Entscheidungsstichwort (Thema)
KraftSt-rechtliche Behandlung von ,,Berlin"-Anhängern
Leitsatz (NV)
1. Zur Kraftfahrzeugbesteuerung von in Berlin (West) zugelassenen Anhängern ohne regelmäßigen Standort in Berlin (KraftSt ab 1. Januar 1977).
2. Für die Bestimmung des regelmäßigen Standorts sind ausschließlich objektive Gesichtspunkte maßgebend; nur, wenn nach ihnen dafür mehrere Orte in Betracht kommen (Fälle des überregionalen Transportverkehrs mit häufig wechselndem Einsatzort), besteht ein Wahlrecht des Verfügungsbefugten.
Normenkette
KraftStG 1972 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 1 Buchst. a; DB KraftStÄndG Berlin 1950 § 1 Nr. 1; AO 1977 § 42; StVZO § 3 Abs. 1 S. 4 Nr. 1, § 27 Abs. 2, 4
Tatbestand
Der Kläger, Inhaber eines Fuhrunternehmens in M, meldete zwei zuvor im Bezirk des Finanzamts - FA - zum Verkehr zugelassene Sattelanhänger für die Zeit von Oktober 1976 bis Oktober bzw. November 1978 nach Berlin (West) um, wo die Anhänger mit den amtlichen Kennzeichen B . . . zugelassen wurden. Die Fahrzeuge wurden von M aus zur Durchführung Berliner Aufträge in den Verkehr gebracht. In Berlin war zwar ab 1. Januar 1977 ein Abstellplatz gemietet, doch wurden die Anhänger in der Regel zum Entladen auf dem Firmengelände der Kunden in Berlin abgestellt. In Berlin beschäftigte der Kläger eine Angestellte, die Telefonate entgegenzunehmen und den Schriftver
kehr an den Kläger weiterzuleiten hatte. Das Halten der Anhänger in der Zeit ab 1. Mai 1978 wurde durch die zuständige Finanzbehörde in Berlin besteuert. Für den Zeitraum davor wurde aufgrund früherer kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Sondervorschriften des Berliner Landesrechts Kraftfahrzeugsteuer zunächst nicht, später durch an den Kläger gerichtete Bescheide des FA vom 20. Juli 1981 für die Zeit von Oktober 1976 bis zum 30. April 1978 festgesetzt. Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die örtlich zuständige Finanzbehörde in Berlin sei verpflichtet gewesen, für das Halten in Berlin zugelassener Anhänger mit - wie hier - tatsächlichem Standort im übrigen Bundesgebiet Kraftfahrzeugsteuer zu erheben, denn die Berliner Steuerbefreiung für das Halten von Anhängern sei einschränkend auszulegen und gelte nur, wenn Berlin auch der regelmäßige Standort der Fahrzeuge gewesen sei. Auf den Mangel der örtlichen Zuständigkeit des FA könne der Kläger sich nicht berufen.
Mit der Revision widerspricht der Kläger der Auffassung des FG, Kraftfahrzeugsteuer sei in Berlin festzusetzen gewesen. Die Finanzbehörde in Berlin habe eine Besteuerung für die Zeit vor dem 1. Mai 1978 bewußt unterlassen, weil eine solche nach der früheren Sondervorschrift, die nur an die Berlin-Zulassung angeknüpft habe, nicht zulässig gewesen sei. Die Berliner Finanzbehörde sei vor dem FA - im Mai 1978 - tätig geworden; das FA habe nicht in das Berliner Verfahren eingreifen dürfen. Das FG lege den verkehrsrechtlichen Begriff ,,regelmäßiger Standort" zu eng aus. Bei häufigem Wechsel des Einsatzortes - so im Streitfalle - dürfe der Verfügungsberechtigte den Verwendungsmittelpunkt bestimmen. Die (rechtsgestaltende) Zulassung der Anhänger in Berlin sei bis zu deren Abmeldung durch ihn - Kläger - gültig geblieben.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zwar zur Aufhebung der Vorentscheidung; sie hat aber im Ergebnis nur teilweise Erfolg, nämlich insoweit, als Kraftfahrzeugsteuer gegen den Kläger für das Halten der Anhänger in den Monaten Oktober bis Dezember 1976 festgesetzt worden ist. Insoweit ist die Festsetzung rechtswidrig, im übrigen - für die Zeit vom 1. Januar 1977 bis zum 30. April 1978 - ist sie berechtigt.
1. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Vorinstanz, die frühere kraftfahrzeugsteuerrechtliche Befreiungsvorschrift des Berliner Landesrechts (§ 1 Nr. 1 der Durchführungsbestimmungen vom 16. September 1950 zu dem durch Gesetz vom 3. August 1950 geänderten Kraftfahrzeugsteuergesetz - KraftStG -, Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Sb II 6111-2 -) habe nur für das Halten von ,,Berlin-Anhängern" mit tatsächlichem regelmäßigen Standort in Berlin gegolten. Durch diese Vorschrift war vielmehr das Halten in Berlin zugelassener Kraftfahrzeuganhänger schlechthin, ohne Rücksicht auf ihren tatsächlichen Standort, von der Kraftfahrzeugsteuer befreit (Urteil des erkennenden Senats vom 13. August 1985 VII R 172/83, BFHE 144, 176, 179, BStBl II 1985, 636, 638). Allerdings entstand für das Halten eines in Berlin ohne dortigen regelmäßigen Standort zugelassenen Anhängers gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) in Verbindung mit den kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Vorschriften Kraftfahrzeugsteuer in der Person des Zulassungsinhabers; nicht in der Zeit vor Inkrafttreten der AO 1977 - mit § 42 - am 1. Januar 1977 (Senat, Urteil vom 18. Februar 1986 VII R 98/85, BFHE 146, 279, 282, BStBl II 1986, 571, 573), wohl aber für das Halten danach, letzteres auch dann, wenn die mißbräuchliche Gestaltung durch den in Berlin gestellten Zulassungsantrag für einen Anhänger mit tatsächlichem regelmäßigen Standort im übrigen Bundesgebiet bereits vor dem 1. Januar 1977 erfolgt war (Senat, Urteil vom 15. Juli 1986 VII R 178/83, BFHE 147, 190, BStBl II 1986, 735). Örtlich zuständig für die Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung ist die Finanzbehörde, in deren Bezirk das Fahrzeug bei angemessener Gestaltung - Antrag auf Zulassung bei der für den regelmäßigen Standort zuständigen Verkehrsbehörde - zuzulassen gewesen wäre (Senat in BFHE 144, 176, 184, BStBl II 1985, 636, 641).
2. Bei Anwendung der Rechtsgrundsätze, von denen der Senat in seiner Rechtsprechung ausgegangen ist (vorstehend Nr. 1), ergibt sich, daß der Kläger kraftfahrzeugsteuerrechtlich zwar nicht für das Halten der Anhänger in der Zeit vor dem 1. Januar 1977 herangezogen werden kann, er indessen Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit danach schuldet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 1 Buchst. a KraftStG 1972), weil die Zulassung seiner Anhänger in Berlin mangels dortigen regelmäßigen Standorts mißbräuchlich erwirkt worden war. Für die Steuerfestsetzung für die Zeit vom 1. Januar 1977 bis zum 30. April 1978 war nicht die Finanzbehörde in Berlin, war vielmehr das FA unmittelbar zuständig; sein Tätigwerden kann mithin nicht mit einem Mangel der örtlichen Zuständigkeit gerügt werden, der (nur) unter den Voraussetzungen von § 127 AO 1977 folgenlos bliebe. Die Besteuerung durch das FA in Berlin betraf nur den Zeitraum ab 1. Mai 1978, für den die alte Befreiungsvorschrift nach ihrer Ablösung durch eine neue Regelung (zu ihr Senat, Urteil vom 14. Januar 1986 VII R 184/82, BFHE 146, 275, BStBl II 1986, 494) nicht mehr galt. Das FA hat mithin nicht in ein ,,Berliner Verfahren" eingegriffen, sondern eine Besteuerung vorgenommen, die nur ihm zustand, nicht dagegen der Finanzbehörde in Berlin. Diese mußte sich einer Besteuerung des Haltens der Berlin-Anhänger für die Zeit vor dem 1. Mai 1978 enthalten, weil eine solche (vom 1. Januar 1977 an) nur in Betracht kam - dann ausschließlich durch das FA, in dessen Bezirk die Zulassung bei Beachtung der verkehrsrechtlichen Vorschriften hätte betrieben werden müssen -, wenn die Zulassung in Berlin mißbräuchlich erwirkt worden war.
Mißbräuchlich erwirkt hatte der Kläger die Berlin-Zulassung der Anhänger, weil diese Zulassung nur bei einer (nicht nur vorübergehenden) Verlegung des regelmäßigen Standorts von M nach Berlin in Betracht kam (vgl. § 27 Abs. 2 und 4 Satz 1, § 23 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung), nicht dagegen, wenn der regelmäßige Standort der Anhänger tatsächlich im Bezirk des FA verblieb. Nach den von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist, weil Verfahrensrügen dagegen nicht erhoben worden sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), ist davon auszugehen, daß eine Standortverlegung nach Berlin nicht erfolgt, der regelmäßige Standort der Anhänger vielmehr weiterhin in M anzunehmen war. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe wegen des häufigen Wechsels des Einsatzortes der Anhänger deren Verwendungsmittelpunkt frei bestimmen können, ihn mithin auch nach Berlin legen dürfen. Dieses Recht besteht nur, wenn objektive Gesichtspunkte, die ausschließlich für die Bestimmung des regelmäßigen Standorts maßgebend sind (Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 18. Juni 1981 7 B 137.81, Verkehrsrechts-Sammlung - VRS - 62, 235 f.), mehrere Orte jeweils als Einsatzmittelpunkt erscheinen lassen (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 1985, § 23 StVZO Rz. 16; Oberlandesgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 25. Mai 1966 2 Ss 1128/65, VRS 31, 389 f.; Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 4. September 1980 12 OVG A 76/80, Entscheidungssammlung 35, 499, 501). Aufgrund der Feststellungen des FG, nach denen die Verwendung der Anhänger weiterhin von M aus bestimmt wurde, fehlte es im Streitfalle an solchen objektiven Gesichtspunkten, die - auch - Berlin als regelmäßigen Standort der Anhänger hätten erscheinen lassen können.
3. Die Kraftfahrzeugsteuer für den allein in Betracht kommenden Besteuerungszeitraum vom 1. Januar 1977 bis 30. April 1978 ist aufgrund der festgestellten Besteuerungsmerkmale wie folgt festzusetzen (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO, § 11 Abs. 1 Nr. 5 KraftStG 1972): . . .
Fundstellen