Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht einer Müllverbrennungs-GmbH
Leitsatz (NV)
1. Eine GmbH, die Abfall durch Verbrennung beseitigt und die dabei entstehende Abwärme verkauft, ist nicht gemeinnützig.
2. Die Annahme des Abfalls, seine Verbrennung und die Nutzung der durch die Verbrennung entstehenden Abwärme bilden einen einheitlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Das führt jedoch nicht dazu, daß die der GmbH für den Bereich der Beschaffung und Verbrennung des Abfalls aus Gründen des Vertrauensschutzes gewährte Steuerbefreiung sich auch auf den Bereich der Abwärmelieferung erstreckt.
Normenkette
AO 1977 §§ 14, 65; KStG 1981 § 5 Abs. 1 Nr. 9
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. Ihre Gesellschafter waren im Jahr 1982 (Streitjahr) der Landkreis A (Beteiligung am Stammkapital ca. 90 v. H.) und ein Stromversorgungsunternehmen (E). Gesellschafter der E waren der Landkreis A und andere Landkreise.
Zweck der Klägerin war nach dem im Streitjahr geltenden Gesellschaftsvertrag die Errichtung und der Betrieb einer Müllverbrennungsanlage. In der Anlage sollten die in ihrem Einzugsgebiet anfallenden Abfälle durch Verbrennung beseitigt und dadurch die Reinhaltung von Luft und Wasser gefördert und im Interesse der Allgemeinheit zum Umweltschutz und Verbesserung der Hygiene beigetragen werden. Entsprechend diesem Gesellschaftszweck betrieb die Klägerin im Streitjahr wie bereits in den Vorjahren auf dem Gelände eines Kraftwerks der E eine Müllverbrennungsanlage. Die bei der Abfallverbrennung erzeugte Dampfwärme gab die Klägerin an E ab und erhielt dafür von dieser entsprechend einem Wärmelieferungsvertrag aus dem Jahr 1978 ein Entgelt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) vertrat zunächst die Ansicht, die Klägerin sei im Streitjahr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1981 von der Körperschaftsteuer befreit. Hinsichtlich der Erzeugung und Abgabe der Dampfwärme war nach Auffassung des FA die Steuerbefreiung jedoch gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG 1981 ausgeschlossen, da diese Tätigkeiten als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu beurteilen seien, der kein Zweckbetrieb sei. Entsprechend dieser Rechtsauffassung veranlagte das FA die Klägerin für das Streitjahr mit ihrem durch die Wärmelieferungen erzielten Einkommen zur Körperschaftsteuer. Der Einspruch war erfolglos.
Im anschließenden Klageverfahren vertrat das FA -- entsprechend einem Erlaß des zuständigen Finanzministers -- die Auffassung, die Klägerin sei zwar aus Gründen des Vertrauensschutzes im Streitjahr noch als steuerbegünstigte Körperschaft anzuerkennen, die Steuerbefreiung erstrecke sich aber nicht auf die Erzeugung und Lieferung der Dampfwärme.
Das Finanzgericht (FG) folgte dieser Rechtsauffassung und wies die Klage ab.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i. V. m. §§ 51, 60, 64, 65 der Abgabenordnung (AO 1977).
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und den Körperschaftsteuerbescheid 1982 vom 8. Juli 1986 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Sie ist unbegründet.
1. Die Klägerin ist für das Streitjahr nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1981 von der Körperschaftsteuer befreit.
Ihre im Streitjahr ausgeübten Tätigkeiten -- die Annahme von Abfall, dessen (jedenfalls nach damaliger Erkenntnis) umweltfreundliche Beseitigung durch Verbrennung und die ökologisch und wirtschaftlich sinnvolle Abgabe der durch die Verbrennung entstehenden Abwärme an E -- sind gemeinnützigkeitsrechtlich als ein einheitlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i. S. des § 14 AO 1977 zu beurteilen, der kein Zweckbetrieb (§ 65 AO 1977) war. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Senat zur Begründung auf sein Urteil vom 27. Oktober 1993 I R 60/91 (BFHE 174, 97, BStBl II 1994, 573; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 15. Dezember 1993 X R 115/91, BFHE 173, 254, BStBl II 1994, 314).
2. Die Klägerin ist auch nicht aus Billigkeitsgründen hinsichtlich der entgeltlichen Abgabe der Dampfwärme von der Körperschaftsteuer befreit.
Die der Klägerin von den zuständigen Finanzbehörden aus Gründen des Vertrauensschutzes gewährte Körperschaftsteuerbefreiung erstreckt sich nicht auf die Abgabe der bei der Abfallverbrennung entstandenen Abwärme, sondern lediglich auf die Beschaffung und Verbrennung des Abfalls. Das FA sah die entgeltliche Lieferung der Abwärme an E stets als eine nicht steuer befreite Tätigkeit an und veranlagte die Klägerin mit dem durch sie erzielten Einkommen zur Körperschaftsteuer. Für eine Billigkeitsmaßnahme aus Gründen des Vertrauensschutzes war daher insoweit kein Raum.
Zwar bildeten die Annahme des Abfalls, dessen Verbrennung und die Nutzung der durch die Verbrennung entstandenen Abwärme einen einheitlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (s. oben II. 1.). Dies führt aber nicht zwangsläufig dazu, daß sich die erkennbar nur für einen Teil dieses Geschäftsbetriebs aus Billigkeitsgründen gewährte Steuerbefreiung automatisch auf den gesamten Betrieb erstreckt.
3. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen (§ 135 Abs. 2 FGO).
Der festgesetzte Streitwert entspricht der im angefochtenen Bescheid festgesetzten Körperschaftsteuer.
Der erkennende Senat ist bei der Entscheidung davon ausgegangen, daß die Klägerin im Tätigkeitsbereich Abfallannahme und Verbrennung im Streitjahr keinen Verlust erzielte und sich somit die partielle Steuerbefreiung aus Billigkeitsgründen zu ihren Gunsten auswirkt. Das FG hat zwar festgestellt, daß nach dem Jahresabschluß 1982 im Betriebsbereich "Müllverbrennung" ein Jahresfehlbetrag von ... DM entstanden sei. Dieser Fehlbetrag ergab sich aber erst nach Zuweisung von ... DM zum "Sonderposten zur Erfüllung satzungsmäßiger Zwecke". Dieser Sonderposten ist Teil der gemäß § 3 des Gesellschaftsvertrags gebildeten Gewinnrücklage. Die Zuführung mindert daher nicht den steuerrechtlichen Gewinn.
Fundstellen
Haufe-Index 420513 |
BFH/NV 1995, 1012 |