Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine gleitende Vermögensübergabe bei Verzicht auf den Vorbehaltsnießbrauch ohne Versorgungsleistung
Leitsatz (NV)
1. Eine gleitende Vermögensübergabe setzt voraus, dass dem Verzicht auf das zunächst vorbehaltene Nießbrauchsrecht die Verpflichtung des Vermögensübernehmers gegenüber steht, dem Vermögensübergeber Versorgungsleistungen zu erbringen.
2. Wird der Vorbehaltsnießbrauch aufgegeben, ohne dass sich im Gegenzug der Vermögensübernehmer zu Versorgungsleistungen verpflichtet, so bleibt die spätere Vereinbarung von Versorgungsleistungen ohne steuerliche Wirkung.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a; AO 1977 § 38
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Mit notariellem Vertrag hatte der Kläger von seiner Mutter im Juli 1994 schenkweise u.a. verschiedene Grundstücke erworben, an denen die Mutter sich auf die Dauer ihres Lebens das unentgeltliche Nießbrauchsrecht vorbehalten hatte. Aus einem mit einer Lagerhalle bebauten Grundstück 1 bezog die Mutter jährliche Mieteinnahmen von 9 600 DM; ein weiteres Grundstück nutzte sie zu eigenen Wohnzwecken. Im Oktober 1998 veräußerte der Kläger u.a. zwei der vorgenannten Grundstücke --darunter das Grundstück 1-- zu einem Gesamtkaufpreis von 664 644 DM an die Gemeinde B. Das daran bestehende Nießbrauchsrecht wurde gelöscht. In einer notariellen Vereinbarung vom März 1999 verpflichtete sich der Kläger, seiner Mutter beginnend mit dem 1. Februar 1999 eine lebenslängliche Zahlung von monatlich 800 DM zu gewähren. Die Rente sollte zur Versorgung der Mutter dienen und war deshalb wertgesichert. In einer Vorbemerkung zu der Vereinbarung wurde auf das frühere Nießbrauchsrecht der Mutter und auf dessen Löschung im Zuge der Veräußerung des Grundstücks hingewiesen; zugleich wurde ausgeführt, dass die Vereinbarung als "Ausgleich für die Löschung des Nießbrauchsrechts" geschlossen werde.
Im Jahre 1999 erwarben die Kläger ein unbebautes Grundstück auf Fuerteventura, das sie in der Folgezeit mit einem Ferienhaus bebauten. Das Objekt verfügt über eine Wohnfläche von 196 qm und soll der Eigennutzung und Vermietung dienen. Das Gebäude wurde erst im Jahre 2003 behördlicherseits für die Bewohnung freigegeben. Bis zur Entscheidung des Finanzgerichts (FG) war das Haus lediglich im Januar und Februar 2004 vermietet worden.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger Zahlungen in Höhe von 8 800 DM als dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte diese Zahlungen im Einkommensteuerbescheid für 1999 nicht, weil das betreffende nießbrauchsbelastete Grundstück bereits 1998 veräußert worden sei. Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.
Im Klageverfahren haben die Kläger vorgetragen, das übertragene Grundstück 1 sei eine "existenzsichernde Wirtschaftseinheit" im Sinne der Rechtsprechung gewesen. Mit der Ablösung des Nießbrauchs und der "gleichzeitigen" Übernahme der Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen sei ein weiterer Schritt zur endgültigen Vermögensübergabe vollzogen worden. Der erforderliche sachliche Zusammenhang zwischen den wiederkehrenden Leistungen und der Vermögensübergabe sei gegeben, weil der erzielte Kaufpreis zum Teil zum Erwerb von Wertpapieren und im Übrigen für die Anschaffung eines teilweise Vermietungszwecken dienenden Ferienhauses in Spanien verwandt worden sei.
Das FG hat die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 691 veröffentlichten Urteil abgewiesen.
