Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Beschluß des Vorstands und Aufsichtsrats einer Einkaufsgenossenschaft über Ausschüttung einer Warenrückvergütung begründet mindestens dann keine bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Genossenschaft abzugsfähige Verbindlichkeit, wenn die Satzung der Genossenschaft keine entsprechende Ermächtigung des Vorstands und Aufsichtsrats enthält.
Normenkette
BewG § 62 Abs. 1, § 103/1
Tatbestand
Es handelt sich um den Abzug einer Warenrückvergütung der Beschwerdeführerin (Bfin.), einer Einkaufsgenossenschaft, bei der Fortschreibung des Einheitswerts ihres Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1954. Die Rückvergütung wurde in der Sitzung des Vorstands und Aufsichtsrats der Bfin. vom 29. Dezember 1953 beschlossen. Die Satzung in der am Stichtag maßgebenden Fassung enthält keine Ermächtigung der Organe der Genossenschaft zur Festsetzung einer Warenrückvergütung. Nach § 44 der maßgebenden Satzung unterliegt die Verwendung des Reingewinns der Beschlußfassung der Generalversammlung nach den folgenden Bestimmungen: Zunächst sind den Reservefonds die in den §§ 35 und 36 vorgesehenen Teile des Reingewinns zuzuführen. Aus dem verbleibenden Reingewinn kann, sofern er nicht zu anderen Zwecken verwendet wird, den Mitgliedern nach dem Verhältnis des von ihnen mit der Genossenschaft im abgelaufenen Geschäftsjahr getätigten Umsatzes eine Umsatzdividende gewährt werden. Anstelle oder neben dieser Umsatzdividende kann den Mitgliedern nach dem Verhältnis ihrer am Schlusse des abgelaufenen Geschäftsjahrs vorhandenen Geschäftsguthaben eine Kapitaldividende gewährt werden, bei deren Berechnung das Geschäftsguthaben eines jeden Mitglieds nur insoweit berücksichtigt wird, als es volle DM beträgt. Das Finanzamt hat den Abzug versagt, weil Vorstand und Aufsichtsrat zur Festsetzung der Warenrückvergütung nicht befugt gewesen seien. Die Bfin. bestreitet dies. Sie ist der Ansicht, daß es sich wirtschaftlich bei Gewährung der Warenrückvergütung um die rückwirkende Herabsetzung der von den Genossen gezahlten Wareneinkaufspreise handle. Die Preisfestsetzung gehöre zu den Aufgaben des Vorstands.
Die Berufung der Bfin. gegen die Einspruchsentscheidung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Urteil ist im wesentlichen wie folgt begründet: Die Warenrückvergütung könne erst festgesetzt werden, wenn die Generalversammlung gemäß § 48 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) über den Jahresabschluß und die Gewinnverteilung beschlossen habe. Vorstand und Aufsichtsrat seien ohne Ermächtigung durch die Satzung nicht befugt, die Generalversammlung hinsichtlich der Gewährung einer Warenrückvergütung zu binden. Am 1. Januar 1954 habe noch kein Beschluß der Generalversammlung und daher auch kein klagbarer Anspruch der Genossen auf die Warenrückvergütung vorgelegen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.). Sie rügt Rechtsirrtümer und Verfahrensmängel. Die Warenrückvergütung sei kein Teil des Reingewinns der Genossenschaft, sondern lediglich Rückgängigmachung zu hoher Preiskalkulation. Die Befugnis des Vorstands zu genereller Preisregulierung ergebe sich aus seiner Befugnis zur Preisfestsetzung. Maßnahmen dieser Art seien kein Vorgang des Rechnungsabschlusses, sondern der laufenden Geschäftsführung. Mit Ergehen des Vorstandsbeschlusses habe der einzelne Genosse einen unbedingten Anspruch auf die vom Vorstand zugesagte