Entscheidungsstichwort (Thema)
InvZul für infolge der Übertragung der Akkumulationsrücklage "geringwertigen Wirtschaftsgüter"
Leitsatz (amtlich)
Sinken die Anschaffungs-/Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts durch die ertragsteuerrechtlich zwingend vorgeschriebene Übertragung der sog. Akkumulationsrücklage auf 800 DM oder weniger herab, so entsteht jedenfalls investitionszulagenrechtlich kein von der Zulagengewährung ausgeschlossenes geringwertiges Wirtschaftsgut.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 2, § 58 Abs. 2 S. 3; InvZulG 1991 § 2 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Dok.-Nr. 0144448; EFG 1997, 1538) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt als Ofensetzer und Fliesenleger ein Einzelunternehmen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gewährte dem Kläger mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenem Bescheid vom 20. Juli 1992 zunächst antragsgemäß für eine 1991 angeschaffte Steintrennmaschine zu Anschaffungskosten in Höhe von 2 615,12 DM eine Investitionszulage in Höhe von 12 v.H. (= 314 DM). Mit gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändertem, endgültigem Bescheid vom 3. Juli 1996 setzte das FA die Investitionszulage auf 0 DM herab und forderte die gewährte Investitionszulage, zuzüglich Zinsen in Höhe von 72 DM, unter Hinweis auf R 40 (6) der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) und das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 12. März 1992 (BStBl I, 192) zurück. Dabei ging das FA davon aus, daß es sich bei dem angeschafften Wirtschaftsgut infolge der Übertragung der sog. Akkumulationsrücklage gemäß § 58 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) um ein nach § 2 Satz 2 Nr. 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1991 nicht mehr zulagenbegünstigtes geringwertiges Wirtschaftsgut handele.
Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 10. September 1996) und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 1538 veröffentlichen Urteil zur Begründung im wesentlichen aus: Die Übertragung der Akkumulationsrücklage auf das Wirtschaftsgut habe zu nur noch unter 800 DM liegenden Anschaffungskosten und damit zur Einordnung als geringwertiges Wirtschaftsgut geführt. Aus der Bezugnahme in § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1991 auf die Voraussetzungen eines geringwertigen Wirtschaftsgutes in § 6 Abs. 2 EStG und aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (vgl. BFH-Urteile vom 22. April 1988 III R 54/83, BFHE 154, 54, BStBl II 1988, 901, zu § 4b InvZulG 1975, und vom 11. April 1989 VIII R 302/84, BFHE 157, 275, BStBl II 1989, 697, zu § 14 des Berlinförderungsgesetzes --BerlinFG--) folge, daß der Begriff der Anschaffungskosten investitionszulagenrechtlich und einkommensteuerrechtlich nach denselben Grundsätzen auszulegen sei. Er sei wirtschaftlich zu verstehen und umfasse die Aufwendungen, die der Steuerpflichtige tätigen müsse, um die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über ein Wirtschaftsgut zu erlangen. Anders als im Handelsrecht (vgl. Beck'scher Bilanz-Kommentar 1996, § 254 HGB Anm. 25; Adler/Dürig/Schmalz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., 1995, § 254 HGB Anm. 42, § 255 HGB Anm. 69) mindere ertragsteuerlich die Übertragung von Rücklagen (Rücklage für Ersatzbeschaffung, vgl. Abschn. 35 EStR, und Rücklage nach § 6b EStG) die Anschaffungskosten (BFH-Urteil in BFHE 157, 275, BStBl II 1989, 697; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., § 5 Rz. 510; Werndl in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 6 B 136). Sänken die Anschaffungskosten von Wirtschaftsgütern durch die Übertragung einer Rücklage auf unter 800 DM, so lägen geringwertige Wirtschaftsgüter vor (vgl. Blümich/Ehmcke, Einkommensteuergesetz, § 6 Rz. 329).
