Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergebliche Aufwendungen nicht als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar
Leitsatz (NV)
Aufwendungen für Fahrten zur Besichtigung von Wohnungen sind nicht nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar.
Normenkette
EStG § 10e Abs. 6
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) machte in der Einkommensteuererklärung 1988 Aufwendungen für Fahrten mit dem eigenen Pkw in Höhe von 126 DM (300 km x 0,42 DM) als Werbungskosten geltend. Er gab an, er habe beabsichtigt, eine Eigentumswohnung zur Eigennutzung zu erwerben und zu diesem Zweck Makler und Wohnungsbauunternehmen aufgesucht sowie verschiedene Wohnungen und Neubauvorhaben besichtigt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1988 die Fahrtkosten nicht. Den Einspruch des Klägers wies das FA mit der Begründung zurück, Aufwendungen zum Erwerb einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung könnten seit dem Wegfall der Nutzungswertbesteuerung ab dem Veranlagungszeitraum 1987 nicht mehr als Werbungskosten abgezogen werden. Ein Abzug nach § 10 e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) komme nur in Betracht, wenn die Aufwendungen unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung zusammenhingen. Vergebliche Aufwendungen, die - wie im Streitfall - nicht zum Erwerb eines Objekts führten, seien daher nicht als sog. Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar.
Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 581 veröffentlicht ist, gab der Klage statt. Es führte aus: Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergebe, habe der Gesetzgeber mit dem Merkmal des unmittelbaren Zusammenhangs zwichen den Aufwendungen und der Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung sowie der Parallelwertung zu den Werbungskosten an die Grundsätze zum Abzug vergeblicher Werbungskosten anknüpfen wollen. Aufwendungen seien somit auch nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar, wenn sie wirtschaftlich mit dem beabsichtigten Erwerb einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken zusammenhingen. Ein solcher Zusammenhang bestehe von dem Zeitpunkt an, zu dem sich ein Steuerpflichtiger aufgrund objektiver Umstände erkennbar endgültig zum Erwerb eines selbst zu nutzenden Objekts entschlossen habe. Da der verheiratete Kläger Vater eines 1984 geborenen Kindes sei und als technischer Angestellter überdurchschnittlich verdient habe, sei glaubhaft, daß er eine Eigentumswohnung für eigene Wohnzwecke habe kaufen wollen und daß ihm bei der Suche danach Fahrtaufwendungen in Höhe von 126 DM entstanden seien. Der vom Kläger angebotene Beweis durch Vorlage eines Terminkalenders brauche daher nicht erhoben zu werden.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 10 e Abs. 6 EStG). Nach dieser Vorschrift seien nur solche Aufwendungen zu berücksichtigen, die unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des Grund und Bodens zusammenhingen. Dieses Tatbestandsmerkmal könne nicht durch Auslegung umgangen werden, da der Gesetzeswortlaut insoweit eindeutig sei. Diese Regelung sei auch verständlich und in sich schlüssig, da § 10 e EStG nur die Wohnung im eigenen Haus bzw. die Eigentumswohnung bei tatsächlicher Nutzung zu eigenen Wohnzwecken begünstige. Im Streitfall sei aber überhaupt kein Objekt erworben worden.
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Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
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2. Entgegen der Auffassung des FG sind die vom Kläger geltend gemachten Besichtigungskosten nicht als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar.
a) Nach dieser Vorschrift kann der Steuerpflichtige Aufwendungen wie Sonderausgaben abziehen, die
- bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung i. S. des Absatzes 1 zu eigenen Wohnzwecken entstehen,
- unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängen,
- nicht zu den Herstellungskosten oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören und
- im Fall der Vermietung oder Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten abgezogen werden könnten.
Durch § 10 e Abs. 6 EStG sollen nach der Gesetzesbegründung die bisherigen Möglichkeiten, Aufwendungen in der Bau- und Anschaffungsphase steuerlich abzusetzen, in ihren Wirkungen erhalten bleiben (BTDrucks. 10/3633, S. 10). Die Vorschrift soll hiernach sicherstellen, daß die in dem Bau- und Anschaffungszeitraum anfallenden Kosten, insbesondere ein Damnum und andere Geldbeschaffungskosten, die nach der Rechtsvorlage vor 1987 bei eigengenutzten Wohnungen als Werbungskosten abziehbar gewesen seien, auch künftig steuermindernd abgezogen werden könnten (BTDrucks. 10/3633, S. 16).