Warenrückvergütung erlangt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Dem GenG ist der Begriff der Warenrückvergütung an sich fremd. Immerhin ist sie im § 19 Abs. 2 GenG der Sache nach zugelassen. Denn nach dieser Vorschrift kann die Satzung einen anderen Maßstab für die Verteilung von überschüssen und Verlusten aufstellen, als im § 19 Abs. 1 a. a. O. vorgesehen ist. Unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist die Warenrückvergütung die von einer Genossenschaft im Laufe einer Geschäftsperiode durch den gesamten Geschäftsbetrieb erzielte, um die Summe der Verzinsung der Geschäftsanteile und die Zuweisung an Reserve- und andere Konten verminderte und auf die Mitglieder im Verhältnis ihrer im Laufe der Geschäftsperiode mit der Genossenschaft getätigten Umsätze verteilte Nettoerübrigung (vgl. Paulick, "Warenrückvergütung, Ihr Wesen und ihre steuerliche Behandlung", Verlag Raiffeisen Druckerei GmbH S. 20 und derselbe Verfasser in "Das Recht der eingetragenen Genossenschaft" Verlag C. F. Müller, Karlsruhe 1956 S. 285). Steuerlich werden die Warenrückvergütungen als solche Vergütungen angesehen, die unter Bemessung nach der Höhe des Warenbezugs gezahlt werden (ß 35 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes - KStDV - 1955). Es kommt nur darauf an, ob im Streitfall Vorstand und Aufsichtsrat das Recht hatten, die Warenrückvergütung zu beschließen. Die Frage muß verneint werden. Es ist richtig, daß die Genossenschaft auf die unmittelbare wirtschaftliche Förderung der Betriebe und Wirtschaften ihrer Mitglieder ausgerichtet ist und die Erzielung von überschüssen und Gewinnen demgegenüber zurücktritt. Ein von der Genossenschaft erwirtschafteter überschuß fließt in der Regel, und zwar vornehmlich auf dem Wege über die Warenrückvergütung, an die Genossen zurück. Voraussetzung für die Gewährung von Warenrückvergütungen ist sonach das Vorliegen von Gewinn (überschuß) bei der Genossenschaft (Paulick, Recht der eingetragenen Genossenschaft, S. 282, 283, ebenso oder gleiche Verfasser in Warenrückvergütung S. 18/20). Nach dem Kommentar zum Genossenschaftsgesetz von Meyer-Meulenbergh, 8. Aufl., C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung § 19 Anm. 3, kann eine Warenrückvergütung nur bei Erzielung eines Gewinns der Genossenschaft zur Ausschüttung gelangen, und sie ist von einem Gewinnverteilungsbeschluß der Generalversammlung abhängig. In dem Kommentar zum Genossenschaftsgesetz von Lang und Weidmüller, 26. Aufl. Berlin 1951 Verlag De Gruyter & Co. § 19 Anm. 4 ist ausgeführt: "Bei den Warengenossenschaften ist es üblich und zulässig, einen Teil des Gewinns nach dem Verhältnis der Geschäftsguthaben (Kapitaldividende) und einen anderen Teil nach dem Umfang des Warenbezugs (Waren-, Umsatz- oder Leistungsdividende) auszuschütten. Da es sich bei der Warendividende ebenso wie bei der Kapitaldividende um einen echten Gewinnanteil handelt, beschließt die Generalversammlung gemäß § 48 Abs. 1 GenG auf Grund des Jahresergebnisses über dessen Höhe. Ein Rechtsanspruch der Mitglieder auf diesen Gewinnanteil entsteht deshalb erst auf Grund des Gewinnverteilungsbeschlusses der Generalversammlung. In der Praxis wird der nach dem Umsatz ausgeschüttete Gewinn auch als Warenrückvergütung bezeichnet. Die Verwendung dieses Begriffs kann jedoch zu der irrtümlichen Auffassung führen, daß in diesen als Warenrückvergütung bezeichneten Gewinnanteilen Preisbestandteile enthalten sind." Hiernach ist