Nutzungsrecht zwischen ihr und dem Hoferben stillschweigend über das fünfundzwanzigste Lebensjahr hinaus verlängert worden.
Das Nutzungsrecht gemäß § 14 HöfeO begründet eine dem Nießbrauch ähnliche Stellung. Entsprechend sind dem Nutzungsberechtigten daher die Einkünfte aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zuzurechnen. Die Regelungen des § 14 HöfeO begründen jedoch kein wirtschaftliches Eigentum gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) an den Wirtschaftsgütern des Betriebs. Denn der Hoferbe kann durch den Nutzungsberechtigten gemäß § 14 HöfeO nicht an einer Verfügung über die in seinem Eigentum stehenden Wirtschaftsgüter gehindert werden. Demgegenüber kann der Nutzungsberechtigte nur mit Zustimmung des Hoferben über den Hof oder die betrieblichen Grundstücke verfügen (Senatsurteile vom 26. März 1987 IV R 20/84, BFHE 149, 557, BStBl II 1987, 561, und vom 28. September 1995 IV R 7/94, BFHE 180, 255, BStBl II 1996, 440; Lange/Wulff/ Lüdtke-Handjery, Höfeordnung, 10. Aufl., 2001, § 14 Rz 29). Wie beim Wirtschaftsüberlassungsvertrag, bei der Bestellung eines Nießbrauchs oder der Betriebsverpachtung führt das mit dem Erbfall entstandene Nutzungsrecht gemäß § 14 HöfeO zur Entstehung zweier Betriebe; eines ruhenden Eigentümerbetriebs in der Hand des Hoferben und eines wirtschaftenden Betriebs in der Hand des Nutzungsberechtigten. Etwaige Gewinne aus der Veräußerung oder der Entnahme von Anlagegütern sind daher allein dem Eigentümer, hier dem Hoferben, als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen (Senatsurteile in BFHE 149, 557, BStBl II 1987, 561, und in BFHE 180, 255, BStBl II 1996, 440).
Aus dem Nebeneinander der Betriebe folgt zugleich, dass die durch den Nutzungsberechtigten erfolgte Abwahl der Nutzungswertbesteuerung hinsichtlich der von ihm genutzten Wohnung keinen Einfluss auf die Zugehörigkeit dieser Wohnung und des dazugehörenden Grund und Bodens zum Betriebsvermögen des Eigentümers haben kann. Für den Eigentümer ist vielmehr --unabhängig von der Nutzungswertbesteuerung beim Nutzungsberechtigten-- zu prüfen, ob die Wohnung bei ihm unter den Anwendungsbereich der Übergangsregelung in § 52 Abs. 15 EStG a.F. (insbesondere die Regelung in Abs. 15 Sätze 8 und 9) fällt und weiterhin seinem Betriebsvermögen zugeordnet werden kann (ebenso Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, A Rz 169h; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. November 1986 IV B 4 -S 2236- 15/86, BStBl I 1986, 528, unter A.III.1.b).
Davon ausgehend konnte die von der Klägerin erklärte Abwahl der Nutzungswertbesteuerung unter keinen Umständen zu der Entstehung eines Entnahmegewinns in ihrer Person führen.
2. Angesichts dessen konnte der Senat dahinstehen lassen, ob die von der Klägerin genutzte Wohnung bei ihr überhaupt der Nutzungswertbesteuerung gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG a.F. unterlegen hat. Gemäß § 52 Abs. 15 Satz 1 EStG a.F. ist die Nutzungswertbesteuerung gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 und § 13a Abs. 3 Nr. 4 EStG a.F. letztmalig für den Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden. Die Nutzungswertbesteuerung kann während einer zwölfjährigen Übergangszeit bis zum 31. Dezember 1998 fortgeführt werden, soweit die Voraussetzungen bereits im Veranlagungszeitraum 1986 vorlagen (sog. große Übergangsregelung). Im Streitfall unterfiele der Nutzungswert der von der Klägerin genutzten Wohnung daher nur dann der Übergangsregelung, wenn das ihr zustehende Nutzungsrecht gemäß § 14 HöfeO bereits im Veranlagungszeitraum 1986 bestanden hätte. Nach Aktenlage deutet jedoch alles darauf hin, dass der Erbfall erst nach dem Veranlagungszeitraum 1986 eingetreten ist. In diesem Fall würde die von der Klägerin erklärte Abwahl schon aus diesem Grund ins Leere gehen.
Fundstellen
Haufe-Index 1999548 |
BFH/NV 2008, 1131 |
BFH/NV 2008, 1132 |