Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Steuerpflichtige hat ein Wahlrecht, ob er die im Januar 1957 geleisteten besonderen Aufwendungen, die nach der sog. lex Preusker als zusätzliche Sonderausgaben abgesetzt werden konnten, für 1956 oder 1957 berücksichtigt haben will.

Beantragt der Steuerpflichtige, im Januar 1957 geleistete besondere Aufwendungen für 1957 zu berücksichtigen, so kann er, wenn er bis zum 31. März 1957 weitere besondere Aufwendungen leistet, nicht verlangen, daß ihm die zusätzlichen Sonderausgaben nach der lex Preusker für 1957 doppelt gewährt werden.

 

Normenkette

EStG § 10/3/3/c

 

Tatbestand

Der Bf. hat am 24. Januar 1957 und am 1. Februar 1957 je einen Kapitalansammlungsvertrag von 12.000 DM geschlossen und erfüllt, um die in § 10 Abs. 3 Ziff. 3 Buchst. c Satz 2 EStG 1956 in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 1956 (BGBl 1956 I S. 918, BStBl 1957 I S. 4) - sog. lex Preusker - vorgesehene Steuervergünstigung zu erlangen. Streitig ist, ob für jede dieser beiden Zahlungen ein zusätzlicher Sonderausgabenabzug von 6.000 DM für 1957 zu gewähren ist. Die Vorinstanzen haben nur einmal den Höchstbetrag von 6.000 DM abgezogen. Der Bf. behauptet, die amtlichen Erläuterungen zur Einkommensteuererklärung 1956 in Tz. 30 so verstanden zu haben, daß die nach der lex Preusker begünstigten Aufwendungen, die er im Januar 1957 geleistet habe (abgekürzt: Januarzahlungen 1957), nicht für 1956, sondern auf Antrag für 1957 berücksichtigt würden, unabhängig davon, ob schon für andere im Jahre 1957 vor dem 1. April 1957 geleistete Aufwendungen der Höchstbetrag von 6.000 DM gewährt werde. Den Antrag, den Kapitalansammlungsvertrag vom 24. Januar 1957 für den Veranlagungszeitraum 1957 zu berücksichtigen, stellte der Bf. in einer besonderen Anlage zur Einkommensteuererklärung 1956. Er erwähnte dabei aber nicht, daß er am 1. Februar 1957 einen zweiten Kapitalansammlungsvertrag über 12.000 DM geschlossen und erfüllt hatte. Das Finanzamt konnte erst aus der am 29. Dezember 1958 eingereichten Einkommensteuererklärung für 1957 entnehmen, daß noch ein weiterer nach der lex Preusker begünstigter Kapitalansammlungsvertrag über 12.000 DM abgeschlossen worden war.

Der Bf. meint, die amtlichen Erläuterungen zur Steuererklärung 1956 hätten ausdrücklich erwähnen müssen, daß die im Januar 1957 geleisteten Aufwendungen nicht für sich zu behandeln, sondern mit anderen bis zum 31. März 1957 geleisteten Beträgen zusammenzurechnen seien und daß er für 1957 höchstens einen Sonderabzug an Sonderausgaben von 6.000 DM erreichen könne. Mindestens müsse das Finanzamt, da er einem Irrtum erlegen sei, die Einzahlung vom 24. Januar 1957 nachträglich für 1956 berücksichtigen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Auf Grund der lex Preusker können unter bestimmten Voraussetzungen nach dem 6. Oktober 1956 geleistete Aufwendungen bis zur Hälfte, höchstens jedoch bis zu 6.000 DM, neben den schon bisher absetzbaren Sonderausgaben abgezogen werden. Nach § 10 Abs. 3 Ziff. 3 Buchst. c Satz 5 a. a. O. gilt diese Regelung (der zusätzliche Höchstbetrag an Sonderausgaben von 6.000 DM) "für die im Veranlagungszeitraum 1957 vor dem 1. April 1957 geleisteten Aufwendungen der bezeichneten Art; soweit sie im Januar 1957 geleistet worden sind, werden sie wie Aufwendungen behandelt, die im Veranlagungszeitraum 1956 nach dem 6. Oktober 1956 geleistet worden sind". Dieser Wortlaut läßt nicht klar erkennen, ob die Januarzahlungen 1957 zwingend für 1956 zu berücksichtigen waren, oder ob sie auch für 1957 berücksichtigt werden konnten. Der Senat tritt dem Finanzgericht darin bei, daß der Wortlaut des § 10 Abs. 3 Ziff. 3 Buchst. c Satz 5 EStG 1956 nicht ausschließt, die Januarzahlungen 1957 auch für 1957 zu berücksichtigen. Die Möglichkeit, die Januarzahlungen 1957 auf 1956 zurückzubeziehen, war, weil das Gesetz erst kurs vor Jahresende 1956 verkündet wurde, als eine Vergünstigung für die Steuerpflichtigen gedacht. Wenn das Gesetz die Januarzahlungen 1957 wie Aufwendungen behandelt, die in der für 1956 geltenden Einzahlungsfrist (6. Oktober bis 31. Dezember 1956) geleistet wurden, so bedeutet das, daß die Januarzahlungen 1957, die an sich nach dem allgemeinen Grundsatz des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG 1956 nur für 1957 berücksichtigt werden konnten, ausnahmsweise auf Wunsch des Steuerpflichtigen noch für 1956 berücksichtigt werden durften. Es bestehen aber keine Bedenken, es bei der allgemeinen Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG - also der Berücksichtigung der Januarzahlungen 1957 für 1957 - zu belassen, wenn der Steuerpflichtige von der Vergünstigung der Rückbeziehung auf 1956 keinen Gebrauch machen will. Abschn. 107 a Abs. 3 Satz 2 EStR 1956/57 entspricht also dem Gesetz, wenn dort den Steuerpflichtigen freigestellt wird, ob sie die Januarzahlungen 1957 für 1957 oder für 1956 geltend machen wollen

