Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei Verschmelzung von Genossenschaften anfallende Grunderwerbsteuer als aktivierungspflichtige Anschaffungskosten der übernehmenden Genossenschaft trotz vertraglich vereinbarter Kostenteilung mit der übertragenden Genossenschaft
Leitsatz (amtlich)
Die bei Verschmelzung von Genossenschaften anfallende Grunderwerbsteuer gehört bei der übernehmenden Genossenschaft zu den aktivierungspflichtigen Anschaffungskosten. Dies gilt auch, wenn die übertragende und die übernehmende Genossenschaft vereinbart haben, die Grunderwerbsteuer jeweils zur Hälfte zu übernehmen. Wirtschaftlich gesehen handelt es sich bei der Steuer gleichwohl um ausschließlich eigenen Aufwand der übernehmenden Genossenschaft, für den die übertragende Genossenschaft in ihrer Verschmelzungsbilanz keine Rückstellung bilden darf.
Orientierungssatz
Im Streitfall kann offenbleiben, ob die Vereinbarungen darüber, daß die Grunderwerbsteuer den an der Verschmelzung Beteiligten jeweils hälftig zur Last fällt, einen Gestaltungsmißbrauch darstellen oder ob dadurch verdeckte Gewinnausschüttungen der übertragenden Genossenschaft vorliegen.
Normenkette
AO 1977 § 42; BGB § 426 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2; GenG §§ 93a, 93b, 93c, 93d, 93e, 93f, 93g, 93h, 93i, 93k, 93l, 93m, 93n, 93o, 93p, 93q, 93r, 93s; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 3; HGB § 249 Abs. 1 S. 1, § 255 Abs. 1; KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Kreditinstitut in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (eG). Mit ihr als übernehmende Genossenschaft waren drei andere Genossenschaften verschmolzen worden, die A-eG, B-eG und C-eG. Nach den jeweiligen Verschmelzungsverträgen traf die Klägerin die Kosten-, Gebühren- und Abgabenlast, hinsichtlich der Grunderwerbsteuer aufgrund besonderer Vereinbarungen in den beiden mit der B-eG und der C-eG geschlossenen Verträgen aus dem Streitjahr 1988 allerdings nur zur Hälfte. Die Klägerin behandelte die für die drei Verschmelzungsvorgänge angefallene und bestandskräftig festgesetzte Grunderwerbsteuer gleichermaßen zur einen Hälfte als abzugsfähige Betriebsausgaben und zur anderen Hälfte als zu aktivierende Anschaffungsnebenkosten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) aktivierte die Grunderwerbsteuer hingegen in vollem Umfang.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß die übernehmende Gesellschaft als Erwerberin die umwandlungsbedingten, insbesondere die objektbezogenen Aufwendungen zu aktivieren habe. Abweichende zivilrechtliche Vereinbarungen änderten daran nichts. Die übertragenden Gesellschaften hätten kein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Übernahme der Kosten. Folglich sei es unüblich und halte es einem Fremdvergleich nicht stand, ihnen die Kosten aufzuerlegen. Wirtschaftlich fielen die Kosten in jedem Fall der übernehmenden Gesellschaft zur Last, entweder unmittelbar oder in Gestalt eines um die Grunderwerbsteuer verminderten Betriebsvermögens.
Die Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts. Sie folgt dem FG zwar im Hinblick auf die mit der A-eG vorgenommene Verschmelzung, nicht aber hinsichtlich der B-eG und der C-eG.
Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1988 unter Abzug weiterer Betriebsausgaben von 7 694 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Der Übergang der Grundstücke, die im Eigentum der übertragenden Kreditgenossenschaften standen, ist der Grunderwerbsteuer unterworfen worden (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes --GrEStG--). Die Grunderwerbsteuerbescheide sind bestandskräftig. Durch sie wurde die entstandene Grunderwerbsteuer in voller Höhe gegen die Klägerin als übernehmende Genossenschaft und Steuerschuldnerin (Erwerb kraft Gesetzes gemäß § 13 Nr. 2 GrEStG; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Januar 1992 II R 36/89, BFHE 167, 186, BStBl II 1992, 418; Fischer in Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 1 Anm. 483) festgesetzt, auch im Hinblick auf die Grundstücke, die infolge der Verschmelzungen mit der B-eG und der C-eG auf die Klägerin übergegangen sind.
