Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Im Falle eines Ringtausches ist eine Steuerbefreiung im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG dann gegeben, wenn
das gesamte Vertragswerk nach dem Gesamtinhalt der darin begründeten Rechte und Pflichten, gesondert für jede Vertragspartei, rechtlich als Grundstücksaustausch anzusehen ist und
der jeweils in Betracht kommende einzelne Erwerb im Verhältnis des Erwerbers zu seinem Vertragspartner als Grundstücksaustausch im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG anzusehen ist. Vertragspartner sind diejenigen, die die vom einzelnen Erwerber als Gegenleistung hingegebenen Grundstücke erhalten.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 4, § 4/1/3/b
Tatbestand
Die Gemeinde Y ("Gemeinde") wünschte, zur Schaffung eines Sportplatzes von der Landwirtin Frau G. die Parzelle 109 zu erwerben. Als Ausgleich sollte der Kirchweg X (Parzelle 50) zur Verfügung gestellt werden. Dieser Kirchweg gehörte einer Verkoppelungsinteressentenschaft ("Interessentenschaft") und durchschnitt Grundstücke des Bf. - Parzellen 19 und 20 -, des Landwirts Dr. D. (Parzellen 15 und 16) sowie der Frau G. (Parzellen 17 und 18). Dazu sei bemerkt, daß die der Frau G. gehörigen Grundstücke (Parzellen 17 und 18) zwischen denjenigen des Bf. (Parzellen 19 und 20) und denen des Dr. D. (Parzellen 15 und 16) lagen. Nunmehr sollte Frau G. von dem Kirchweg die neugeschaffene Parzelle 50/2 erhalten; die Parzelle 50/1 sollte dem Bf. und die Parzelle 50/3 dem Landwirt Dr. D. zufallen. Außerdem sollte der Bf. vom Kirchweg die Parzelle 50/4 erwerben; welcher Erfolg durch diesen Erwerb herbeigeführt werden sollte, ist nicht ersichtlich. Als weiteren Ausgleich sollte Frau G. von dem Bf. und Dr. D. je einen Grenzstreifen erhalten, und zwar von den Grundstücken des Bf. die Grenzstreifen 19/2 und 20/2 (dem Bf. verblieben nunmehr die Parzellen 19/1 und 20/1) sowie von den Grundstücken des Dr. D. die Grenzstreifen 15/2 und 16/2 (dem Dr. D. verblieben nunmehr die Parzellen 15/1 und 16/1).
Demgemäß schlossen der Bf., die Landwirte Dr. D. und Frau G., die Gemeinde sowie die Interessentenschaft am 8. November 1955 einen notariellen Vertrag über den Austausch der vorbezeichneten Parzellen. Es wurden veräußert:
von dem Bf. an Frau G. die Parzellen 19/2 und 20/2 (= insgesamt 4.060 qm groß) und an den Bf. von der Gemeinde (bzw. der Interessentenschaft) die Parzellen 50/1 und 50/4 (= insgesamt 2.431 qm);
von Dr. D. an Frau G. die Parzellen 15/2 und 16/2 (= insgesamt 680 qm) und an Dr. D. von der Gemeinde (bzw. der Interessentenschaft) die Parzelle 50/3 (= 527 qm);
von Frau G. an die Gemeinde die Parzelle 109 (= 5.657 qm) und an Frau G. von der Interessentenschaft die Parzelle 50/2 (= 318 qm), vom Bf. die Parzellen 19/2 und 20/2 (= insgesamt 4.060 qm) und von dem Landwirt Dr. D. die Parzellen 15/2 und 16/2 (= insgesamt 680 qm). Insgesamt erwarb Frau G. also 5.058 qm (318 qm + 4.060 qm + 680 qm);
von der Gemeinde (bzw. der Interessentenschaft) an den Bf. die Parzellen 50/1 und 50/4 (= insgesamt 2.431 qm), an Frau G. die Parzelle 50/2 (= 318 qm) und an Dr. D. die Parzelle 50/3 (= 527 qm). Insgesamt wurden somit von der Gemeinde (bzw. der Interessentenschaft) 3.276 qm weggegeben.