Für die Übertragung der Akkumulationsrücklage gelte nichts anderes. Dafür spreche vor allem die Vergleichbarkeit dieser Rücklage mit der Rücklage für Ersatzbeschaffung und jener nach § 6b EStG. Letztere bezwecke, eine sofortige Gewinnverwirklichung zu vermeiden und notwendige Ersatzbeschaffungen ohne weitergehende Beeinträchtigung der Liquidität zu ermöglichen. Die Akkumulationsrücklage nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zur Änderung der Rechtsvorschriften über die Einkommen-, Körperschaft- und Vermögensteuer vom 6. März 1990 --StÄndG DDR-- (Gesetzblatt --GBl-- DDR I, 1990, 136) verfolge dieselben Zwecke. Es handele sich ebenfalls um eine steuerfreie bzw. steuerstundende Rücklage. Sie habe durch eine "Sofortabschreibung" Anreize für kurzfristig vorzunehmende Investitionen in den neuen Bundesländern schaffen sollen (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 1994 XI R 10/93, BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813). Durch Übertragung der Rücklage auf die Anschaffungskosten eines nach Bildung der Akkumulationsrücklage erworbenen Wirtschaftsgutes könne in der Folgezeit aufgrund der gekürzten Bemessungsgrundlage nur noch in geringerer Höhe abgeschrieben werden. Es entstünden entsprechend höhere Gewinne bzw. niedrigere Verluste. § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1991 bezwecke ferner, eine doppelte Begünstigung in Form einer Sofortabschreibung nach § 6 Abs. 2 EStG und durch Gewährung einer Investitionszulage zu vermeiden (vgl. Söffing in Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 2 InvZulG 1993 Rz. 58; BFH-Urteile vom 26. November 1976 III R 125/74, BFHE 121, 15, BStBl II 1977, 246, und vom 9. März 1967 IV R 149/66, BFHE 87, 589, BStBl III 1967, 238, zu § 19 BerlinFG).
Die Regelungen in Tz. 11 des Schreibens des BMF vom 12. März 1992 (BStBl I, 192), wonach sich die Übertragung der Akkumulationsrücklage nicht auf die investitionszulagenrechtliche Bemessungsgrundlage auswirke, sowie im BMF-Schreiben vom 28. August 1991 (BStBl I 1991, 768 Tz. 66), betreffend Rücklagen nach § 6b EStG und nach Abschn. 35 EStR, seien im Streitfall nicht anwendbar. Diese Regelungen beträfen nämlich nicht die hier zu beurteilende Rechtsfrage, ob durch die Übertragung der Rücklagen ein geringwertiges Wirtschaftsgut entstehe. Würde man gleichwohl diese Regelungen anwenden, sei das FG jedenfalls an derartige norminterpretierende Verwaltungsvorschriften nicht gebunden (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 4 AO 1977 Tz. 36; Klein, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 4 Bem. 5 e). Der Kläger könne schließlich auch nicht eine dem BMF-Schreiben entsprechende Begünstigung aus Gründen der Gleichbehandlung beanspruchen. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht bestehe nämlich grundsätzlich nicht (vgl. Klein, a.a.O., § 4 Bem. 5 f.). Ein zugunsten des Klägers eingreifender besonderer Vertrauenstatbestand sei nicht ersichtlich.
