Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Nutzungsentschädigungen, die bei Beschlagnahme von Grundstücken gewährt werden, fallen unmittelbar unter § 21 Abs. 1 Ziff. 1 EStG, nicht unter § 24 Ziff. 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 Ziff. 1 EStG.
Werden derartige Nutzungsentschädigungen für mehrere Jahre in einem Betrag nachgezahlt, so ist die Nachzahlung nicht nach § 34 EStG tariflich begünstigt.
Normenkette
EStG § 11/1, § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Ziff. 1, § 34 Abs. 1, § 34/2
Tatbestand
Der Bf. war bis zum Jahre 1957 Eigentümer eines Komplexes von Hotelgrundstücken mit allen für einen Bäderbetrieb erforderlichen Nebeneinrichtungen. Der Komplex war seit dem Jahre 1922 vom Bf. verpachtet und im Jahre 1941 für die technische Leitung eines kriegswichtigen Werks in Anspruch genommen und bei Kriegsende von der Besatzungsmacht beschlagnahmt worden. Im Jahre 1955 wurde er freigegeben. Ab 21. Juni 1948 hatte der Bf. eine Nutzungsentschädigung von 23.000 DM monatlich erhalten, die aber nach seiner Auffassung zu gering war. Der Streit über die Höhe wurde im Juli 1955 durch eine Vereinbarung beendet. Die monatliche Entschädigung wurde rückwirkend auf 27.000 DM festgesetzt. Dementsprechend erhielt der Bf. im Jahre 1955 für die Zeit vom 21. Juni 1948 bis Ende 1954 eine Nachzahlung von 318.333 DM.
Das Finanzamt rechnete die Nachzahlung zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und unterwarf sie dem normalen Steuersatz. Nach Auffassung des Bf. stand ihm der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG zu, weil die Nachzahlung eine Entschädigung im Sinne von § 24 Ziff. 1 EStG sei.
Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Auch das Finanzgericht erkannte eine Entschädigung im Sinne des § 24 Ziff. 1 EStG nicht an.
Mit seiner Rb. rügt der Bf. Verletzung des bestehenden Rechts und verlangt weiterhin die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 1 EStG. Er führt aus, das Finanzgericht habe den Begriff "Entschädigung" verkannt. Rechtsgrundlage für die ihm gewährte Entschädigung sei die Erste Anordnung über die Entschädigung für die Requisition von Grundstücken vom 31. Januar 1949 (Amtsblatt für Niedersachsen 1949 S. 59), aus der sich ergebe, daß die Entschädigung nur "für entgangene Einnahmen und zusätzliche Aufwendungen" und, soweit es sich um die entgangenen Einnahmen handele, "durch Ersatz der fortlaufenden Aufwendungen abzüglich der Ersparnisse" gewährt werde. Für die Berechnung gebe es zwei Methoden, nämlich die nach den entgangenen Einnahmen (sogenannte Einnahmeentschädigung) und die nach den fortlaufenden Aufwendungen (sogenannte Aufwandsentschädigung), welche bei größeren Objekten - bei einer Entschädigung von mehr als 1.500 DM monatlich - angewandt werde und auch in seinem Fall angewandt worden sei. Die ihm gewährte Entschädigung sei demnach wirtschaftlich kein Pachtzins. Im übrigen handele es sich um eine außerordentliche Zahlung, weil die Nachzahlung als Einmalbetrag in das Jahr 1955 gefallen sei. Auch wenn man die Entschädigung über § 24 Ziff. 1 EStG zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung rechne, schließe das die Anwendung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG nicht aus.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Das Finanzgericht führt ohne Rechtsirrtum aus, daß Nutzungsentschädigungen, die aus Anlaß der Beschlagnahme eines Grundstücks gezahlt werden, unter § 21 Abs. 1 Ziff. 1 EStG fallen. Wenn § 21 Abs. 1 Ziff. 1 EStG auch von Vermietung und Verpachtung spricht, so bedeutet dies nicht, daß damit nur eine Vermietung oder Verpachtung im Sinne des bürgerlichen Rechts, das heißt nur ein freiwillig eingegangenes Rechtsverhältnis, gemeint sei. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist eine Nutzungsentschädigung der in Frage stehenden Art wie die Miete und Pacht des bürgerlichen Rechts eine Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung eines Gegenstandes. Darin liegt das wesentliche Merkmal bei der Abgrenzung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Daß in Fällen der vorliegenden Art das Rechtsverhältnis nicht freiwillig begründet wird und daß die Nutzungsentschädigung vielleicht auch nicht die Höhe der Miete oder Pacht erreicht, die bei freier Vermietung oder Verpachtung erreicht worden wäre, steht dem nicht entgegen. Jedenfalls entspricht es der Rechtsprechung, die bei Grundstücksbeschlagnahmen gewährten Nutzungsentschädigungen nicht über § 24 Ziff. 1 EStG sondern unmittelbar unter § 21 Abs. 1 Ziff. 1 EStG zu rechnen (Urteil des Senats VI 180/61 U vom 9. März 1962, BStBl 1962 III S. 219, Slg. Bd. 74 S. 591). Der Senat sieht auch bei Würdigung der vom Bf. geltend gemachten Gründe keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Das Finanzgericht hat daraus ohne Rechtsirrtum gefolgert, daß die vom Bf. im Jahre 1954 empfangene einmalige Zahlung nicht unter § 24 Ziff. 1 EStG falle. Sie ist nur die Zusammenfassung der laufenden Nutzungsentschädigungen, die dem Bf. nach dem Vergleich eigentlich schon von vornherein hätten gewährt werden müssen. Daß sie nunmehr in einem Betrag zusammengefaßt nachgezahlt werden, ändert nichts daran, daß es sich um eine laufende Nutzungsentschädigung handelt.
Dem Bf. ist zuzugeben, daß die Zusammenballung wegen der Progression des Einkommensteuertarifs zu einer gewissen Härte führen kann. Das ist aber bei den Einkünften, die im Jahre des Zufließens der Einnahmen (ß 11 Abs. 1 EStG) versteuert werden, in der gesetzlichen Regelung begründet. An diese sind die Steuergerichte gebunden (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes), solange nicht der Steuergesetzgeber eine änderung dieses Rechtszustandes für erforderlich hält.
Die Tatsache der Zusammenballung allein macht jedenfalls den Einmalbetrag (die Nachzahlung) nicht zu einer außerordentlichen Einkunft im Sinne des § 34 Abs. 1 und 2 EStG. Begünstigt werden nur die dort abschließend aufgezählten Einkünfte. § 34 Abs. 3 EStG, der nur von Einkünften spricht, die die "Entlohnung" für eine Tätigkeit darstellen, kann hier nicht entsprechend angewandt werden, weil es sich um eine Sonderregelung für Einkünfte aus selbständiger oder aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne von §§ 18, 19 EStG handelt. Das Finanzgericht hat im übrigen festgestellt, daß bei einer Verteilung der Nachzahlung auf drei Jahre kein günstigeres Ergebnis eintreten würde. Der Senat braucht aber, weil § 34 Abs. 3 EStG nicht anwendbar ist, zu dieser Frage nicht Stellung zu nehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 410851 |
BStBl III 1963, 380 |
BFHE 1964, 169 |
BFHE 77, 169 |