Der vorliegende Rechtsstreit betrifft nur den Grundstückserwerb des Bf. Das Finanzamt hat anerkannt, daß dieser Erwerb in den Rahmen eines Ringtausches fällt; dabei wurde unterstellt, daß die Interessentenschaft den Kirchweg unentgeltlich auf die Gemeinde übertrug. Jedoch hat das Finanzamt eine Steuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG verneint, weil der Ringtausch nicht zum Zwecke der besseren Bewirtschaftung land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke abgeschlossen worden sei; vielmehr sei eine anders gerichtete Zweckbestimmung, nämlich der Erwerb des Sportplatzes durch die Gemeinde, maßgebend gewesen.
Demgemäß unterwarf das Finanzamt den Grunderwerb des Bf. der Grunderwerbsteuer und setzte die Steuer nach einer Gegenleistung von 2.436 DM auf 170,50 DM fest. Als Gegenleistung legte es den gemeinen Wert der abgegebenen Parzellen 19/2 und 20/2 (= insgesamt 4.060 qm) zugrunde; diesen Wert schätzte es auf 0,60 DM je qm.
Einspruch und Berufung waren ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.
Nach § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG ist unter anderem von der Besteuerung ausgenommen: "der freiwillige Austausch von Grundstücken ... zur besseren Bewirtschaftung von ... unwirtschaftlich geformten land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken ..., wenn der Austausch von der zuständigen Behörde als zweckdienlich anerkannt wird".
Als Austausch im Sinne der vorerwähnten Vorschrift ist, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, auch der Ringtausch anzusehen. Siehe insoweit die Urteile des Senats II 58/50 S vom 15. November 1950 (BStBl 1951 III S. 1, Slg. Bd. 55 S. 1) und II 182/56 U vom 8. Oktober 1958 (BStBl 1959 III S. 7, Slg. Bd. 68 S. 15).
Dem Finanzgericht ist auch darin zuzustimmen, daß im Streitfall von einem Ringtausch gesprochen werden kann. Nach den vorerwähnten Urteilen II 58/50 S vom 15. November 1950 und II 182/56 U vom 8. Oktober 1958 müssen die Parteien des Ringtausches insofern immer dieselben sein, als die Partei, die ein Grundstück erhält, auch ein eigenes Grundstück weggibt, so daß sich dadurch eine fortlaufende Kette ergibt. Dazu sei hingewiesen auf das Urteil des Reichsgerichts VII 64/39 vom 15. Juni 1939 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 161 S. 1, 3). Darin ist ausgesprochen worden, daß ein Tauschvertrag auch dann noch vorliegt, wenn jemand durch einen einheitlichen Vertrag seine Sache einem anderen überläßt und dafür die Sache eines Dritten erhält. Andererseits ist nicht erforderlich, daß A ein Grundstück an B, B ein Grundstück an C, C ein Grundstück an A gibt. Vielmehr wird der Begriff des Ringtausches nicht dadurch beeinträchtigt, daß A Grundstücke teils an B bzw. C, B teils an A bzw. C und C an A bzw. B im Tauschwege hingibt.
Erforderlich ist allerdings, daß nur zwischen den Parteien des Ringtauschvertrages Grundstücke ausgetauscht worden sind. Werden auch Grundstücke zwischen Parteien des Ringtauschvertrages und Dritten im Tauschwege hingegeben, so ist ein solcher Austausch nicht mehr Teil des Ringtausches. Im Streitfall war allerdings der Kirchweg nicht bereits Eigentum der Gemeinde, sondern noch der Interessentenschaft. Dieser Umstand kann aber, wie auch das Finanzgericht ausführt, nicht dazu führen, einen Ringtausch zu verneinen. Die übertragung des Kirchwegs auf die Gemeinde war bereits von den zuständigen Stellen genehmigt und wurde lediglich wegen des beabsichtigten Grundstücksaustausches nicht mehr förmlich vollzogen. Das Finanzamt hat gegen diese Auffassung keine Bedenken erhoben.