Mit der --vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zugelassenen-- Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1991). Zu den Anschaffungskosten gehörten wirtschaftlich alle Aufwendungen, die zur Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über ein bestimmtes Wirtschaftsgut gemacht würden (BFH-Urteil in BFHE 154, 54, BStBl II 1988, 901). Dementsprechend minderten Preisnachlässe, Rabatte, Skonti u.ä. die Anschaffungskosten (so auch Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22. August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672). Hingegen stelle die Übertragung der Akkumulationsrücklage lediglich einen buchungstechnischen Vorgang dar. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, daß insoweit dem Steuerpflichtigen auch kein Wahlrecht wie im Falle der Rücklage nach § 6b EStG zustehe. Der Gesetzgeber habe im Rahmen des Aufbaus der neuen Bundesländer bewußt eine steuerliche Doppelförderung in Kauf genommen, so auch Tz. 11 des BMF-Schreibens vom 12. März 1992 (BStBl I 1992, 192). Unstreitig könne für Wirtschaftsgüter sowohl eine Investitionszulage als auch eine Sonderabschreibung gewährt werden, z.B. könnten Wirtschaftsgüter mit einer nur zweijährigen Nutzungsdauer bereits im ersten Jahr nach § 7 Abs. 1 EStG i.V.m. dem Fördergebietsgesetz voll abgeschrieben werden. Gleichwohl werde für derartige Wirtschaftsgüter auch eine Investitionszulage gewährt. Die Gewährung einer Investitionszulage für kurzlebige, innerhalb eines Jahres abschreibungsfähige Wirtschaftsgüter habe der BFH im Urteil vom 6. Oktober 1995 III R 101/93 (BFHE 179, 522, BStBl II 1996, 166) ausdrücklich anerkannt.
Der BMF habe in seinem Schreiben vom 12. März 1992 die vom Gesetzgeber gewünschte Doppelförderung dadurch bestätigt, daß er die Akkumulationsrücklage im Rahmen der Investitionszulage außer Betracht lasse. Es erscheine unlogisch, wenn das FA gerade im Streitfall seine Bindung an das BMF-Schreiben verneine. Natürlich seien die Gerichte insoweit nicht gebunden. Die Anweisung des BMF stehe überdies im Einklang mit dem InvZulG. Der BMF sei nämlich davon ausgegangen, daß sich die Übertragung der Akkumulationsrücklage nicht auf die Bemessungsgrundlage des betreffenden Wirtschaftsgutes auswirke. Im Streitfall sei zudem gar keine Doppelförderung erfolgt. Der Kläger habe das Wirtschaftsgut wegen der Übertragung der Akkumulationsrücklage in der Bilanz mit 0 DM angesetzt, so daß insoweit weder eine Abschreibung noch eine Sofort-Abschreibung in Anspruch genommen worden sei.
Unbestritten dürften für geringwertige Wirtschaftsgüter keine Investitionszulagen gewährt werden (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juli 1989 III R 89/85, BFHE 158, 280, BStBl II 1989, 906, und vom 16. Dezember 1988 III R 186/83, BFHE 155, 450, BStBl II 1989, 203). Der BFH habe jedoch diesen auch § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1991 zugrundeliegenden Grundsatz jeweils nur insoweit gelten lassen wollen, als sich nicht aus dem Sinn und Zweck des Investitionszulagenrechts etwas anderes ergebe. Weder § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1991 noch § 6 Abs. 2 EStG regelten indes, ob überhaupt durch die Übertragung der Akkumulationsrücklage ein geringwertiges Wirtschaftsgut entstehe. Auszugehen sei insoweit von Sinn und Zweck sowie der Bedeutung des Investitionszulagenrechts (vgl. BFH-Urteile in BFHE 158, 280, BStBl II 1989, 906, und in BFHE 155, 450, BStBl II 1989, 203). Sinn und Zweck des EStG einerseits und des InvZulG andererseits unterschieden sich grundlegend. Das InvZulG 1991 habe, ähnlich wie schon das InvZulG 1975, die Wirtschaft ankurbeln, die Investitionen fördern und die Arbeitsplätze bzw. Unternehmen in den neuen Bundesländern sichern sollen. Um das Gesetz handhaben zu können, habe der Gesetzgeber die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter wie in § 6 Abs. 2 EStG festgelegt. Des weiteren könne bei der wirtschaftlichen Beurteilung des Streitfalles die vom