Leitsatz (amtlich)
Fahrschulen, in denen die Schüler auf die Prüfung zur Erlangung der Fahrerlaubnis für die Klassen 1 und 3 im Sinne des § 5 Abs. 1 StVZO vorbereitet werden, sind weder Ergänzungsschulen noch andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen. Ihre Umsätze sind deshalb nicht steuerfrei.
Normenkette
UStG 1967 § 4 Nr. 21
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine Fahrschule. Er hat die Erlaubnis, Fahrschüler auszubilden, die die Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 i. S. des § 5 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) erlangen wollen. In der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1970 gab der Kläger u. a. Entgelte in Höhe von ... DM für seine Leistungen als Fahrlehrer an und machte für diese Umsätze den Anspruch auf Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 UStG 1967 geltend. Seiner Steuererklärung fügte er eine Bescheinigung des Ministers für Wirtschaft und Verkehr des Landes ... vom 23. März 1970 bei, nach der er "Fahrschüler auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung (§ 11 StVZO) ordnungsgemäß vorbereitet". Mit Bescheid für 1970 vom 5. Oktober 1972 versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die Steuerfreiheit und setzte die USt unter Einbeziehung der Entgelte von ... DM zum Steuersatz von 5,5 v. H. (§ 12 Abs. 1 Nr. 5 UStG 1967) fest. Unter Berücksichtigung der Vorsteuerbeträge ergab sich eine Steuerzahlungsschuld von ... DM. Im Umfang der Abweichung von der Steuererklärung hat der Kläger gegen diese Verfügung gemäß § 45 FGO mit Zustimmung des FA die unmittelbare Klage erhoben und sinngemäß beantragt, den Steuerbescheid um ... DM zu ermäßigen.
Das FG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung seines Urteils ausgeführt:
§ 4 Nr. 21 UStG 1967 erfasse das gesamte Schul- und Bildungswesen, indem er auf Leistungen allgemeinbildender oder berufsbildender Art abstelle. Denn darüber hinaus gebe es keine Bildungsarten. Da eine Fahrschule die zum Führen von Kraftfahrzeugen notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittle, also "ausbilde", sei sie eine Einrichtung i. S. der genannten Vorschrift. Dagegen fehle die weitere Voraussetzung für die Steuerfreiheit, daß der Kläger die Empfänger seiner Leistungen auf "eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung" ordnungsgemäß vorbereite. Der gegenteilige Inhalt der Bescheinigung vom 23. März 1970 binde das FG nicht, da es sich insoweit nicht um eine bescheinigungsfähige Tatsache, sondern um eine rechtliche Würdigung handle.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Nach seiner Auffassung bindet die Bescheinigung die Steuerverwaltung und die Steuergerichte mit ihrem gesamten nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1967 erforderlichen Inhalt. Außerdem ist er gegenüber der vom FA am Urteil geübten Kritik der Meinung, daß die "Einrichtung" i. S. des § 4 Nr. 21 UStG 1967 nicht einer Schule gleichstehen müsse.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Nach § 4 Nr. 21 UStG 1967 sind, soweit hier einschlägig, steuerfrei "die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie ... b) durch eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörden nachweisen, daß sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten". Der Kläger kann die begehrte Inanspruchnahme der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1967 nicht auf die von ihm vorgelegte Bescheinigung des Landeswirtschafts- und -verkehrsministers stützen. Denn nach dem Gesetzeswortlaut erstreckt sich der mit ihr zu führende Nachweis lediglich auf die Tatsache, daß auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet wird. Ob der Unternehmer eine Privatschule oder eine andere allgemein- oder berufsbildende Einrichtung unterhält, ist nicht Gegenstand der vorbezeichneten Bescheinigung. Das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1967 ist von den Finanzbehörden gesondert zu prüfen und unterliegt auch der vollen Nachprüfbarkeit durch die Steuergerichte. Da - wie noch darzustellen sein wird - der Kläger diese Voraussetzung nicht erfüllt, kann hier unentschieden bleiben, ob ein Verkehrs- und Wirtschaftsminister als zuständige Behörde anzusehen ist, die die Ordnungsmäßigkeit des Unterrichtsbetriebs einer Privatschule oder anderen allgemein- oder berufsbildenden Einrichtung bescheinigen darf. Weiterhin kann dahingestellt bleiben, ob die Finanzbehörden und Steuergerichte an den Inhalt einer solchen Bescheinigung gebunden sind (verneinend Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau 1972 S. 129). Entgegen der Auffassung des FG ist die Fahrschule des Klägers weder als private Schule noch als allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung zu beurteilen.