Die grunderwerbsteuerliche Behandlung des Ringtausches ist in den vorbezeichneten Urteilen II 58/50 S vom 15. November 1950 und II 182/56 U vom 8. Oktober 1958 nicht erschöpfend geklärt worden und hat immer wieder zu Zweifeln Veranlassung gegeben. Wie auch der Senat in den vorerwähnten Urteilen ausgeführt hat, ist erforderlich, daß das einheitliche Vertragswerk nach dem Gesamtinhalt der darin begründeten Rechte und Pflichten, und zwar gesondert für jede Tauschpartei, rechtlich als Grundstückstausch anzusehen ist. Daß die verschiedenen Vorgänge in ihrem Zusammenhang wirtschaftlich einem Tausch gleichkommen, genügt nicht. Daß dagegen jeder Tauschvorgang unter die Steuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG fällt, ist nicht erforderlich. Ein Ringtausch ist hiernach auch dann gegeben, wenn Erwerbsvorgänge unter keine oder unter andere Steuerbefreiungen als unter § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG (z. B. unter § 4 Abs. 1 Ziff. 4 GrEStG) fallen.
Um im Falle eines Ringtausches für den der Steuer unterworfenen Erwerbsvorgang - der Ringtausch umfaßt regelmäßig eine größere Zahl solcher Erwerbsvorgänge - eine Steuerbefreiung auf Grund des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG bejahen zu können, genügt andererseits nicht bereits, daß das Vertragswerk als Ganzes einen Ringtausch darstellt. Erforderlich ist vielmehr, daß der jeweils in Betracht kommende Einzelerwerb (hier der Erwerb durch den Bf.) im Verhältnis des einzelnen Erwerbers zu seinen Vertragspartnern als Grundstücksaustausch im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG anzusehen ist. Vertragspartner sind diejenigen, die die vom Bf. als Gegenleistung hingegebenen Grundstücke erhalten haben (d. h. hier nur die Frau G.). Soweit der Senat in den Urteilen II 58/50 S vom 15. November 1950 und II 182/56 U vom 8. Oktober 1958 eine abweichende Auffassung vertreten hat, wird daran nicht mehr festgehalten.
Eine Zuzahlung wurde weder vom Bf. noch von dem anderen Vertragspartner (d. h. der Frau G.) geleistet. Erörterungen darüber, ob infolge von Zuzahlungen nicht mehr von einem Tausch, sondern von einem Kauf gesprochen werden muß (vgl. das vorerwähnte Urteil des Senats II 182/56 U vom 8. Oktober 1958), sind somit nicht erforderlich.
Was den Erwerb der Parzelle 50/1 durch den Bf. betrifft, so kann unbedenklich angenommen werden, daß sich durch diesen Erwerb für den Bf. eine bessere Bewirtschaftung der ihm schon gehörenden landwirtschaftlichen Grundstücke (hier der Parzellen 19/1 und 20/1) ergab. Damit sind, soweit es sich um den Austausch der Parzelle 50/1 gegen die Parzellen 19/2 und 20/2 handelt, die Voraussetzungen der Steuervergünstigung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG objektiv erfüllt, auch wenn die andere Vertragspartei (d. h. die Frau G.) den Grundstücksaustausch nicht aus den im § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG angeführten, sondern, wie das Finanzamt geltend macht, aus nicht steuerbefreiten Gründen vorgenommen hat. Die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG ist nämlich nicht davon abhängig, daß der Tausch für beide Vertragsparteien eine bessere Bewirtschaftung land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke mit sich bringt. Es genügt bereits, daß der Austausch bei einer Partei (hier nur bei dem Bf.) eine bessere Bewirtschaftungsmöglichkeit zur Folge hatte. Siehe dazu das Urteil des Senats II 80/58 U vom 9. März 1960 (BStBl 1960 III S. 204, Slg. Bd. 70 S. 547).
