Leitsatz (amtlich)
Dem die Gesellschaft kapitalmäßig nicht beherrschenden geschäftsführenden Gesellschafter und dem einem solchen Gesellschafter auch aus anderen Gründen nicht gleichzuachtenden geschäftsführenden Gesellschafter kann eine Gehaltsnachzahlung mit steuerrechtlicher Wirkung bewilligt werden. Voraussetzung ist allein, daß die Nachzahlung ihre wirtschaftliche Grundlage in dem bereits abgelaufenen Geschäftsjahr hat und bereits am Bilanzstichtag zu erwarten war.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) hat ihrem alleinigen Geschäftsführer, der zugleich als Gesellschafter an ihrem Stammkapital mit 1/3 beteiligt ist, lt. Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 25. Januar 1965 für das Streitjahr (1963) eine Tantieme in Höhe von 6 000 DM bewilligt und zu Lasten des Betriebsergebnisses in Rückstellung gebucht. Da der zwischen der Steuerpflichtigen und ihrem Geschäftsführer geschlossene Anstellungsvertrag vom 8. November 1961 einen Anspruch auf eine solche Tantieme nicht vorsieht, sah der Revisionsbeklagte (FA) in der Zuwendung der 6 000 DM eine verdeckte Gewinnausschüttung.
Die gegen den Steuerbescheid vom 18. Juli 1967 gemäß § 45 FGO unmittelbar zum FG erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Ausgehend von den Grundsätzen des Urteils des BFH I R 91/66 vom 8. Januar 1969 (BFH 95, 215, BStBl II 1969, 347) sei im Streitjahr trotz Fehlens einer kapitalmäßigen Sicherstellung des beherrschenden Einflusses die Möglichkeit einer anderweitigen Begründung des beherrschenden Einflusses des geschäftsführenden Gesellschafters nicht auszuschließen. Ohne Rücksicht auf die Höhe ihrer Beteiligung am Stammkapital sei bei allen drei Gesellschaftern der Steuerpflichtigen ein gleichgerichtetes wirtschaftliches Interesse dahin vorhanden gewesen, mit der Steuerpflichtigen Geschäfte zu machen. Die überwiegende Zahl der von der Steuerpflichtigen zu vergebenden Aufträge sei an deren Gesellschafter gegangen, ein Umstand, der es dem geschäftsführenden Gesellschafter ermöglicht habe, nachträglich für sich einen über seinen Anstellungsvertrag hinausgehenden finanziellen Vorteil in der Gesellschafterversammlung durchzusetzen. Ohne Bedeutung sei, daß die Leistungen der Steuerpflichtigen, die sie ihren Gesellschaftern aus den mit diesen abgeschlossenen Anstellungs-, Architekten- und Bauverträgen zu erbringen gehabt habe, unbestritten den ihr erbrachten Leistungen angemessen gewesen seien.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Steuerpflichtigen mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Tantiemezahlung als Betriebsausgabe anzuerkennen. Daß die Steuerpflichtige bei Vorliegen gleichwertiger Angebote zu marktkonformen Preisen und Bedingungen den Zuschlag in erster Linie ihren Gesellschaftern erteile, liege in der Natur der Sache. Es bedürfe dazu keiner besonderen Honorierung des geschäftsführenden Gesellschafters, wie umgekehrt dieser Umstand den geschäftsführenden Gesellschafter auch nicht in den Stand versetze, einen beherrschenden Einfluß auf seine Mitgesellschafter auszuüben, deren Gleichberechtigung in der Gesellschafterversammlung durch den Gesellschaftsvertrag gewährleistet sei. Der das Rückwirkungsverbot bestimmende Gesichtspunkt möglicher nachträglicher Gewinnmanipulation scheide im Streitfall aus. Daß die Gesamtbezüge des geschäftsführenden Gesellschafters einschließlich der Tantieme seiner Arbeitsleistung angemessen seien, hätten weder das FA noch das FG in Abrede gestellt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweiten Festsetzung der Steuer.
1. Die Steuerpflichtige hat drei Gesellschafter. Ein Gesellschafter ist Architekt, ein Gesellschafter Bauunternehmer, ein Gesellschafter Geschäftsführer der Steuerpflichtigen. Beschlüsse werden nach dem Gesellschaftsvertrag mit 3/4-Mehrheit gefaßt, um - wie die Steuerpflichtige vor dem FG vorgetragen hat - jede Majorisierung eines der Gesellschafter auszuschließen. Der geschäftsführende Gesellschafter erhält nach dem mit ihm abgeschlossenen Dienstvertrag vom 8. November 1961 umsatzabhängige Bezüge ("1,3 v. H. von den Gesamtbauverkaufspreisen der erstellten Wohnhausbauten"). Die Zahlung einer Tantieme ist nicht vereinbart.
2. Um die Rechtsgrundlage einer rechtswirksamen und auch steuerrechtlich beachtlichen Tantiemezahlung zu schaffen, bedarf es nicht in jedem Falle der Vereinbarung der Tantiemezahlung im Anstellungsvertrag mit dem geschäftsführenden Gesellschafter, wenngleich dies auch die Regel ist (dazu analoge Anwendung der Vorschriften des § 77 AktG 1937, jetzt § 86 AktG 1965). Die Zahlung kann auch von Jahr zu Jahr nachträglich, d. h. bei der Beschlußfassung über den Jahresabschluß beschlossen werden (§ 46 Nr. 1 GmbHG). Welche zivilen Rechte sich bei diesem Verfahren für den Geschäftsführer in Ansehung späterer Jahre ergeben, ist im Streitfalle ohne Bedeutung. Steuerrechtlich bestehen - auch in Ansehung des BFH-Urteils I 91/54 U vom 28. September 1954 (BFH 59, 341, BStBl III 1954, 343) - gegen die Anerkennung der Rückstellung keine Bedenken, da dem geschäftsführenden Gesellschafter bereits im Jahre 1963 für das Jahr 1962 ebenfalls eine Tantieme bewilligt worden war.
3. Wie das vom FG angezogene BFH-Urteil I R 91/66 (a. a. O.) deutlich macht, bedarf es für die Anwendung des Rückwirkungsverbots in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der begünstigte Gesellschafter mit 50 v. H. oder weniger am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt ist, des Hinzutretens besonderer Umstände, um seine Stellung der eines die Gesellschaft kapitalmäßig beherrschenden Gesellschafters gleichgeartet erscheinen zu lassen. An solchen Umständen fehlt es hier. Allein die Tatsache, daß eine Beschlußfassung in der Gesellschafterversammlung nur mit 3/4 der Stimmen, d. h. praktisch einstimmig, möglich ist, solange die Steuerpflichtige nur drei Gesellschafter hat, schließt eine Beherrschung der Gesellschaft durch den geschäftsführenden Gesellschafter aus. Beschließen die Gesellschafter in Anbetracht der günstigen Entwicklung des Unternehmens, dem die Gesellschaft nicht beherrschenden geschäftsführenden Gesellschafter für seine Verdienste um die Gesellschaft eine Tantieme zu gewähren, deren Höhe zusammen mit seinen vertragsmäßigen Bezügen die Grenze der Angemessenheit nicht überschreitet, kommt das Rückwirkungsverbot nicht zum Zuge. Ein dem Fall des BFH-Urteils I 178/63 U vom 10. November 1965 (BFH 84, 202, BStBl III 1966, 73) vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 69456 |
BStBl II 1971, 463 |
BFHE 1971, 47 |