Mit der Revision machen die Kläger die Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG geltend. Insbesondere habe das FG nicht ausreichend gewürdigt, dass der Kläger das Grundstück auf "Drängen" der am Ankauf interessierten Gemeinde verkauft habe.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin gehend zu ändern, dass die streitigen Zahlungen als dauernde Last berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision wird gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hat im Ergebnis zutreffend die Abziehbarkeit der Rentenzahlungen verneint. Diese sind keine dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG, sondern nach § 12 EStG nicht abziehbare Unterhaltszahlungen. Dabei braucht nicht mit dem FG darauf abgestellt zu werden, dass im Übergabevertrag weder die Veräußerung des übertragenen Grundstücks vorgesehen noch eine Vereinbarung über die Verwendung des Veräußerungserlöses getroffen war.
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Wegen der dogmatischen Grundlagen der von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze wird auf den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847), auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 13. September 2000 X R 147/96 (BFHE 193, 121, BStBl II 2001, 175), die Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 12. Mai 2003 GrS 1/00 (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) und GrS 2/00 (BFHE 202, 477, BStBl II 2004, 100) sowie auf die hierzu ergangene Folgerechtsprechung verwiesen (z.B. Senatsurteil vom 16. Juni 2004 X R 22/99, BFHE 206, 400, BStBl II 2004, 1053).
Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 ist für die Abziehbarkeit der dauernden Last die normleitende Vorstellung maßgeblich, dass der Übergeber "das Vermögen --ähnlich wie beim Nießbrauchsvorbehalt-- ohne die vorbehaltenen Erträge, die ihm nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat". Die Vermögensübergabe muss sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen --obwohl sie von ihm erwirtschaftet werden müssen-- als zuvor vom Übergeber vorbehaltene --abgespaltene-- Nettoerträge vorstellbar sind. Dies ist für die Abziehbarkeit --und materiell-rechtlich korrespondierend für die Steuerbarkeit-- der privaten Versorgungsrente konstituierend (Senatsurteil vom 31. März 2004 X R 66/98, BFHE 205, 285, BStBl II 2004, 830).
2. Als Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen wird von der Rechtsprechung auch anerkannt, wenn ein anlässlich der Übergabe von Vermögen zur Vorwegnahme der Erbfolge zugunsten des Übergebers und/oder seines Ehegatten vorbehaltenes Nutzungsrecht zu einem späteren Zeitpunkt gegen wiederkehrende Versorgungsleistungen auf die Lebenszeit des Berechtigten mit der Folge abgelöst wird, dass sich der bisherige Ertragsvorbehalt fortsetzt und an die Stelle des vorbehaltenen Nießbrauchs die private Versorgungsrente tritt (z.B. Senatsurteile vom 3. Juni 1992 X R 147/88, BFHE 169, 127, BStBl II 1993, 98; vom 16. Juni 2004 X R 50/01, BFHE 207, 114, BStBl II 2005, 130, und vom 31. Mai 2005 X R 26/04, BFH/NV 2005, 1789). Es handelt sich dann um eine gleitende Vermögensübergabe, bei der die Versorgungsrente das ursprünglich vereinbarte Nutzungsrecht ersetzt (Senatsurteile in BFHE 169, 127, BStBl II 1993, 98, und vom 3. Juni 1992 X R 14/89, BFHE 169, 25, BStBl II 1993, 23).
3. Unverzichtbare Voraussetzung für eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist der sachliche Zusammenhang zwischen der Übergabe von Vermögen einerseits und der Verpflichtung zum Erbringen von Versorgungsleistungen andererseits (Senatsurteile in BFHE 207, 114, BStBl II 2005, 130, und BFH/NV 2005, 1789). Dieser sachliche Zusammenhang wird dann nicht unterbrochen, wenn sich der Übergeber zunächst den Nießbrauch an dem übertragenen Vermögen vorbehalten hat und der Nießbrauch aufgrund eines später gefassten Entschlusses durch wiederkehrende Leistungen ersetzt wird (Senatsurteile in BFHE 169, 127, BStBl II 1993, 98, und vom 25. November 1992 X R 148/90, BFH/NV 1993, 586).