BFH in seinem Urteil vom 13. April 1988 I R 104/86 (BFHE 153, 340, BStBl II 1988, 892) entwickelte Teilwertvermutung berücksichtigt werden. Ein fremder Erwerber des Betriebes hätte 1991 sehr wohl annähernd das vom Kläger für die Anschaffung der Steintrennmaschine entrichtete Entgelt angesetzt und nicht die in der Bilanz mit 0 DM berücksichtigten Anschaffungskosten. Auch habe der Kläger im Zeitpunkt der Entrichtung des Kaufpreises den Zweck des InvZulG voll verwirklicht. In Übereinstimmung mit Selder in Blümich (a.a.O., InvZulG 1996 § 2 Rz. 68 und § 4 Rz. 6) sowie Friele (Deutschland Ost spezial 1996, Nr. 23, S. 1) sei ein zulagenbegünstigtes Wirtschaftsgut anzunehmen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und den Änderungsbescheid vom 3. Juli 1996 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 10. September 1996 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und der Klage in vollem Umfang stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat den Anspruch des Klägers auf Investitionszulage auf die Anschaffungskosten der Steintrennmaschine nach § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1991 i.V.m. § 6 Abs. 2 EStG zu Unrecht allein deshalb verneint, weil nach der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Übertragung der Akkumulationsrücklage die Mindestgrenze der Anschaffungskosten von mehr als 800 DM unterschritten und deshalb nicht nur ertragsteuerlich, sondern auch investitionszulagenrechtlich ein nichtzulagenfähiges geringwertiges Wirtschaftsgut anzunehmen sei.
Unbeschadet der ertragsteuerlichen Auswirkungen der Übertragung dieser Rücklage auch mit der Möglichkeit der einkommensteuerrechtlichen Qualifizierung eines Wirtschaftsgutes als geringwertiges Wirtschaftsgut i.S. von § 6 Abs. 2 EStG, ist eine solche Zuordnung im Anwendungsbereich des Investitionszulagenrechts nach Sinn und Zweck des InvZulG 1991 nicht entsprechend vorzunehmen.
1. a) Nach § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1991 sind Investitionen nach Maßgabe des Satzes 1 dieser Vorschrift nicht begünstigt, wenn es sich bei dem angeschafften Wirtschaftsgut um ein geringwertiges Wirtschaftsgut i.S. des § 6 Abs. 2 EStG handelt. In der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist der Begriff des geringwertigen Wirtschaftsgutes im Investitionszulagenrecht bisher als "gleichbedeutend" mit dem einkommensteuerrechtlichen Begriff angesehen worden (vgl. zuletzt Urteile vom 21. Juli 1998 III R 110/95, BFHE 186, 572, BStBl II 1998, 789, zu § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1991; vom 15. März 1991 III R 57/86, BFHE 164, 324, BStBl II 1991, 682, zu § 19 Abs. 2 Satz 3 BerlinFG; ferner zum gesetzgeberischen Zweck, eine Doppelbegünstigung durch eine Investitionszulage einerseits und eine Sofortabschreibung nach § 6 Abs. 2 EStG andererseits zu vermeiden BFH-Urteil in BFHE 179, 522, BStBl II 1996, 166, zu § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1991 unter Ziff. II. 1. b aa der Gründe, m.w.N.). Geringwertige Wirtschaftsgüter sind danach Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, sofern die Anschaffungs- oder Herstellungskosten (vermindert um einen darin enthaltenen Vorsteuerbetrag) 800 DM nicht übersteigen (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Die Verweisung auf § 6 Abs. 2 EStG schließt es aus, Wirtschaftsgüter, die ihrer Art nach unmittelbar und originär als geringwertige Wirtschaftsgüter i.S. von § 6 Abs. 2 EStG zu qualifizieren sind, im Anwendungsbereich des Investitionszulagenrechts abweichend zu beurteilen. § 6 Abs. 2 EStG enthält indes keine ausdrückliche Regelung darüber, wie in den Fällen der Rücklagenübertragung die Wirtschaftsgüter ertragsteuerlich und erst recht zulagenrechtlich zu behandeln sind, deren tatsächliche Anschaffungs-/Herstellungskosten die Mindestgrenze von mehr als 800 DM an sich übersteigen, jedoch infolge der Übertragung der Rücklage auf einen rechnerisch darunter liegenden Betrag herabgemindert worden sind.
