Leitsatz (amtlich)
1. Das Recht des Erben, über Rechte aus einem Bausparvertrag des Erblassers vorzeitig unschädlich zu verfügen (§ 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1965, § 2 Abs. 2 Satz 3 WoPG 1960), erlischt nicht schon deshalb, weil der Erbe auf den Vertrag nach dem Tode des Erblassers eigene Beiträge leistet und Vergünstigungen in Anspruch nimmt. Der Erbe unterliegt jedoch hinsichtlich eigener Beiträge, die er nach dem Tode des Erblassers leistet, allen für den Vertrag geltenden Bedingungen und Beschränkungen, wie sie beim Tode des Erblassers bestanden.
2. Haben Ehegatten gemeinsam einen Bausparvertrag abgeschlossen, so kann im Falle des Todes des einen Ehegatten der andere, der ihn beerbt, hinsichtlich der bis zum Tode geleisteten Beiträge vorzeitig unschädlich verfügen, auch soweit die Beiträge nicht in die Erbmasse fallen.
Normenkette
EStG 1965 § 10 Abs. 2 Nr. 2; EStG 1967 § 52 Abs. 9 Nr. 2; WoPG 1960 § 2 Abs. 2 S. 3, § 5 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte zusammen mit ihrem Ehemann am 13. Dezember 1961 einen Bausparvertrag abgeschlossen. Darauf sind in den Jahren 1961 bis 1966 Beiträge geleistet worden. Für die Jahre 1961 und 1963 hat der Ehemann der Klägerin, der am 22. Mai 1965 verstorben ist, Wohnungsbau-Prämie beantragt und erhalten. Die Anträge für die Jahre 1964 bis 1966 hat die Klägerin gestellt. Für 1962 hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und dabei antragsgemäß die Beiträge als Sonderausgaben berücksichtigt. Erben des Ehemannes der Klägerin sind die Klägerin und ihre beiden Söhne. Zum 1. Januar 1967 hat die Klägerin, nachdem die Söhne auf die Rechte aus dem Bausparvertrag verzichtet hatten, den Vertrag an eine Wohnungsbaugesellschaft abgetreten und mit dem Erlös eine Heizung in ihrem Hause eingebaut. Das FA forderte daraufhin die Wohnungsbau-Prämie im Gesamtbetrag von 1 637 DM zurück und führte bei der Einkommensteuerveranlagung für 1967 wegen der im Jahre 1962 als Sonderausgaben berücksichtigten Bausparbeiträge von 1 450 DM eine Nachversteuerung durch, weil die Klägerin den Vertrag nicht unmittelbar nach dem Tode ihres Ehemannes abgetreten, sondern ihn zunächst fortgesetzt habe. Das FG wies die nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klagen gegen den Rückforderungsbescheid wegen der Wohnungsbau-Prämien und gegen den Bescheid über die Einkommensteuerveranlagung für 1967 ab. Es sah in der Fortsetzung des Vertrages einen Verzicht auf die ausnahmsweise zugelassene vorzeitige unschädliche Verfügung über das Sparguthaben.
Die hiergegen gerichteten Revisionen der Klägerin hat der Senat zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 73 Abs. 1 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind begründet.
Nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1965, der nach § 52 Abs. 9 Nr. 2 EStG 1967 auf den am 13. Dezember 1961 abgeschlossenen Bausparvertrag anzuwenden ist, ist bei Bausparverträgen eine Nachversteuerung durchzuführen, wenn vor Ablauf von sechs Jahren seit Vertragsabschluß, außer im Fall des Todes des Bausparers oder des Eintritts seiner völligen Erwerbsunfähigkeit, die Bausparsumme ganz oder zum Teil ausgezahlt, geleistete Beiträge ganz oder zum Teil zurückgezahlt oder Ansprüche aus dem Bausparvertrag abgetreten oder beliehen werden. Unter den gleichen Voraussetzungen sind nach den Vorschriften des § 2 Abs. 2 Satz 3, § 5 Abs. 1 Satz 2 WoPG 1960 Wohnungsbau-Prämien an das FA zurückzuzahlen.
Eine nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG bzw. nach § 2 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz WoPG unschädliche Auszahlung, Beleihung oder Abtretung liegt unstreitig nicht vor, da die Wohnungsbaugesellschaft, an die die Klägerin ihre Rechte aus dem Bausparvertrag abgetreten hat, die Bausparsumme nicht unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau für den Abtretenden oder dessen Angehörige verwendet hat.
1. Die hiernach an sich schädliche Abtretung führt indessen wegen des Todes des Ehemannes der Klägerin nicht zu einer Nachversteuerung der im Jahre 1962 als Sonderausgaben berücksichtigten Bausparbeiträge und lediglich zu einer Zurückforderung derjenigen Wohnungsbau-Prämien, die für die nach dem Tode des Ehegatten der Klägerin geleisteten Beiträge gewährt worden sind.