Daran fehlt es im Streitfall.
a) Die Mutter des Klägers hatte ihm im Juli 1994 Vermögen übergeben. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger keine Verpflichtung übernehmen müssen, von ihm erzielte Einkünfte als Versorgungsleistungen zu erbringen, weil sich die Mutter das Erwirtschaften der Erträge des Vermögens durch das Nießbrauchsrecht vorbehalten hatte.
b) Die im März 1999 vereinbarte Verpflichtung des Klägers zur Zahlung einer Rente steht in keinem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe von Vermögen. Das Nießbrauchsrecht, dessen Verzicht zugunsten des Vermögensübernehmers dann der Übergabe von Vermögen gegen Versorgungsleistungen gleichsteht, wenn sich im Gegenzug der Vermögensübernehmer zu Versorgungsleistungen verpflichtet --weil sich in den Versorgungsleistungen der Vorbehalt der Erträge fortsetzt--, war von der Mutter bereits im Oktober 1998 ohne die im Gegenzug ausbedungene Verpflichtung des Klägers zu wiederkehrenden Leistungen aufgegeben und im Grundbuch gelöscht worden. Es konnte demnach nicht mehr Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein.
c) Somit wurde das Nießbrauchsrecht --anders als für die Wahrung des sachlichen Zusammenhangs erforderlich-- nicht durch die Verpflichtung zu Rentenzahlungen ersetzt. Mit seiner im Oktober 1998 vorgenommenen Aufhebung ohne die Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen war einer gleitenden Vermögensübergabe der Boden entzogen worden. Darauf hatte das FA bereits im Klageverfahren und zuletzt in der Revisionserwiderung hingewiesen, ohne dass sich die Kläger dazu geäußert haben.
4. Infolgedessen hat die vom Kläger im Vertrag vom 24. März 1999 eingegangene Verpflichtung zu nach Maßgabe des § 12 EStG nicht abziehbaren Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG) geführt. Unter dieses Abzugsverbot fallen auch Renten und dauernde Lasten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG), soweit diese --wie hier-- außerhalb der für die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen geltenden Sonderregelung Unterhaltsleistungen oder Leistungen aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht sind (Senatsurteile vom 27. Februar 1992 X R 139/88, BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612; in BFHE 169, 25, BStBl II 1993, 23, und vom 25. November 1992 X R 34/89, BFHE 170, 76, BStBl II 1996, 663).
5. Mit der Vereinbarung vom 24. März 1999 konnte ein sachlicher Zusammenhang von Vermögensübergabe und Rentenverpflichtung nicht hergestellt werden, und zwar ungeachtet des dieser Vereinbarung vorangestellten Hinweises auf das frühere Nießbrauchsrecht. Der durch die Aufgabe des Nießbrauchs im Oktober 1998 verwirklichte Sachverhalt kann nicht mit steuerlicher Wirkung rückwirkend umgestaltet werden (vgl. § 38 der Abgabenordnung --AO 1977--; BFH-Urteile vom 20. September 1999 III R 33/97, BFHE 190, 266, BStBl II 2000, 208, und vom 18. September 1984 VIII R 119/81, BFHE 142, 130, BStBl II 1985, 55). Einem etwaigen Drängen der am Kauf des Grundstücks interessierten Gemeinde kann in diesem Zusammenhang keinerlei Bedeutung beigemessen werden. Der Kläger war in seiner Entscheidung über den Verkauf und insbesondere über die weitere Gestaltung der Rechtsbeziehungen zu seiner Mutter frei.
Fundstellen
Haufe-Index 1554002 |
BFH/NV 2006, 1824 |
HFR 2006, 1100 |