Insoweit ist --ähnlich wie bei der Auslegung und Anwendung fest umrissener ertragsteuerlicher Begriffe-- im Zweifel der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einer Gewährung der Investitionszulage führt (vgl. hierzu z.B. die Rechtsprechung des Senats zu Fällen der Betriebsaufspaltung; zuletzt in den Urteilen vom 10. Dezember 1998 III R 50/95, BFHE 188, 176, und vom 28. Januar 1999 III R 77/96, BFHE 188, 194, BStBl II 1999, 610). Das bedeutet hier, daß § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1991 entsprechend Sinn und Zweck des Fördergesetzes eigenständig und gegenüber dem Einkommensteuerrecht einschränkend auszulegen ist.
Für die vergleichbare Verweisungsvorschrift in § 19 Abs. 2 Satz 3 BerlinFG hat der erkennende Senat bereits im Urteil vom 28. Oktober 1977 III R 72/75 (BFHE 123, 538, BStBl II 1978, 115) ausgeführt, die Gewährung einer Investitionszulage sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts auf einen Erinnerungswert von 1 DM abgeschrieben werden könne. Vielmehr sei die Ausnahmeregelung in § 19 Abs. 2 Satz 3 BerlinFG ausdrücklich auf geringwertige Wirtschaftsgüter beschränkt. Der Senat halte eine ausdehnende Auslegung dieser Ausnahmevorschrift zuungunsten der Investoren über die bereits zugelassenen Fälle hinaus nicht für zulässig.
Der Senat greift auf dieses Auslegungsverständnis insoweit auch hier zurück, als er für die Verweisungsregelung in § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1991 ebenfalls keine Berechtigung für eine --über die vom Wortlaut erfaßten originären geringwertigen Wirtschaftsgüter hinaus-- ausdehnende zulagenrechtliche Auslegung zu Lasten der Anspruchsberechtigten hinsichtlich des hier angesprochenen Sachverhalts einer gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Übertragung der Akkumulationsrücklage auf Wirtschaftsgüter in der zeitlichen Reihenfolge ihrer Anschaffung/Herstellung sieht.
b) Der Senat ist an einer derartigen Auslegung nicht durch die spezielle Regelung in § 6b Abs. 6 EStG gehindert.
§ 6b Abs. 6 EStG wird weder in § 6 Abs. 2 EStG noch in § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1991 in Bezug genommen. Nach Ansicht des erkennenden Senats kann diese Vorschrift auch nicht als verallgemeinerungsfähige, generelle Regelung mit der Folge verstanden werden, daß in Fällen der Übertragung einer Akkumulationsrücklage auf an sich zulagenfähige Wirtschaftsgüter zulagenrechtlich nur noch von den danach verbleibenden Anschaffungskosten auszugehen wäre.
c) Nach § 58 Abs. 2 EStG durften die zum 31. Dezember 1990 zulässigerweise einkommensmindernd gebildeten sog. Akkumulationsrücklagen nach § 3 Abs. 2 StÄndG DDR i.V.m. § 8 der Durchführungsbestimmung zum StÄndG DDR vom 16. März 1990 (GBl 1990 I Nr. 21, 195) zwar fortgeführt werden. Jedoch schreibt § 58 Abs. 2 Satz 3, 1. Halbsatz EStG zwingend vor, daß sie vor der nach Satz 2 dieser Vorschrift spätestens im Veranlagungszeitraum 1995 vorzunehmenden gewinnerhöhenden Auflösung von den Anschaffungskosten der vor diesem Zeitpunkt angeschafften Wirtschaftsgüter abzuziehen sind. Insoweit besteht weder hinsichtlich des Zeitpunktes noch hinsichtlich der Höhe ein Wahlrecht (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1997 XI R 52/96, BFHE 185, 164, BStBl II 1998, 377, unter Ziff. 2 der Gründe, m.w.N.). Die Rücklage ist in Höhe des abgezogenen Betrages im Veranlagungszeitraum der Anschaffung gewinnerhöhend aufzulösen (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 3, 2. Halbsatz EStG; Stuhrmann in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 58 Rz. 3; BMF-Schreiben vom 12. März 1992, BStBl I, 192 Tz. 12 und 13).