Ein Verlust des Rechts auf vorzeitige unschädliche Verfügung folgt bei Weiterführung eines Bausparvertrages durch einen Erben nicht schon aus den Grundsätzen der Gesamtrechtsnachfolge. Diese bedeuten, daß der Vertrag in dem Zustande, in dem er sich beim Tode des Erblassers befindet, auf den Erben übergeht. Hieraus ergibt sich indessen für den Streitfall zunächst lediglich, daß der Erbe hinsichtlich eigener weiterer Beiträge allen für den Vertrag geltenden rechtlichen Bedingungen und Beschränkungen unterliegt. Das Recht zur vorzeitigen Verfügung ist aber kein Recht, das auf den Erben übergeht; denn es hat bis zum Tode des Rechtsvorgängers noch nicht bestanden. Es handelt sich vielmehr um ein Recht, das originär in der Person des Erben entsteht und von den auf ihn übergehenden Rechten und Pflichten aus dem Vertrage nicht berührt wird.
Für die Annahme, daß der Erbe bei Leistung eigener Beiträge und Inanspruchnahme von Vergünstigungen dafür das Recht, hinsichtlich der Beiträge des Erblassers und der ihm gewährten Vergünstigungen unschädlich zu verfügen, verliert, finden sich im Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften keine Anhaltspunkte. Wenn es dort heißt, daß eine Nachversteuerung oder Prämienrückforderung "außer im Falle des Todes des Bausparers" durchzuführen ist, so kann hieraus nicht entnommen werden, daß nur eine Verfügung des Erben unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erbfall unschädlich sein soll. Der Wortlaut spricht vielmehr für eine Auslegung dahin, daß im Falle des Todes des Bausparers die Verfügung über dessen Beiträge und die dafür gewährten Vergünstigungen schlechthin unschädlich ist.
Das FG hat angenommen, daß der Erbe auf die ausnahmsweise zugelassene Möglichkeit vorzeitiger unschädlicher Verfügung verzichtet, wenn er den Vertrag fortsetzt. Von einem Verzicht kann im Rechtssinne nur gesprochen werden, wenn der Erbe eine dahin gehende Willenserklärung abgegeben hat. In der Leistung weiterer Beiträge oder dem Antrag auf Vergünstigungen kann für sich allein eine solche Willenserklärung aber nicht gesehen werden. Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob ein solcher unwiderruflicher Verzicht auf Befugnisse im Rahmen des öffentlichen Rechts überhaupt wirksam wäre.
Die Auffassung der Vorinstanz läuft auf ein Wahlrecht des Erben hinaus, entweder über die Rechte aus dem Bausparvertrag unschädlich zu verfügen oder diesen unter den dafür bestehenden gesetzlichen Voraussetzungen selbst fortzusetzen. Das Gesetz spricht - im Gegensatz etwa zu § 8 Abs. 1 WoPG 1960 - nicht von einem Wahlrecht. Ein solches Wahlrecht würde zudem zahlreiche weitere Zweifelsfragen aufwerfen, z. B. bis zu welchem Zeitpunkt nach dem Tode oder in welcher Form es auszuüben wäre. So hat etwa der Gesetzgeber bei Einführung der Kumulationsverbote ausdrückliche und umfangreiche gesetzliche Regelungen getroffen (vgl. § 10 Abs. 4 EStG 1967). Die Tatsache, daß für die im Streitfall zu entscheidende Frage keine derartigen Regelungen vorhanden sind, spricht ebenfalls dagegen, daß der Gesetzgeber an ein solches Wahlrecht gedacht haben könnte. Es ist aber nicht Aufgabe der Rechtsprechung, von sich aus ein derart komplexes Rechtsinstitut, wie es ein Wahlrecht bedeuten würde, einzuführen.
Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Klägerin das Recht auf vorzeitige unschädliche Verfügung verwirkt haben könnte. Eine Verwirkung setzt stets ein gegen Treu und Glauben verstoßendes, also ein illoyales Verhalten voraus (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 1 StAnpG Anm. 17 - Lief. 72 November 1972 -). Es ist nicht erkennbar, inwiefern die weitere Leistung von Bausparbeiträgen nach dem Tode des Ehegatten der Klägerin für sich allein illoyal sein sollte.
Auch der Hinweis der Vorinstanz auf Sinn und Zweck des vorzeitigen Verfügungsrechts vermag nicht zu überzeugen. Selbst wenn es die Absicht des Gesetzgebers gewesen wäre, den Erben zu begünstigen, der wegen des Todesfalles nicht mehr in der Lage ist, den Sparplan des Erblassers einzuhalten, so hat dieser Gesichtspunkt jedenfalls in der in erster Linie maßgebenden Formulierung des Gesetzes keinen Niederschlag gefunden. Dies bedeutet dann allerdings keineswegs, wie das FG meint, und wie bereits vorstehend dargelegt wurde, daß etwa der Erbe im Bereich der staatlichen Sparförderung überhaupt von allen Verpflichtungen des Erblassers freigestellt wäre.