Wie sich aus den Worten "zur" besseren Bewirtschaftung ergibt (siehe § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG), ist allerdings subjektiv erforderlich, daß die Vertragsparteien (d. h. der Bf. und die Frau G.) diesen Erfolg auch tatsächlich bezweckten. Was den Bf. angeht, so bedeutet dies aber nicht, daß die bessere Bewirtschaftung für ihn der ausschließliche Zweck des Grundstücksaustausches sein mußte. Verfolgte er zugleich andere Zwecke, so ist dies unschädlich, solange die bessere Bewirtschaftungsmöglichkeit für ihn der Hauptzweck des Grundstückstauschvertrages war. (Als andere - schädliche oder unschädliche - Zwecke kämen z. B. in Betracht: die Absicht, sich infolge von Zuzahlungen der anderen Tauschpartei Barmittel zu beschaffen oder das eingetauschte Grundstück zur Gewinnung von Kies, Ton, Lehm usw. zu verwenden).
Andererseits kann der abweichenden Auffassung des Finanzgerichts, daß der gesamte Tausch, damit die Steuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG angewendet werden kann, subjektiv unter der einheitlichen Zweckbestimmung (nämlich unter der ausschließlichen oder überwiegenden Zweckbestimmung beider Parteien, dem Bf. eine bessere Bewirtschaftung zu ermöglichen) gestanden haben müsse, nicht zugestimmt werden. Wäre diese Auffassung richtig, so wäre auf einem Umwege erreicht, daß die bezeichnete Steuerbefreiung weitgehend nicht anwendbar sein würde, auch wenn der Befreiungstatbestand objektiv gegeben wäre. Daß es nicht im Sinn der Befreiungsvorschrift liegen kann, die Anwendbarkeit dieser Steuerbefreiung - und damit die Steuerbefreiung bei privaten Flurbereinigungen - dadurch scheitern zu lassen, daß in subjektiver Hinsicht wesentlich höhere Anforderungen gestellt werden als in objektiver Hinsicht, liegt auf der Hand. Demnach wird die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nicht dadurch berührt, daß die andere Vertragspartei (d. h. die Frau G.) daneben die Tauschzwecke der anderen Partei ihrerseits als Nebenzweck mitverfolgte.
Wenn auch zu vermuten ist, daß die Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG, soweit es auf den Bf. ankommt, sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erfüllt ist, so bedarf die Angelegenheit dennoch weiterer Klärung. Diese Klärung wird zweckmäßig durch das Finanzgericht vorgenommen, zumal der Sachverhalt auch in anderer Hinsicht unklar geblieben ist.
Nach dem notariellen Vertrag vom 8. November 1955 erwarb der Bf. nicht nur die Parzelle 50/1, sondern auch die Parzelle 50/4. Wegen dieses Erwerbs wurde er gleichfalls zur Grunderwerbsteuer herangezogen, während er auch insoweit die Steuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG in Anspruch nimmt. Ermittlungen darüber, welcher besondere Sachverhalt eine solche Steuerbefreiung rechtfertigt, sind nicht angestellt worden. Aus den Akten ist nicht einmal ersichtlich, daß die an die Parzelle 50/4 angrenzenden Grundstücke dem Bf. gehören. Eine genaue Prüfung ist erforderlich.
Das angefochtene Urteil war somit aufzuheben und die nicht spruchreife Sache zur erneuten Prüfung und nochmaligen Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410348 |
BStBl III 1962, 134 |
BFHE 1962, 351 |
BFHE 74, 351 |