Die Akkumulationsrücklage ist eine besondere Investitionsrücklage, die sich allerdings nicht an den Anschaffungs-/Herstellungskosten begünstigter Wirtschaftsgüter orientiert. Vielmehr bemißt sich die Höhe dieser Rücklage unspezifisch nach dem in dem betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Gewinn (BFH-Urteile vom 26. April 1995 I R 49/94, BFH/NV 1996, 130, unter C. 2. a der Gründe, m.w.N.; in BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813, unter B. III. 1. der Gründe).
Der Gesetzgeber verfolgte mit der Schaffung der Akkumulationsrücklage das Ziel, durch eine einer "Sofortabschreibung" ähnlichen Wirkung mittels Bildung einer Rücklage Anreize für kurzfristige Investitionen angesichts der zu erwartenden relativ hohen Einkommen- und Gewerbesteuerbelastung in den neuen Bundesländern nach deren Beitritt zu bewirken (vgl. BFH-Urteil in BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813, unter B. III. 1. der Gründe, m.w.N.; ferner Schulz in DDR spezial 7/92, S. 2, 3, m.w.N.). Der Steuerpflichtige sollte mittels der Rücklage in die Lage versetzt werden, künftige Investitionen auch mit Hilfe der Steuerersparnis, die durch die Bildung der Rücklage eintritt, finanzieren zu können (Pinkos, DDR spezial 11/92, S. 2, 3).
Im Ergebnis kommt der Rücklage jedoch nur eine zeitlich sehr begrenzte steuerstundende Wirkung zu. Der höchstens fünf Jahre umfassende Zeitrahmen dürfte vielfach nämlich zeitlich erheblich verkürzt worden sein, sofern die gewünschten Investitionen auch tatsächlich vorgenommen wurden und die Rücklage dann auf in diesem Zusammenhang angeschaffte bzw. hergestellte Wirtschaftsgüter kraft Gesetzes zwingend zu übertragen war (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 3 EStG). Das InvZulG 1991 verfolgt demgegenüber den Zweck, durch Zuführung von --dauerhafter-- Liquidität zu Investitionen nachhaltig anzuregen.
Im Jahr der Bildung der Rücklage wird ertragsteuerlich der Gewinn gemindert (vgl. BFH-Urteil in BFHE 174, 241, BStBl II 1994, 813). Im Jahr der Übertragung ist die Rücklage in entsprechender Höhe jedoch gewinnerhöhend aufzulösen (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 3 EStG). Infolge der --zwangsweisen-- Verminderung der Anschaffungs-/Herstellungskosten derjenigen Wirtschaftsgüter, auf die die Rücklage --anteilig-- übertragen werden muß, wird zugleich das Absetzung-für-Abnutzung-Volumen entsprechend verringert. Dadurch wird zusätzlich in den Folgejahren infolge der eintretenden Verlustminderung bzw. Gewinnerhöhung und der damit einhergehenden höheren Steuerlast Liquidität entzogen. Im Ergebnis würde sich also --folgte man der Auffassung des FG (und auch des FA)-- die Bildung einer Akkumulationsrücklage in der Phase der Investition und der Zeit danach in doppelter Weise für den Anspruchsberechtigten nachteilig auswirken: Die Rücklage führt im Gegensatz zur Sofortabschreibung nach § 6 Abs. 2 EStG (dazu Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 6 Rz. 455) zu keinem bleibenden Liquiditätsvorteil. Vielmehr muß der Anspruchsberechtigte die nach § 3 Abs. 2 StÄndG DDR bis zu einem Höchstbetrag von 50 000 M zulässige Rücklage in der zeitlichen Reihenfolge der Anschaffung bzw. Herstellung von Wirtschaftsgütern auf diese übertragen (BFH-Urteil in BFHE 185, 164, BStBl II 1998, 377) und würde dadurch zugleich endgültig einer Investitionsförderung für diese Wirtschaftsgüter durch Zulagen verlustig gehen.
