Entscheidungsstichwort (Thema)
Schenkungsteuer. Bewertungsrecht
Leitsatz (amtlich)
Der Wert der vom Bedachten, im Rahmen einer freigebigen Zuwendung einem Dritten gegenüber übernommenen Leistung auf Lebenszeit ist bei der Veranlagung der Schenkungsteuer unter Berücksichtigung des § 16 Abs. 3 BewG – im Streitfall die tatsächliche Laufzeit von 10 Monaten – zu ermitteln.
Orientierungssatz
Bewertung einer freigebigen Zuwendung bei gemischten Verträgen
Normenkette
BewG § 16 Abs. 3; ErbStG 1951 § 22 Abs. 1
Tatbestand
Streitig war die Bereicherung des Bf. durch freigebige Zuwendung seitens einer Frau M. Der Bf. war Geschäftsführer einer KG, an der Frau M. als Komplementär und ihr Adoptivsohn als Kommanditist beteiligt waren. Später wurden ihr Adoptivenkel und der Bf. Komplementäre, sie selbst Kommanditistin. Nach dem Gesellschaftsvertrag sollte beim Tode der Frau M. ihr Geschäftsanteil auf den Enkel übergehen. Demgemäß setzte sie diesen in ihrem ersten Testament von 1948 zum alleinigen Erben ein. In ihrem zweiten Testament von 1949 vermachte sie dagegen dem Bf. ihre Ansprüche auf Gewinnanteil und Auseinandersetzungsguthaben als Kommanditistin. Die Benachteiligung ihres Enkels erklärte sie mit der erfolgreichen Arbeit des Bf. für die Firma und seiner persönlichen Fürsorge für sie. Ab 1. Januar 1951 wurde der Bf. Alleininhaber der Firma. Der Auseinandersetzungsanspruch der Frau M. zuzüglich eines dem Bf. gewährten Darlehens betrug rund 213.000 DM. Im März 1951 schloß die damals fast 73 Jahre alte Frau M. mit dem Bf. einen Vertrag ab, in dem die Höhe ihrer Forderung an den Bf. (nach Übernahme einer Rentenverpflichtung und eines Vermächtnisses der Frau M.) auf 150.000 DM festgestellt wurde. Die Vertragsparteien vereinbarten, daß der Bf. dieses Guthaben durch eine lebenslängliche Rente an Frau M. ausgleichen solle. Die zuständige Provinziallebensversicherungsanstalt errechnete nach versicherungsmathematischen Grundsätzen auf Grund dieses Kapitals unter Berücksichtigung des Lebensalters der Frau M. eine Monatsrente von 7.332 DM, zu deren Zahlung sich der Bf. ab 1. Januar 1951 verpflichtete. Frau M. starb bereits im Oktober 1951. Das FA nahm eine freigebige Zuwendung der Frau M. an den Bf. an. Es zog von dem Betrag von rund 213.000 DM die Gegenleistung des Bf. ab, wobei es den Wert der Leibrente für Frau M. nach der tatsächlichen Dauer der Rentenzahlung vom 1. Januar bis 31. Oktober 1951 mit 13.326 DM berechnete und danach eine Bereicherung des Bf. in Höhe von (vorläufig) rund 153.000 DM errechnete. Die Berufung des Bf. hatte keinen Erfolg. Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat geht davon aus, daß der Begriff der freigebigen Zuwendung objektiv eine Bereicherung und subjektiv den Bereicherungswillen erfordert. Bei gemischten Verträgen sind die beiderseitigen Leistungen mit ihren gemeinen Werten einander – gegenüberzustellen. Erst wenn sich bei dieser sog. Vorprüfung eine Bereicherung ergibt, sind bei der Veranlagung zur Schenkungsteuer (SchenkSt) selbst die Steuerwerte für Leistung und Gegenleistung nach den §§ 21 ff. ErbStG zugrunde zu legen. Der BFH hat bestätigt, daß im Streitfall ein Mißverhältnis zwischen der Leistung der Frau M. und der Gegenleistung des Bf. vorliegt. Er hat auch den subjektiven Tatbestand als erfüllt angesehen.
II. Auch hinsichtlich der Festsetzung der Erbschaftsteuer (ErbSt) ist der BFH der Rechtsansicht des Bf. nicht gefolgt. Dieser. meinte, daß eine bei der Vorprüfung sich ergebende Bereicherung (von z.B. 20 v. H.) bei der Veranlagung zur Schenkst mit keinem höheren Hundertsatz berücksichtigt werden dürfe. Der Senat hat dies mit der Begründung abgelehnt, daß nach durchgeführter Vorprüfung und sich bei dieser ergebenden objektiven Bereicherung die Höhe der Bereicherung selbständig nach Steuerwerten zu berechnen sei.
III. Die vom Bf. gegen die Anwendung des § 16 Abs. 3 BewG bei Berechnung der Bereicherung vorgebrachten Bedenken wurden vom BFH ebenfalls zurückgewiesen. § 16 Abs. 3 a.a.O. gehört zu den allgemeinen Bewertungsvorschriften, die nach § 22 Abs. 1 ErbStG bei der Bewertung für erbschaftsteuerliche Zwecke zu beachten sind. Grundsätzlich wäre der Wert der Leibrente der Frau M. nach § 16 Abs. 2 BewG mit dem Sechsfachen des Wertes der einjährigen Leistung anzunehmen gewesen. Jedoch ist nach § 16 Abs. 3 a.a.O., wenn die hier in Betracht kommende Leistung infolge Todes des Berechtigten nicht mehr als 3 Jahre gedauert hat, bei Veranlagung der SchenkSt nur die wirkliche Dauer der Leistung zugrunde zu legen. Diese Voraussetzung war hier gegeben, da die Dauer des Rentenbezugs der Frau M. nur 10 Monate betragen hat. Das Urteil des BFH vom 15. Juni 1956 III 156/54 U (BStBl 1956 III S. 252 – Slg. Bd. 63 S. 143) war nicht geeignet, die Auffassung des Bf. über die Nichtanwendung des § 16 Abs. 3 a.a.O. zu stützen. Denn in diesem Urteil wurde lediglich ausgeführt, daß bei Prüfung der Frage, ob durch eine Zuwendung der Bedachte objektiv bereichert ist – also bei der Vorprüfung – der Wert der vom Bedachten auf die Lebenszeit einer Person übernommenen Leistung nicht gemäß § 16 Abs. 3 a.a.O. nach der tatsächlichen Dauer der Leistung bemessen werden dürfe.
Der Senat hat das Urteil des FG nur deshalb aufgehoben, weil das FG den Kapitalwert der Leibrente der Frau M. ohne ausreichende Begründung niedriger als den von der Lebensversicherungsanstalt nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechneten Wert angenommen hatte.
Fundstellen