Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Arbeiten Kinder, die nach § 27 EStG mit den Eltern zusammen veranlagt werden, im Betrieb der Eltern auf Grund eines ernsthaft geschlossenen und durchgeführten Arbeitsvertrages mit, so können die Eltern den üblichen und angemessenen Arbeitslohn als Betriebsausgabe absetzen. Bei den Kindern liegen insoweit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor.
Wird ein Arbeitsverhältnis zwischen Eltern und Kindern steuerlich anerkannt, so steht jedem mitarbeitenden Kind der Werbungskostenpauschbetrag nach § 9 a EStG 1955 zu. Die entgegenstehende Verwaltungsanweisung in Abschn. 86 Abs. 2 EStR 1955 ist mit dem EStG nicht zu vereinbaren.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, §§ 9a, 19, 27
Tatbestand
Im Betrieb des Beschwerdegegners (Bg.) eines Gewerbetreibenden, waren im Streitjahr 1955 seine beiden Kinder Helmut (geboren am 14. Juli 1937) und Elisabeth (geboren am 12. August 1939) mit Bruttobezügen von 1.680 DM und 1.200 DM beschäftigt. Der Bg. ist nach § 27 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit diesen beiden Kindern zusammen zu veranlagen. Er verlangt für jedes Kind den Werbungskostenpauschbetrag gemäß § 9 a EStG 1955 von 312 DM. Das Finanzamt gewährte ihm unter Berufung auf Abschn. 86 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1955 den Pauschbetrag nur einmal.
Das Finanzgericht stellte in dem angefochtenen Zwischenurteil fest, daß dem Bg. der Werbungskostenpauschbetrag zweimal zustehe. Es führte aus, daß, weil zwei Arbeitsverhältnisse vorlägen, trotz der Haushaltsbesteuerung der Werbungskostenpauschbetrag zweimal gewährt werden müsse.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
Die Vorinstanzen sind ohne nähere Prüfung davon ausgegangen, daß die beiden minderjährigen Kinder in einem Arbeitsverhältnis zum Bg. standen und mit ihren Bezügen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hatten. In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind ernsthafte Arbeitsverhältnisse mit Kindern, die im Betrieb der Eltern mitarbeiten, grundsätzlich als auch steuerlich beachtlich anerkannt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 520/53 U vom 17. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 262, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 102, und I 193/55 U vom 6. Dezember 1955, Slg. Bd. 62 S. 43, BStBl 1956 III S. 17). Auch in Fällen, in denen dem Vater für die im eigenen Betrieb mitarbeitenden noch nicht 18 Jahre alten Kinder Kinderermäßigung nach § 32 Abs. 4 Ziff. 2 EStG zusteht und die Kinder deshalb nach § 27 EStG mit dem Vater zusammen veranlagt werden, können Arbeitsverhältnisse anerkannt werden (vgl. Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Arbeitnehmer" unter 4). Die Haushaltsbesteuerung nach § 27 EStG ändert die Rechtsnatur der Einkünfte nicht. Sie führt nur zu einer Zusammenrechnung der Einkünfte und zu einer einheitlichen Ermittlung des Einkommens, auf das dann der Einkommensteuertarif angewendet wird. Auch bei der Zusammenrechnung nach § 27 EStG bleiben aber die Bezüge der Kinder deren eigene Einkünfte. Zu welcher Einkunftsart die Einkünfte der Kinder gehören, muß im einzelnen Fall nach allgemeinen Grundsätzen bestimmt werden. Ist ein Kind über 14 Jahre alt und arbeitet es im elterlichen Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft auf Grund eines ernsthaft geschlossenen und durchgeführten Arbeitsvertrags mit, so können die Arbeitsbezüge in der üblichen und angemessenen Höhe als Betriebsausgaben der Eltern und als Arbeitslohn der Kinder angesehen werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so rechnet der Arbeitslohn der Kinder zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und ist bei der Haushaltsbesteuerung nach § 27 EStG entsprechend anzusetzen. Im Streitfall konnten die Vorinstanzen ohne Rechtsverstoß annehmen, daß ein ernsthaft geschlossenes und durchgeführtes Arbeitsverhältnis mit den Kindern bestand und der Arbeitslohn angemessen war.
Den Kindern steht, wenn ein ernsthaftes Arbeitsverhältnis besteht, auch der Werbungskostenpauschbetrag von 312 DM gemäß § 9 a EStG 1955 zu. Kindern, die im elterlichen Betrieb mitarbeiten, entstehen zwar meist weniger Werbungskosten als Kindern, die in fremden Betrieben arbeiten. Das rechtfertigt aber nicht etwa, bei Mitarbeit von Kindern im eigenen Betrieb den Werbungskostenpauschbetrag allgemein nicht zu gewähren oder nur die nachgewiesenen Werbungskosten zu berücksichtigen. Der Pauschbetrag von 312 DM ist ein echter Durchschnittsbetrag, den der Gesetzgeber zur Vereinfachung geschaffen hat und der jedem Arbeitnehmer als Mindestbetrag an Werbungskosten zusteht, ohne Rücksicht darauf, ob auch tatsächlich durchschnittlich Werbungskosten in Höhe des Pauschbetrags entstehen. Die Finanzbehörden können also die Anwendung des Pauschsatzes nicht mit der Begründung versagen, daß einem Arbeitnehmer tatsächlich keine oder nur wesentlich geringere Werbungskosten entstünden. Diese Grundsätze müssen auch gelten, wenn Kinder im elterlichen Betrieb mitarbeiten. Hätte der Gesetzgeber für solche Fälle eine andere Regelung gewollt, so hätte er es ausdrücklich bestimmen müssen.
Stehen mehrere Kinder, die gemäß § 27 EStG mit dem Haushaltsvorstand zusammen veranlagt werden, in einem Arbeitsverhältnis zu den Eltern, so ist, weil mehrere Arbeitsverhältnisse vorliegen, der Pauschbetrag für jedes Arbeitsverhältnis selbständig zu gewähren. Das Finanzgericht hat die entgegenstehende Verwaltungsanordnung in Abschn. 86 Abs. 2 EStR 1955 mit Recht als mit dem EStG unvereinbar bezeichnet. Es gelten insoweit die gleichen Rechtsgrundsätze wie in den Urteilen des Bundesfinanzhofs IV 325/54 U vom 3. November 1955 (Slg. Bd. 61 S. 495, BStBl 1955 III S. 390), VI 162/55 U vom 14. Februar 1958 (BStBl 1958 III S. 207), VI 19/56 U vom 14. Februar 1958 (BStBl 1958 III S. 208), auf deren Begründung Bezug genommen wird.
Fundstellen
Haufe-Index 409089 |
BStBl III 1958, 294 |
BFHE 1959, 56 |
BFHE 67, 56 |