Nach der Rechtslage vor 1987 konnten vor Bezug entstandene Aufwendungen - unabhängig davon, ob sie zum beabsichtigten Erfolg führten - als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bestand (z. B. BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, unter C III 2 a, m. w. N.). Ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang war von dem Zeitpunkt an anzunehmen, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen ließ, daß ein Steuerpflichtiger den Entschluß, durch die Errichtung oder den Erwerb eines Gebäudes die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zu begründen, endgültig gefaßt hatte (BFH-Urteil vom 10. März 1981 VIII R 195/77, BFHE 133, 189, BStBl II 1981, 470, unter 2 b).
b) Im Schrifttum wird zum Teil die Auffassung vertreten, § 10 e Abs. 6 EStG erfasse alle Aufwendungen, die vor 1987 bei eigengenutzten Wohnungen Werbungskosten gewesen seien, also auch die sog. vergeblichen Aufwendungen. Hierfür sprächen die Gesetzesbegründung und die in § 10 e Abs. 6 EStG geforderte Parallelwertung zwischen den bisher als Werbungskosten und nunmehr wie Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen (z. B. Stephan in Littmann / Bitz / Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 10 e EStG Rz. 148 a ff.; ders., Die Besteuerung selbstgenutzten Wohneigentums, 3. Aufl. 1989, S. 104 ff.; Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 10 e Anm. 9; Obermeier, Das selbstgenutzte Wohneigentum ab 1987, 2. Aufl., Rz. 226, 232).
Die Finanzverwaltung und ein anderer Teil der Literatur folgern dagegen aus dem Merkmal des unmittelbaren Zusammenhangs, daß § 10 e Abs. 6 EStG nur die mit der tatsächlich angeschafften oder hergestellten Wohnung zusammenhängenden Aufwendungen begünstige (z. B. Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 25. Oktober 1990, BStBl I 1990, 626, Abschn. 56; Blümich / Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 10 e EStG Rz. 616; Stuhrmann in Hartmann / Böttcher / Nissen / Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 e Rz. 135; ders., Deutsches Steuerrecht - DStR - 1988, 308; Biergans, Steuervorteile durch selbstgenutztes Wohneigentum ab 1990, 2. Aufl., S. 83, 84). Zum Teil wird die Nichtabziehbarkeit vergeblicher Aufwendungen auch aus der fehlenden Nutzung zu eigenen Wohnzwecken hergeleitet (z. B. Meyer, Finanz-Rundschau - FR - 1991, 33, 47).
c) Nach Auffassung des Senats bringt der Wortlaut den Sinn der Regelung klar zum Ausdruck. Vergebliche Aufwendungen sind danach nicht abziehbar.
aa) § 10 e Abs. 6 EStG verlangt einen unmittelbaren Zusammenhang der Aufwendungen mit der Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens. Diese Formulierung kann bei verständiger Auslegung nur bedeuten, daß lediglich die mit der tatsächlich hergestellten oder angeschafften Wohnung zusammenhängenden Aufwendungen begünstigt sind. Dies folgt insbesondere aus der Verwendung des bestimmten Artikels (,, . . . des Gebäudes oder der Eigentumswohnung . . ."). Ferner läßt § 10 e Abs. 6 EStG nur Aufwendungen zum Abzug zu, ,,die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen". Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt aber voraus, daß zuvor eine Wohnung angeschafft oder hergestellt worden ist. Scheitert der beabsichtigte Erwerb oder die beabsichtigte Herstellung der Wohnung, können daher die mit der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängenden Aufwendungen nicht nach § 10 e Abs. 6 EStG steuermindernd berücksichtigt werden.
bb) Dieser Auslegung widerspricht nicht die vom Gesetz geforderte Parallelwertung der Aufwendungen mit den Werbungskosten. Wie Sonderausgaben abziehbare Vorkosten müssen zwar die Merkmale des Werbungskostenbegriffs im Falle einer Vermietung und Verpachtung erfüllen, jedoch hängt die Abziehbarkeit von den weiteren einschränkenden Voraussetzungen des § 10 e Abs. 6 EStG ab.
cc) Die Gesetzesbegründung rechtfertigt keine andere Entscheidung. Vielmehr deuten die Hinweise auf die eigengenutzte Wohnung, auf den Bau- und Anschaffungszeitraum sowie auf die beispielhaft aufgezählten begünstigten Kosten wie Damnum und andere Geldbeschaffungskosten darauf hin, daß ein Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Anschaffung oder Herstellung der eigengenutzten Wohnung bestehen soll.
dd) Allerdings kann die unterschiedliche steuerliche Behandlung von vergeblichen Vorkosten, je nachdem, ob sie im Hinblick auf eine beabsichtigte Eigennutzung oder eine beabsichtigte Vermietung oder Verpachtung getätigt werden, in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Dies ist aber angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift hinzunehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 417910 |
BFH/NV 1992, 293 |
BFH/NV 1992, 4 |
BFHE 1992, 322 |