Die bei Veräußerung und Übergang von Grundstückseigentum anfallende Grunderwerbsteuer gehört beim Erwerber zu den objektbezogenen (nachträglichen) Anschaffungsnebenkosten (vgl. § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches --HGB--; Senatsurteil vom 13. April 1988 I R 104/86, BFHE 153, 340, BStBl II 1988, 892); sie ist deshalb von ihm zu aktivieren (§ 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Dies gilt auch für Verschmelzungen, da Verschmelzungen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten als tauschähnliche Vorgänge und damit als rechtsgeschäftliche Veräußerungen zu beurteilen sind (vgl. Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 2. Aufl., Rz. 4399 ff.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., § 17 Rdnr. 103; ebenso Bundesminister der Finanzen, Schreiben vom 15. April 1986 IV B 7 -S 1978- 3/86, BStBl I 1986, 164; Meyer-Scharenberg, Steuergestaltung durch Umwandlung, S. 313 f.; Dehmer, Umwandlungsgesetz, Umwandlungs-Steuergesetz, 2. Aufl., § 4 Rz. 23; Haritz/Benkert, Umwandlungs-Steuergesetz, § 3 Rdnr. 82; Streck/Posdziech, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1995, 271, 278; Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Anh. UmwStG Rdnr. 68; Ohlmeyer/Philipowski, Die Verschmelzung von Genossenschaften, 3. Aufl., 1987, S. 104 f.; a.A. für das Umwandlungs-Steuergesetz --UmwStG-- 1995: Thiel, Der Betrieb --DB-- 1995, 1196, 1203).
2. Diese Rechtslage ist auch für den Streitfall einschlägig. Hier besteht zwar die Besonderheit, daß die Klägerin (als die übernehmende Genossenschaft) und die B-eG sowie die C-eG (als die übertragenden Genossenschaften) sich in den betreffenden Verschmelzungsverträgen auf eine hälftige Teilung der anfallenden Grunderwerbsteuer verständigt haben. Der Klägerin fällt infolgedessen unmittelbar lediglich die von ihr im Innenverhältnis geschuldete Grunderwerbsteuer zur Last. Diese zivilrechtlichen Vereinbarungen wirken sich jedoch steuerrechtlich nicht aus, ebensowenig wie die gesetzlichen Regelungen über die Gesamtschuld, wonach die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet sind (vgl. § 426 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Es bleibt dabei, daß die Grunderwerbsteuer zu den aktivierungspflichtigen Anschaffungskosten gehört und nicht sofort abziehbare Betriebsausgabe ist.
Dies ergibt sich aus dem Umstand, daß es sich bei den hierfür getätigten Aufwendungen wirtschaftlich gesehen nicht um Fremdaufwand für die übertragenden Genossenschaften handelt, sondern um Eigenaufwand der Klägerin. Der Grunderwerbsteueranspruch entsteht --erst-- in der logischen Sekunde nach Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister (vgl. Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., 3. Aufl., Anh. 1. bis 5. Teil Rz. 6736). Zwar kann der Steueranspruch sowohl gegen den Übertragenden als auch den Übernehmenden geltend gemacht werden; beide sind Gesamtschuldner (§ 13 Nr. 2 GrEStG). Da die Verschmelzung zur Gesamtrechtsnachfolge des Übernehmers und zum Wegfall des Übertragenden als des bisherigen Eigentümers des Grundbesitzes führt, kommt als Steuerschuldner aber grunderwerbsteuerrechtlich nur der Erwerber in Betracht; die Inanspruchnahme des Übertragenden hingegen entfällt (vgl. Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, § 13 Rz. 7; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 6. Aufl., § 13 Rz. 10; Viskorf in Boruttau/Egly/Sigloch, a.a.O., § 13 Anm. 66; Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., 3. Aufl., Anh. 1. bis 5. Teil Rz. 6741). Folglich kann dieser für die künftige Grunderwerbsteuerschuld in seiner Verschmelzungsbilanz nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. § 5 Abs. 1 EStG, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) keine entsprechende Rückstellung bilden, die im Streitfall --bei der B-eG und der C-eG-- im Wege der Bilanzberichtigung nachzuholen wäre. Es verhält sich insoweit anders als bei den umwandlungsbedingten Ertragsteuern, die beim übertragenden Rechtsträger infolge der steuerlichen Rückwirkung in § 2 Abs. 1 UmwStG 1977 noch mit Ablauf des Umwandlungsstichtages entstanden sind (im einzelnen Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., 2. Aufl., § 3 UmwStG 1977 Rz. 4802). Aus letztlich gleichem Grunde verhält es sich auch anders als bei umwandlungsbedingten Umsatzsteuern (vgl. Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., 3. Aufl., Anh. 1. bis 5. Teil Rz. 6610; vgl. auch zur Bestimmung des umsatzsteuerrechtlichen Entgelts i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes BFH-Urteil vom 10. Juli 1980 V R 23/77, BFHE 130, 571, BStBl II 1980, 620), sowie bei sonstigen Verschmelzungskosten (Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., 2. Aufl., § 15 UmwStG 1977 Rz. 6144 f.).
