Leitsatz (amtlich)
Die dem Prozeßbevollmächtigten gesetzte Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht ist wirksam, wenn die vom Vorsitzenden oder von dem von ihm bestimmten Richter mit vollem Namen unterzeichnete Verfügung in Urschrift dem Bevollmächtigten zugestellt worden ist.
Normenkette
VGFG-EntlG Art. 3 § 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine GmbH - hatte sich mit ihrer Klage gegen den Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen und gegen die Versagung der sofortigen Absetzung der Anschaffungskosten für geringwertige Wirtschaftsgüter in den geänderten Körperschaftsteuerbescheiden 1971 bis 1973 und in dem erstmaligen Körperschaftsteuerbescheid 1974 gewandt. Die Klage war namens der Klägerin von einem Steuerberater erhoben worden. Da dieser trotz Aufforderung keine Prozeßvollmacht vorgelegt hatte, setzte ihm der Vorsitzende des zuständigen Senats des Finanzgerichts (FG) durch Verfügung vom 5. Dezember 1980 unter Hinweis auf Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 - VGFG-EntlG - (BGBl I 1978, 446) eine Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht bis zum 10. Januar 1981. Die Prozeßvollmacht, die am 29. Oktober 1980 von der Klägerin ausgestellt worden war, ging erst - zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der gesetzten Ausschlußfrist - am 20. Januar 1981 beim FG ein.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab und legte dem Bevollmächtigten die Kosten der Klage auf. Die Vollmacht sei verspätet vorgelegt worden. Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der gesetzten Ausschlußfrist seien nicht gegeben.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Revision. Die ihrem Prozeßbevollmächtigten gesetzte Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht sei unwirksam gewesen. Das ihr zugestellte Schriftstück trage keinen Ausfertigungsvermerk und kein Dienstsiegel. Es sei ihrem Bevollmächtigten auch nicht die richterliche Verfügung in Urschrift zugestellt worden. Das FG habe ihr zu Unrecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zutreffend die Klage wegen verspäteter Vorlage der Vollmacht durch den Prozeßbevollmächtigten abgewiesen.
Der Vorsitzende des FG hat wirksam eine Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht gesetzt.
Mit der Nachreichung der Prozeßvollmacht wird gewöhnlich die Prozeßführung durch einen bisher vollmachtlosen Vertreter wirksam. Diese Wirkung tritt nicht ein, wenn die Vollmacht erst nach Ablauf einer Ausschlußfrist vorgelegt wird, die der Vorsitzende oder der von ihm nach § 79 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bestimmte Richter gemäß Art. 3 § 1 VGFG-EntlG gesetzt hat. Wird die Ausschlußfrist nicht eingehalten und kann in sinngemäßer Anwendung des § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist nicht gewährt werden, ergibt sich die für den Kläger erhebliche Rechtsfolge, daß seine Klage als unzulässig abgewiesen wird. Wegen diesen weitreichenden Folgen muß die richterliche Verfügung, die eine Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht setzt, bestimmte Mindesterfordernisse erfüllen. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH - (vgl. die Entscheidungen vom 13. März 1980 VII ZR 147/79, BGHZ 76, 236, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1980, 1167, und vom 17. April 1980 VII ZR 114/79, NJW 1980, 1960) wird in den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. August 1982 IV R 31/82 (BFHE 136, 351, BStBl II 1983, 23) und vom 14. April 1983 V R 4/80 (BFHE 138, 21, BStBl II 1983, 421) verlangt, daß die Verfügung, mit der eine Ausschlußfrist zur Nachreichung der Prozeßvollmacht gesetzt wird, ebenso wie alle anderen gerichtlichen Willensäußerungen - Urteile und Beschlüsse - ihren Urheber erkennen lassen muß.
Im finanzgerichtlichen Verfahren werden gerichtliche Willensäußerungen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes - VwZG - (§ 53 Abs. 2 FGO) bekanntgemacht. Die Zustellung besteht im Regelfall in der Übergabe eines Schriftstücks in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift oder in dem Vorlegen der Urschrift (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG). Im Streitfall ist die Fristsetzung zur Vorlage der Prozeßvollmacht dem Prozeßbevollmächtigten in Urschrift zugestellt worden. Das ergibt sich einwandfrei aus dem dem Bevollmächtigten zugestellten Exemplar, das dieser auf Anforderung des Vorsitzenden des erkennenden Senats des BFH vorgelegt hat. Diese Urschrift enthält im Briefkopf die Angaben über denjenigen, der die gerichtliche Verfügung erlassen hat - des Vorsitzenden des für die Entscheidung zuständigen Senats des FG - sowie unter dem Text der Verfügung die voll ausgeschriebene Unterschrift dieses Richters. Das dem Prozeßbevollmächtigten als dem Adressaten bekanntgegebene Exemplar der richterlichen Verfügung gibt demnach deren Urheber eindeutig wieder. Es ist dann unerheblich, daß das bei den FG-Akten verbliebene Exemplar der richterlichen Verfügung nur mit einem Handzeichen unterzeichnet worden ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin bedurfte es, da die Verfügung in Urschrift zugestellt worden ist, nicht der Beifügung eines amtlichen Siegels oder eines Ausfertigungsvermerks.
Das FG hat es zu Recht abgelehnt, wegen Versäumung der gesetzten Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in entsprechender Anwendung des § 56 FGO zu gewähren (Art. 3 § 1 Satz 2 VGFG-EntlG). (Wird ausgeführt.)
Fundstellen
Haufe-Index 75122 |
BStBl II 1984, 841 |
BFHE 1985, 455 |