Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff "vorweggenommene Werbungskosten".
Unkosten, die dadurch entstanden sind, daß der Bau eines Mietwohnhauses zwar geplant, aber nicht verwirklicht worden ist, sind keine vorweggenommenen Werbungskosten bei der Einkunftsart
Normenkette
EStG §§ 9, 21
Tatbestand
Die beschwerdeführenden Ehegatten (Bf.) wollten im Jahre 1959 ein größeres Mietwohnhaus bauen. Der Plan wurde jedoch nicht verwirklicht, weil die Stadt ihnen das gewünschte Grundstück - entgegen ihrer Zusage - nicht überließ. Der gegen die Stadt angestrengte Prozeß endete mit einem Vergleich, in dem sich die Stadt zu einer Schadensersatzzahlung von 6000 DM verpflichtete.
In ihrer Einkommensteuererklärung 1959 setzten die Bf. als Werbungskosten aus "Vermietung und Verpachtung" 9238 DM an, die sie für Architektenhonorar und Prozeßkosten ausgegeben hatten. Das Finanzamt berücksichtigte diese Aufwendungen nicht. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht teilte zwar nicht die Ansicht des Finanzamts, die Aufwendungen stünden nicht mit einer Einkunftsart in einem ausreichenden Zusammenhang. Es stimmte vielmehr den Bf. darin zu, daß ein ausreichender Zusammenhang zu den (künftigen) Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dargelegt sei. Es berücksichtigte aber die Aufwendungen gleichwohl nicht, weil die Aufwendungen, wenn es zu dem beabsichtigten Bau des Mietwohnhauses gekommen wäre, Herstellungskosten gewesen wären und dann nicht sofort, sondern gemäß § 7 EStG nur im Rahmen der Absetzung für Abnutzung (AfA) hätten abgesetzt werden können.
Mit ihrer Rb. rügen die Bf. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Sie halten weiterhin die Aufwendungen für Werbungskosten. Selbst wenn man die Aufwendungen zu den Herstellungskosten des Gebäudes rechne, könnte die vom Finanzgericht gezogene Folgerung doch nur für den Fall gelten, daß das Haus auch tatsächlich errichtet worden wäre.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Wie der Senat bereits in den Urteilen VI 137/59 U vom 30. September 1960 (BStBl 1960 III S. 489, Slg. Bd. 71 S. 643) und VI 196/60 U vom 3. November 1961 (BStBl 1962 III S. 123, Slg. Bd. 74 S. 319) entschieden hat, können zwar Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgesetzt werden, auch bevor entsprechende Einnahmen erzielt werden (vorweggenommene Betriebsausgaben oder Werbungskosten). Das gilt auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Voraussetzung ist aber, daß zwischen den Aufwendungen und den erwarteten späteren Einnahmen ein ausreichend bestimmter Zusammenhang besteht. Wie das EStG nur solche Einnahmen erfaßt, die unter eine der gesetzlich festgelegten Einkunftsarten fallen, so können umgekehrt auch nur solche Aufwendungen einkommensteuerlich abgesetzt werden, deren Beziehung zu den Einkunftsarten des EStG außer Frage steht.
Die Feststellung, ob eine derartige Beziehung besteht, ist in aller Regel nicht schwierig, wenn die Erwartungen des Steuerpflichtigen in Erfüllung gehen, es also später tatsächlich zu entsprechenden Einkünften kommt. Objektive Gegebenheiten zeigen dann eindeutig und klar den Zusammenhang. Anders liegt es dagegen, wenn Aufwendungen im Stadium der Planung angefallen, die Pläne aber später nicht verwirklicht worden sind. Weil im Stadium der überlegung und Planung zunächst noch alle Möglichkeiten offen sind, müssen an den Nachweis des Zusammenhangs strenge Anforderungen gestellt werden.
Selbst wenn nur eine Einkunftsart in Betracht kommt, genügt es nicht, daß der Steuerpflichtige bei Aufwendungen an diese Einkunftsart gedacht oder auf sie abgezielt hat. Wer etwa die Absicht hat, sich bei passender Gelegenheit an einem Unternehmen als Kommanditist zu beteiligen und sich, um sicher zu gehen, von einem Rechtsanwalt über die Rechts und Pflichten eines Kommanditisten aufklären läßt, kann das Honorar für die Beratung nicht schon jetzt als Betriebsausgabe geltend machen. Wenngleich hier offenbar an eine bestimmte Einkunftsart gedacht ist, so fehlt es doch an einer ausreichenden Konkretisierung der Absicht. Wenn eine Erkundigung dieser Art auch der Vorbereitung für eine später tatsächlich aufgenommene Tätigkeit dient, so fehlt doch, so lange alles offen ist, ein eindeutiger Zusammenhang mit einer Einkunftsart des EStG.
Bei Aufwendungen der hier streitigen Art ist ein Weiteres zu beachten. Wie das Finanzgericht mit Recht ausführt, würde das Architektenhonorar, wenn es zum Bau des geplanten Hauses gekommen wäre, zu den Herstellungskosten zu rechnen gewesen sein und wäre daher gemäß § 7 EStG nur im Rahmen der AfA berücksichtigt worden. Werbungskosten sind gemäß § 9 EStG nur die Aufwendungen für den Erwerb, die Erhaltung und die Sicherung der Einnahmen. Man muß zwischen den Aufwendungen, die diesem Zweck dienen, und den Aufwendungen, die das Vermögen betreffen, unterscheiden. Auch die Aufwendungen, die das Vermögen betreffen, können zwar in bestimmtem Umfang - man denke etwa an die Zinsen, die für ein Baudarlehen gezahlt werden, oder an die Herstellungs- oder Anschaffungskosten im Rahmen der AfA - auch Werbungskosten sein. Ob dies der Fall ist, ergibt sich aber immer erst durch den entsprechenden Einsatz des Vermögens, hier also durch Vermietung und Verpachtung des Hauses. Bis zu dieser Zeit und solange im Stadium der Planung oder der Errichtung des Hauses noch offen steht, ob das Haus wirklich einmal vermietet oder z. B. vorher schon verkauft wird, liegen die Aufwendungen im privaten Vermögensbereich, in dem wertmäßige Veränderungen das Einkommen weder erhöhen noch vermindern. Mit anderen Worten: Solange Aufwendungen noch auf die Schaffung des später einzusetzenden und dann zu Einkünften führenden Vermögenswerts gerichtet sind und die Art des späteren Einsatzes dieses Vermögens - wenn auch vielleicht nicht in der Vorstellung des Steuerpflichtigen, wohl aber nach den tatsächlichen Möglichkeiten - noch offen ist, sind Werbungskosten in der Regel nicht anzunehmen.
Ob diese Grundsätze uneingeschränkt auch bei den Einkunftsarten gelten, für die der Begriff "Betriebsausgaben" im Sinne von § 4 Abs. 4 EStG maßgebend ist, kann dahingestellt bleiben. Denn im Streitfall kommen, wenn überhaupt, nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Frage. Hier sind aber die streitigen Beträge - und zwar sowohl das Architektenhonorar als auch die Prozeßkosten - jedenfalls keine Werbungskosten im Sinne von § 9 EStG, sondern in den Vermögensbereich fallende Ausgaben, die das Einkommen nicht mindern können.
Fundstellen
Haufe-Index 411225 |
BStBl III 1964, 383 |
BFHE 1964, 415 |
BFHE 79, 415 |
BB 1964, 747 |
DB 1964, 940 |