der Bfin. darin nicht zuzustimmen, daß die Festsetzung der Warenrückvergütung lediglich eine Preisregulierungsmaßnahme des Vorstands sei. Das Kammergericht hat sogar in seinem Beschluß vom 24. September 1908, Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts Bd. 36 Abtl. A S. 142) ausgesprochen, daß Satzungsvorschriften, durch die der Vorstand einer eingetragenen Genossenschaft ermächtigt werde, den Genossen im Laufe des Geschäftsjahrs Abschlagsdividenden auf den zu erwartenden Jahresgewinn auszuzahlen, unzulässig seien. Von der Genossenschaft war in diesem Falle bestritten worden, daß durch die Rückgewähr eine Auszahlung von Gewinn erfolgt sei. Vielmehr habe es sich um die Erstattung eines Teilbetrags der von den Genossen für die von ihnen bezogenen Waren entrichteten Preise gehandelt. Das Kammergericht hat diese Auffassung mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Preisrückgewähr nicht Rückzahlung anfänglich zuviel gezahlter Kaufpreise, sondern Teil des nach Abzug der gesamten Selbstkosten am Jahresschluß ermittelten überschusses sei. Die Preisrückgewähr sei somit Gewinnverteilung. Ihre Festsetzung unterliege unter allen Umständen der Beschlußfassung der Generalversammlung. Im Streitfall ist nicht einmal eine entsprechende Ermächtigung des Vorstands (Aufsichtsrats) in der am Stichtag geltenden Satzung enthalten gewesen. Außerdem ist der Beschluß des Vorstands der Bfin. bis zum Stichtag den Genossen auch nicht bekannt gegeben worden. Danach kann nicht anerkannt werden, daß am Stichtag eine Verbindlichkeit der Bfin. gegenüber ihren Genossen wegen der Warenrückvergütung bestanden hat. In dem Generalversammlungsbeschluß vom 14. April 1954 ist zwar nichts über die Verteilung einer Warenrückvergütung enthalten. Indessen wird man in der Genehmigung der Bilanz durch die Generalversammlung mittelbar die Zustimmung zur Gewährung der fraglichen Warenrückvergütung zu erblicken haben (Urteil des Reichsfinanzhofs III A 436/29 vom 6. März 1930, Reichssteuerblatt - RStBl - 1930 S. 374). Das Urteil des Reichsfinanzhofs III A 36/29 vom 13. März 1930 (RStBl 1930 S. 294) betrifft Rabattsparguthaben der Mitglieder eines Konsumvereins, die nach der Satzung bereits am Bilanzstichtag einen nach Grund und Höhe feststehenden Anspruch gegen den Verein hatten. So liegt der Sachverhalt im Streitfall nicht, ganz abgesehen davon, daß es sich hier überhaupt nicht um einen Konsumverein, sondern um eine Einkaufsgenossenschaft handelt. Die auf dynamischer Bilanzauffassung beruhenden abweichenden Grundsätze für die Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Gewinns der Genossenschaften (Urteil des Bundesfinanzhofs I 38/53 U vom 25. August 1953, Slg. Bd. 58 S. 320, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 36 und Abschn. 65 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1955) sind für das Gebiet des Bewertungsgesetzes nicht anwendbar.
Aus den Urteilen des Bundesfinanzhofs III 43/50 S vom 25. Oktober 1951 (Slg. Bd. 56 S. 91, BStBl 1952 III S. 37) und III 85/51 S vom 4. Juli 1952 (Slg. Bd. 56 S. 529, BStBl 1952 III S. 206) ist für den hier in Betracht kommenden Fall der Behandlung von Warenrückvergütungen einer Genossenschaft nichts zu entnehmen. Verfahrensmängel fallen dem Finanzgericht nicht zur Last. Im übrigen sind die Umstände, die für Verfahrensmängel sprechen sollen, verspätet vorgebracht.
Fundstellen
Haufe-Index 408843 |
BStBl III 1957, 339 |
BFHE 1958, 274 |
BFHE 65, 274 |