Fahrschulen sind keine privaten Schulen. Die Gesetzesbestimmung greift insoweit auf Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG zurück (vgl. die Bezugnahme in § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG 1967). Private Schulen i. S. des § 7 Abs. 4 GG sind die Ersatzschulen (Art. 7 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 GG) und die Ergänzungsschulen. Die Ersatzschulen entsprechen in ihren Bildungszielen den öffentlichen Schulen, die Ergänzungsschulen haben andere (ergänzende) Bildungsziele (vgl. Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 21 Tz. 10, 15). Fahrschulen werden weitaus überwiegend als nicht schulische Unterrichtsveranstaltungen angesehen (Peters bei Neumann-Nipperdey-Scheuner, "Die Grundrechte", Bd. IV 1 S. 430;Oppermann bei Münch, "Besonderes Verwaltungsrecht", 1969 S. 512; Brinckmann, "Grundrechtskommentar" Art. 7 Anm. 1 a). Nur Maunz-Dürig ("Grundgesetz", 3. Aufl. Art. 7, Rdnr. 11) bezeichnen ohne nähere Begründung Fahrschulen als Privatschulen (Ergänzungsschulen). Dieser Meinung kann nicht gefolgt werden. Fahrschulen ergänzen zwar die öffentliche Schultätigkeit. Sie haben jedoch lediglich den Charakter des Lehrgangmäßigen (dazu Peters, a. a. O., sowie Eckhardt/Weiß, a. a. O., § 4 Nr. 21 Tz. 5, 15).
Einer Fahrschule fehlt auch generell die Eigenschaft einer berufsbildenden Einrichtung. Der BdF hat zwar in seinen Erlassen vom 15. Oktober 1968 und 12. Dezember 1969 (USt-Kartei S 7179, Karten 2 und 3) Fahrschulen, soweit sie für den Führerschein Klasse 2 und die Fahrerlaubnis für Fahrgastbeförderung ausbilden, als berufsbildend bezeichnet. Es kann, da der Kläger eine solche Tätigkeit nicht ausübt, dahingestellt bleiben, ob diese Auslegung zutreffend ist. Jedenfalls ist sie einer weiteren Ausdehnung nicht fähig. Der Umstand, daß zahlreiche Inhaber des Führerscheins der Klasse 3 einen Personenkraftwagen bei Ausübung ihres Berufs nutzen, reicht nicht aus, um der zum Erwerb des Führerscheins erforderlichen Schulung den Charakter einer Berufsbildung zu geben. Im übrigen genügen Fahrkenntnisse nach Führerschein der Klasse 3 in der Regel allein nicht, um einen Beruf auszuüben. Sie können regelmäßig für eine Berufsausübung nur im Zusammenhang mit anderen beruflichen Fähigkeiten und Kenntnissen bedeutsam werden.
Schließlich sind Fahrschulen - entgegen der vom FG vertretenen Auffassung - keine allgemein bildenden Einrichtungen. Nach § 6 des Gesetzes über das Fahrlehrwesen vom 25. August 1969 (BGBl I, 1336) hat der Fahrlehrer den Fahrschülern Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu vermitteln, die das Straßenverkehrsgesetz und die auf ihm beruhenden Rechtsverordnungen von einem Bewerber um die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen fordern. Ferner hat er sie über die Folgen von Zuwiderhandlungen gegen die Verkehrsvorschriften und über die Pflichtversicherung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern zu unterrichten. Dabei besteht die überwiegende Ausbildungstätigkeit in der Vermittlung der Fähigkeit zum Gebrauch eines Kraftfahrzeugs unter den Bedingungen des Straßenverkehrs, also in der Einübung von Verhaltensweisen, wie technische Geschicklichkeit, mechanische Reaktionsfähigkeit u. a. Solche Fähigkeiten werden jedoch nach allgemeinem Verständnis des Begriffs nicht zu den Merkmalen gerechnet, die die "Allgemeinbildung" ausmachen. Anders verhält es sich allerdings mit der den Fahrschulen obliegenden Wissensvermittlung über die technische Ausgestaltung eines Kraftfahrzeugs, über das Verkehrsrecht, die Folgen von Zuwiderhandlungen gegen die Verkehrsvorschriften und die Versicherungspflicht, die Verkehrsmoral und über ähnliche Gegenstände. Dieser begrenzte und spezielle Lehrstoff kann aber höchstens als notwendiger Bestandteil einer Allgemeinbildung angesehen werden-er ist weit davon entfernt, für sich allein ein geistiges Gut zu vermitteln, das als Allgemeinbildung bezeichnet werden kann.
Die Fahrschulen leisten somit nur einen beschränkten Beitrag zur Allgemeinbildung ihrer Schüler. Im übrigen ist das Hauptziel ihrer Lehrtätigkeit die Einübung eines Verhaltens, das außerhalb des Bereichs der Allgemeinbildung liegt. Schon diese rechtlichen Erwägungen schließen den mit der Klage geltend gemachten Anspruch aus.
Die Revision war daher gemäß § 126 Abs. 2 und 4 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1974, 527 |
BFHE 1974, 313 |