Der Senat vertritt im Hinblick auf diese zulagenrechtlich einschneidenden Wirkungen die Auffassung, daß jedenfalls die durch Übertragung der Akkumulationsrücklage eintretende Kürzung der Anschaffungs-/Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern nicht auch zur Entstehung von geringwertigen Wirtschaftsgütern im investitionszulagenrechtlichen Sinne führt.
Die Finanzverwaltung hat, soweit ersichtlich, zu dieser Frage konkret noch nicht Stellung genommen. Der BMF hat in seinem Schreiben vom 12. März 1992 (BStBl I 1992, 192 Tz. 11) lediglich ausgeführt, die Übertragung der Akkumulationsrücklage habe keine Auswirkungen auf die Bemessungsgrundlage bei der Investitionszulage nach dem InvZulG. Das Schreiben nimmt hingegen nicht zu der vorrangigen Frage Stellung, ob durch die --zwingende-- Übertragung der Rücklage geringwertige Wirtschaftsgüter i.S. von § 6 Abs. 2 EStG entstehen und auch insoweit etwa die Anknüpfung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1991 an die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Rücklagen im Rahmen des § 6 Abs. 2 EStG im Investitionszulagenrecht gleichwohl durchbrochen werden könnte.
Das InvZulG 1991 enthält ebenfalls keine eindeutige Ausschlußregelung. Hätte der Gesetzgeber indes eine derart weitreichende Einschränkung der Zulagenförderung auch für Fälle der Akkumulationsrücklage gebilligt und die dargestellten erheblichen nachteiligen Auswirkungen zu Lasten des Anspruchsberechtigten in Kauf nehmen wollen, so wäre eine entsprechende Klarstellung im zeitnah erlassenen InvZulG 1991 unerläßlich gewesen (vgl. auch Richter/Richter, Neue Wirtschafts-Briefe Fach 3, S. 10625, 10628 Nr. 10).
2. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen handelt es sich trotz der zwingenden ertragsteuerlichen Minderung der --ursprünglichen-- Anschaffungskosten für die Steintrennmaschine in Höhe von 2 615,12 DM durch Übertragung der zulässig vom Kläger zum 31. Dezember 1990 gebildeten Akkumulationsrücklage auf 0 DM nicht i.S. von § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG um ein --nicht zulagenfähiges-- geringwertiges Wirtschaftsgut.
Der Senat folgt im übrigen der Auffassung der Verwaltung, daß die Übertragung der Akkumulationszulage auch keine Auswirkungen auf die Bemessungsgrundlage bei der Investitionszulage nach dem InvZulG hat (BMF-Schreiben vom 12. März 1992, BStBl I, 192 Tz. 11, unter Hinweis auf das Schreiben des BMF vom 28. August 1991, BStBl I, 768 Tz. 66).
Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Fundstellen
Haufe-Index 55192 |
BFH/NV 2000, 152 |
BStBl II 2000, 9 |
BFHE 189, 260 |
BFHE 2000, 260 |
BB 1999, 2342 |
BB 2000, 498 |
DB 1999, 2345 |
DStRE 1999, 873 |
DStZ 2000, 48 |
HFR 2000, 114 |
StE 1999, 686 |