Läßt der Steuerpflichtige die Januarzahlungen 1957 für 1957 ansetzen, so hat das aber nicht etwa zur Folge, daß der zusätzliche Höchstbetrag von 6.000 DM im Jahre 1957 doppelt gewährt wird. Der zusätzliche Höchstbetrag kann vielmehr nur für 1956 und 1957 mit je 6.000 DM in Anspruch genommen werden. Entscheidet sich also ein Steuerpflichtiger dafür, die Januarzahlung 1957 von 12.000 DM für 1957 geltend zu machen, so können sich daneben weitere im Jahre 1957 geleistete Zahlungen nach der Sonderregelung der lex Preusker nicht mehr auswirken.

Das Finanzgericht hat auch mit Recht nicht anerkannt, daß der Wortlaut der amtlichen Erläuterung zur Einkommensteuererklärung 1956 etwas anderes sage. Die Erläuterungen bemerken unter Ziff. 30 Abs. 3: "Im Januar 1957 geleistete besonders begünstigte Aufwendungen werden als Sonderausgaben des Kalenderjahres 1956 behandelt, es sei denn, daß sie deren Berücksichtigung im Kalenderjahr 1957 beantragen wollen". Die Rechtslage ist damit richtig wiedergegeben. Wenn der Steuerpflichtige die Erläuterungen falsch verstanden hat, so geht das zu seinen Lasten; er hätte bei angemessener Sorgfalt mindestens Zweifel haben und dann eine Auskunft beim Finanzamt einholen müssen.

Der Bf. hat zwar in der Anlage zur Einkommensteuererklärung 1956 darauf hingewiesen, daß er die Januarzahlung 1957 für 1957 berücksichtigt haben wolle. Er hat aber nicht gleichzeitig auch gesagt, daß er vor dem 1. April 1957 noch einen zweiten Kapitalansammlungsvertrag geschlossen hatte. Nur wenn er das gesagt hätte, hätte das Finanzamt vielleicht den Rechtsirrtum des Steuerpflichtigen erkennen können und ihn darüber aufklären müssen. Die unvollständige Informierung des Finanzamts geht zu Lasten des Bf. Das Finanzamt verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben, wenn es dem Gesetz gemäß den doppelten Abzug für 1957 versagt. Auf Treu und Glauben kann sich ein Steuerpflichtiger nur berufen, wenn er zuvor seine Erklärungspflicht dem Finanzamt gegenüber voll erfüllt hat (Urteile des Bundesfinanzhofs VI 296/57 S vom 5. Dezember 1958, BStBl 1959 III S. 86, Slg. Bd. 68 S. 221; I 155/57 U vom 20. Januar 1959, BStBl 1959 III S. 221, Slg. Bd. 68 S. 581).

über den Antrag des Bf., nachträglich die Januarzahlung 1957 für 1956 zu berücksichtigen, kann der Senat in diesem Verfahren, das nur das Jahr 1957 betrifft, nicht entscheiden. Das Finanzamt muß aber noch prüfen, ob nicht der Bf. schon im Laufe dieses Verfahrens den Eventualantrag gestellt hat, die Januarzahlung 1957 für 1956 zu berücksichtigen. über einen solchen etwaigen Antrag ist bisher nicht entschieden worden. Die kurze Bemerkung in der Begründung des Einspruchsbescheides für 1957, daß eine änderung des Steuerbescheides für 1956 infolge der inzwischen eingetretenen Rechtskraft nicht möglich sei, ist keine Entscheidung über den Eventualantrag. Auch das Finanzgericht hat über 1956 bisher nicht entschieden. Das Finanzamt hat auch in Erwägung zu ziehen, ob evtl. für 1956 Nachsicht zu gewähren ist oder ob aus anderen Gründen die Veranlagung 1956 wieder aufgerollt werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410225

BStBl III 1962, 6

BFHE 1962, 12

BFHE 74, 12

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