Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur einkommensteuerlichen Behandlung von Ausbildungs- und Unterhaltsbeihilfen, die im Hinblick auf ein künftiges Arbeitsverhältnis gewährt werden.
Zahlt ein Steuerpflichtiger laufende Ausbildungs- oder Unterhaltsbeihilfen, die zur Zeit der Zahlung für ihn Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder sonstige Einkünfte waren, zurück, so sind die Rückzahlungsbeträge in der Regel negative Einkünfte.
Normenkette
EStG § § 19, 22, 46/2/5/b, § 46/2/8/b
Tatbestand
Der Bg. ist seit 1960 Diplom-Ingenieur bei einem Großunternehmen. Zu seinen Studienkosten hatte ihm eine andere große Firma einen laufenden Beitrag von 150 DM je Semester sowie eine monatliche Unterhaltsbeihilfe von 100 DM gezahlt; der Bg. hatte sich dafür verpflichtet, nach Abschluß seiner Studien in die Dienste dieser Firma zu treten. Falls er nicht in ihre Dienste trat, hatte er die empfangenen Beträge in monatlichen Raten zurückzuzahlen und zu verzinsen. Als der Bg. nicht in die Dienste dieser Firma trat, zahlte er vereinbarungsgemäß in den Streitjahren 1960 und 1961 (1.200 DM + 2.290 DM =) 3.490 DM zurück. Er beantragte im Lohnsteuerverfahren, diese Beträge als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen. Das Finanzamt lehnte das ab, weil der Bg. durch die Rückzahlung nicht außergewöhnlich belastet sei; die Schuldaufnahme sei nämlich nicht zwangsläufig gewesen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht Berlin, dessen Entscheidung in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1964 S. 19 veröffentlicht ist, gab der Berufung statt und hob die Einspruchsentscheidung und den zugrunde liegenden Ablehnenden Bescheid des Finanzamts auf. Es führte aus, der Antrag des Bg. auf Abzug der Rückzahlungen sei sachlich ein fristgerechter Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer gemäß § 46 Abs. 2 Ziff. 5 Buchst. b EStG gewesen (ß 249 Abs. 1 AO). Der Bg. habe in den Jahren 1956 bis 1959 wiederkehrende Einkünfte im Sinne von § 22 EStG bezogen, die er in den Streitjahren teilweise zurückgezahlt habe. Die früher erhaltenen Bezüge seien keine Darlehen gewesen. Die Rückzahlungen seien negative Einkünfte im Sinne von § 22 EStG, die steuerlich zu berücksichtigen seien.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts hatte keinen Erfolg.
Die Ansicht des Verwaltungsgerichts Berlin, der Bg. habe in den Streitjahren negative sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG gehabt, ist frei von Rechtsirrtum. Man könnte zweifeln, ob die Rückzahlungen nicht negative Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 19 EStG wären, wenn man in den Vordergrund stellt, daß die Unterhalts- und Ausbildungsbeihilfen dem Bg. im Hinblick auf ein künftig zu begründendes Arbeitsverhältnis mit der Geldgeberin gewährt wurden. Das Verwaltungsgericht konnte indessen die Abmachungen zwischen dem Bg. und der Geldgeberin ohne Rechtsverstoß dahin würdigen, daß es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag eigener Art handle (vgl. auch Der Betrieb 1961 S. 358, 359). Die Geldgeberin hatte sich zu regelmäßigen Zahlungen verpflichtet und der Bg. zum Abschluß eines Arbeitsvertrags nach Vollendung seiner Studien. Weil der Bg. dieser Pflicht nicht nachkam, stand der Geldgeberin ein Rückforderungsanspruch zu. Die zurückgezahlten Beträge hat das Verwaltungsgericht unter diesen Umständen mit Recht als negative Einkünfte bezeichnet. Nach dem Urteil des Senats VI 22/61 S vom 13. Dezember 1963 (1964 III S. 184, Slg. Bd. 78 S. 477) sind solche negativen Einkünfte im Jahr der Rückzahlung steuerlich abzusetzen.
Der Vorsteher des Finanzamts meint, der Bg. habe von der Geldgeberin Darlehen bekommen; ihm seien also mit dem Empfang keine Einnahmen im Sinne des EStG zugeflossen. Damit wendet sich das Finanzamt gegen die einwandfrei zustande gekommenen tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, an die der Senat aber gemäß §§ 288, 296 Abs. 1 AO gebunden ist. Es ist zwar möglich und es geschieht in ähnlichen Fällen auch oft, daß Studenten Darlehen gegeben werden, die später, wenn der junge Mann in den Dienst der Geldgeberin tritt, mit dem Arbeitslohn verrechnet oder ganz oder teilweise erlassen werden. Aber die Beteiligten können auch anders vorgehen und haben nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hier einen anderen Weg gewählt. Die Zahlungen der Geldgeberin waren hier jedenfalls steuerlich wiederkehrende Bezüge im Sinne von § 22 EStG. Der Bg. wurde auch steuerlich beim Finanzamt geführt. Das Verwaltungsgericht hat nicht festgestellt, ob für den Bg. tatsächlich auch Einkommensteuer zur Entstehung gekommen oder ob er nicht veranlagt worden ist, weil seine Bezüge unter der steuerlichen Mindestgrenze blieben. Es ist aber nicht erforderlich, diesen Punkt aufzuklären; denn entscheidend ist nur, daß die früheren Bezüge des Bg. unter die Einkunftsart des § 22 EStG fielen und nicht, daß sie auch tatsächlich zu einer Einkommensteuer führten. Es kann dahingestellt bleiben, ob unter besonderen Umständen eine andere Beurteilung angebracht ist, z. B. wenn der Steuerpflichtige sich ausdrücklich gegen die Behandlung der Bezüge als wiederkehrende Bezüge gewandt oder das Finanzamt getäuscht hat. Für solche besonderen Umstände ergeben die Akten im Streitfall nichts.
Nach allem hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, daß der Bg. gemäß § 46 Abs. 2 Ziff. 5 b EStG zur Einkommensteuer zu veranlagen war und daß das Finanzamt den Antrag des Bg. dementsprechend hätte behandeln müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 411370 |
BStBl III 1965, 11 |
BFHE 1965, 30 |
BFHE 81, 30 |