Nicht der Übertragende, sondern der Übernehmende wird mithin durch die Grunderwerbsteuer wirtschaftlich belastet. Dieser allein muß die benötigten Mittel, nachdem die Verschmelzungsvorgänge abgeschlossen sind, in voller Höhe aufbringen. Es handelt sich deshalb um ausschließlich seinen eigenen betrieblichen Aufwand; er trägt nicht als Dritter Kosten, die durch die Einkunftserzielung des übertragenden Unternehmens veranlaßt sind (sog. Drittaufwand, vgl. dazu BFH-Beschluß vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281). Dieser Aufwand kann deshalb nicht von diesem, sondern allein von dem Übernehmer und nur insoweit nach Maßgabe von § 4 Abs. 4 EStG sofort abgezogen werden, als er nicht --wie die Grunderwerbsteuer-- aktivierungspflichtig ist (im Ergebnis ähnlich Meyer-Scharenberg, a.a.O., S. 310 ff., 314).
Den entgegenstehenden Erwägungen des FG Köln (Urteil vom 19. März 1997 13 K 1799/92, Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 1167) folgt der Senat nicht.
3. Die Vorinstanz ist zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangt, allerdings über die Annahme entsprechender verdeckter Gewinnausschüttungen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes) der B-eG und der C-eG gegenüber den an ihnen beteiligten Genossen. Geltend gemacht wird, es sei im Geschäftsverkehr unüblich, daß der Veräußerer von Grundbesitz die Grunderwerbsteuer anteilig trage, üblicherweise fiele diese dem Erwerber allein zur Last. Im Schrifttum ist umstritten, ob dies richtig ist (befürwortend z.B. Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., 2. Aufl., § 3 UmwStG 1977 Rz. 4802 ff., 4820 f., § 5 UmwStG 1977 Rz. 4984 ff., 4994, 4996, und § 15 UmwStG 1977 Rz. 6145 und 6241.1, m.w.N.; Haritz/Benkert, a.a.O., § 3 Rdnr. 82, jeweils m.w.N.; ablehnend demgegenüber z.B. Dehmer, a.a.O., § 3 UmwStG Rz. 94; Ohlmeyer/Philipowski, a.a.O., S. 94 f., S. 104 ff.; Glade/Steinfeld, Umwandlungs-Steuergesetz 1977, Rz. 480, 486, 432; offenbar auch Merkert in Hartmann/Böttcher/ Nissen/Bordewin, Einkommensteuergesetz, § 20 UmwStG Rz. 184, 186; Loos, Umwandlungs-Steuergesetz 1969, 2. Aufl., Rdnr. 252; Fasold, Betriebs-Berater 1957, 819). Der Senat braucht angesichts der im Streitfall gegebenen Rechtslage nicht zu beantworten, welcher Meinung er folgt. Ebensowenig braucht entschieden zu werden, ob die Vereinbarungen darüber, daß die Grunderwerbsteuer den an der Verschmelzung Beteiligten jeweils hälftig zur Last fällt, einen Gestaltungsmißbrauch des Rechts (§ 42 der Abgabenordnung --AO 1977--) darstellen (ablehnend Ohlmeyer/Philipowski, a.a.O., S. 105; s. auch BFH-Urteil in BFHE 130, 571, BStBl II 1980, 620).
Fundstellen
Haufe-Index 66723 |
BFH/NV 1998, 520 |
BFH/NV 1998, 520-522 (Leitsatz und Gründe) |
BStBl II 1998, 168 |
BFHE 184, 435 |
BFHE 1998, 435 |
BB 1998, 316 |
DB 1998, 287 |
DStR 1998, 164 |
DStRE 1998, 123 |
DStRE 1998, 123 (Leitsatz) |
HFR 1998, 272 |
StE 1998, 69 |