2. Das vorzeitige Verfügungsrecht der Klägerin wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß die Rechte und Pflichten aus dem Bausparvertrag des Ehemannes zur Erbmasse gehörten und daß diese der aus der Klägerin und ihren beiden Söhnen bestehenden Erbengemeinschaft zugefallen war. Der Bausparvertrag ist im Zuge einer Erbauseinandersetzung innerhalb angemessener Frist nach dem Tode des Erblassers auf die Klägerin übertragen worden. Ein solcher Fall wird nach der neueren Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 18. Juli 1972 VIII R 17/68, BFHE 106, 436, BStBl II 1972, 876) so angesehen, als habe der Erbe, dem der Vertrag bei der Auseinandersetzung zugeteilt worden ist, diesen unmittelbar vom Erblasser geerbt. Diese Grundsätze sind entsprechend auch für den Bereich des Wohnungsbau-Prämiengesetzes anzuwenden. Auch die Klägerin ist von vornherein wirtschaftlich von einer solchen Betrachtungsweise ausgegangen, wenn sie in der Zeit zwischen dem Tode des Erblassers und der Übertragung des Vertrages auf sie ohne Wissen ihrer Söhne allein Einzahlungen auf den Bausparvertrag geleistet hat.
3. Der Bausparvertrag war von der Klägerin und ihrem Ehemann gemeinsam abgeschlossen worden. Allerdings hatte allein der verstorbene Ehemann der Klägerin die Wohnungsbau-Prämien für die Jahre 1961 und 1963 beantragt und erhalten. Es kann dahingestellt bleiben, welchem Ehegatten die Rechte aus dem Bausparvertrag beim Tode des Ehemannes zustanden. Denn die vorzeitige Verfügungsmöglichkeit aufgrund des gemeinsam abgeschlossenen Bausparvertrages war für die Klägerin auch hinsichtlich derjenigen Rechte gegeben, die ihr selbst bürgerlich-rechtlich zustanden. Dies folgt für das Jahr 1962, in dem die Ehegatten die Beiträge als Sonderausgaben geltend gemacht haben, aus dem Wesen der Zusammenveranlagung, die - wie übrigens auch die getrennte Veranlagung nach § 26a Abs. 2 EStG - die einheitliche Feststellung der Sonderausgaben erfordert. Für die Jahre, in denen Wohnungsbau-Prämien in Anspruch genommen wurden, folgt dies aus den Vorschriften des § 3 Abs. 2 Nr. 1 WoPG, nach denen die prämienbegünstigten Aufwendungen der Ehegatten zusammenzurechnen waren. Der Senat kann es dahingestellt lassen, ob entsprechende Grundsätze auch dann anzuwenden sind, wenn der überlebende Ehegatte über die Rechte aus einem von ihm allein abgeschlossenen Vertrag vorzeitig schädlich verfügt (vgl. hierzu Abschn. 94 Abs. 3 Satz 1 EStR).
4. Die Klägerin hatte hiernach ihr Recht auf vorzeitige unschädliche Verfügung über den Bausparvertrag bei dessen Abtretung zum 1. Januar 1967 noch nicht verloren. Die Vorentscheidungen, die dies verkannt haben, waren deshalb aufzuheben.
a) Hinsichtlich der Einkommensteuer 1967 ist die Sache entscheidungsreif. Eine Nachversteuerung für die im Jahre 1962 geleisteten Bausparbeiträge ist nicht durchzuführen. Dementsprechend war die Einkommensteuer für 1967 um den Betrag der Nachsteuer von 358 DM auf 1 174 DM zu ermäßigen.
b) Hinsichtlich der Rückforderung der Wohnungsbau-Prämien ist die Sache noch nicht entscheidungsreif. Zwar ergibt sich aus den bisher getroffenen Feststellungen bereits, daß die für 1961 (370,50 DM), 1963 (394 DM) und 1964 (400 DM) gewährten Prämien nicht zurückgefordert werden dürfen, weil sie auf vor dem Tode des Ehemannes geleisteten Beiträgen beruhen. Es ergibt sich ferner, daß die Wohnungsbau-Prämie 1966 (72,50 DM) zu Recht zurückgefordert wurde, weil die Beiträge erst nach dem Tode geleistet wurden. Jedoch hat das FG wegen der Prämie für 1965 (400 DM), von seinem Standpunkt aus folgerichtig, bisher nicht festgestellt, welcher Anteil auf vor und welcher auf nach dem Tode des Ehemannes der Klägerin geleistete Beiträge entfällt. Die Sache war deshalb, soweit die Vorinstanz mit Urteil vom 19. Oktober 1971 II 63/69 entschieden hat, zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 70547 |
BStBl II 1973, 737 |