Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung an Mehrheitsaktionär einer AG
Leitsatz (NV)
- Ist ein Vorstandsmitglied einer AG zugleich deren Mehrheitsaktionär, so kann eine Pensionsvereinbarung zwischen ihm und der AG zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen, wenn sie einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds ausgerichtet ist und nicht auf einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen Interessen abzielt.
- Bei "Familiengesellschaften" i.S. des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die Zusammensetzung des Aufsichtsrats auch dann die Wahrung der Interessen der AG bei Verträgen mit ihrem Vorstandsmitglied gewährleistet, wenn das Vorstandsmitglied zugleich Mehrheitsaktionär ist (Abgrenzung zu den Senatsurteilen vom 15. Dezember 1971 I R 76/68, BFHE 104, 530, BStBl II 1972, 436; vom 15. Dezember 1971 I R 5/69, BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438).
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2; AktG § 112; BetrVG 1952 § 76
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (EFG 2002, 220) |
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung einer Pensionszusage.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine AG, deren Grundkapital in den Streitjahren ―und ebenso in den Vorjahren― zu 90 v.H. von A und zu 10 v.H. von dessen Sohn S gehalten wurde. A war im Jahr 1980 (erneut) zum Vorstandsvorsitzenden der Klägerin bestellt worden und hatte in diesem Zusammenhang eine Pensionszusage erhalten, die eine Witwenversorgung in Höhe von 60 v.H. seiner eigenen Versorgungsbezüge einschloss. Die Versorgung des hinterbliebenen Ehegatten sollte bei dessen Wiederverheiratung sowie dann entfallen, wenn die Ehe erst nach Eintritt des A in den Ruhestand geschlossen wurde. Im Fall der Wiederverheiratung sollte der hinterbliebene Ehegatte stattdessen eine einmalige Abfindung erhalten.
Zur Zeit des Vertragsschlusses lebte A von seiner damaligen Ehefrau getrennt und mit seiner Lebenspartnerin B zusammen. Im Jahr 1982 verzichtete Frau A in einem notariell beurkundeten Vertrag u.a. auf ihren Versorgungsanspruch gegen die Klägerin. Die Ehe des A wurde im Jahr 1986 geschieden. A verließ zum 31. Dezember 1986 den Vorstand der Klägerin und bezog seit dem 1. Januar 1987 Altersruhegeld. Am 11. Juli 1988 heiratete er B.
Die Klägerin hatte, nachdem sie im Jahr 1987 von der Verzichtserklärung der Frau A erfahren hatte, die Pensionsrückstellung um den auf die Witwenversorgung entfallenden Anteil gekürzt. Am 9. Oktober 1989 traf sie mit A eine Zusatzvereinbarung zu dem Anstellungsvertrag aus 1980; darin wurden sowohl die Klausel, nach der bei einer erst im Ruhestand erfolgten Eheschließung die Witwenversorgung entfallen sollte, als auch die Vereinbarung über eine Abfindung im Fall der Wiederverheiratung gestrichen. Die Klägerin wurde bei Abschluss dieser Vereinbarung durch ihren Aufsichtsrat vertreten, dem u.a. A angehörte. Ihre Hauptversammlung stimmte der Änderung zu.
A verstarb am 25. Mai 1990. Die Klägerin löste deshalb in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1990 die für seine Versorgung gebildete Rückstellung auf. Zugleich bildete sie eine Rückstellung für die Witwenpension der B. Ferner leistete sie in den Streitjahren an B die geschuldeten Rentenzahlungen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) sah die Bildung der Rückstellung für die Witwenpension sowie die Zahlungen an B als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an und ging deshalb in den Körperschaftsteuerbescheiden für die Streitjahre von entsprechend erhöhten Gewinnen der Klägerin aus. Die Klage gegen diese Bescheide hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen; sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 220 abgedruckt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1990 und 1991 in der Weise festzusetzen, dass die Bildung der Rückstellung für die Versorgungsverpflichtung gegenüber B sowie die Rentenzahlungen an B nicht als vGA behandelt werden.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FA hat den von der Klägerin erklärten Gewinn der Streitjahre zu Recht erhöht. Sowohl die Bildung der Rückstellung für die Versorgungsverpflichtung gegenüber B als auch die Rentenzahlungen an B sind steuerrechtlich als vGA zu beurteilen, die den Gewinn der Klägerin nicht mindern dürfen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG).
1. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG darf eine vGA das steuerlich zu erfassende Einkommen einer Körperschaft nicht mindern. Eine vGA in diesem Sinne kann u.a. dadurch ausgelöst werden, dass die Körperschaft ihrem Anteilseigner eine Pensionszusage erteilt, die sie unter ansonsten vergleichbaren Umständen einem nicht an ihr Beteiligten nicht erteilt hätte. Das hat der Senat im Hinblick auf Pensionszusagen einer GmbH gegenüber ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer in ständiger Rechtsprechung entschieden. Für eine Versorgungszusage, die eine AG ihrem Aktionär erteilt, gilt ―zumindest im Grundsatz― nichts anderes.
Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Regeln zur steuerrechtlichen Würdigung von Versorgungszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH nicht uneingeschränkt auf den Bereich der AG übertragen werden können. Insbesondere kann eine Zusage gegenüber einem Mehrheitsaktionär, der zugleich Vorstandsmitglied der AG ist, in diesem Zusammenhang nicht ohne weiteres mit der Zusage einer GmbH gegenüber ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer gleichgesetzt werden. Dem steht der Umstand entgegen, dass gemäß § 112 des Aktiengesetzes (AktG) eine AG bei Rechtsgeschäften mit ihren Vorstandsmitgliedern von ihrem Aufsichtsrat vertreten wird, wodurch eine Wahrung der Interessen der Gesellschaft eher gewährleistet ist als bei Verträgen zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter (Senatsurteile vom 15. Dezember 1971 I R 76/68, BFHE 104, 530, BStBl II 1972, 436; vom 15. Dezember 1971 I R 5/69, BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438). Gleichwohl kann im Einzelfall eine vertragliche Gestaltung im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrem Vorstandsmitglied, das zugleich Mehrheitsaktionär ist, einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds und nicht auf einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen Interessen ausgerichtet sein. In einem solchen Fall liegt auch bei einer AG eine vGA vor (Senatsurteil in BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438). Dasselbe gilt, wenn ―wie im Streitfall― der Mehrheitsaktionär inzwischen aus dem Vorstand der AG ausgeschieden ist und deren Aufsichtsrat angehört und nunmehr der seine Vorstandstätigkeit betreffende Vertrag nachträglich geändert wird.
2. Ob eine solche Vertragsänderung durch die Machtstellung des Mehrheitsaktionärs veranlasst ist oder nicht, muss das FG unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen konkreten Einzelfalls beurteilen. Im Revisionsverfahren kann seine Würdigung nur daraufhin überprüft werden, ob sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist und ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt. Ist beides nicht der Fall, so ist die Beurteilung des Sachverhalts durch das FG auch dann bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn sie nicht die allein mögliche oder naheliegende ist (Senatsurteil vom 10. Juli 2002 I R 55/01, BFH/NV 2003, 83; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rz. 24, m.w.N.).
3. Im Streitfall ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, dass die in Rede stehende Änderung des Vertrags zwischen der Klägerin und A maßgeblich auf die Stellung des A als Mehrheitsaktionär zurückgeht. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
a) Das FG ist davon ausgegangen, dass in dem Anstellungsvertrag des A aus dem Jahr 1980 zwar eine Witwenversorgung vereinbart, diese Versorgung aber für den Fall einer Eheschließung nach Eintritt des A in den Ruhestand ausdrücklich ausgeschlossen war. Es hat darin einen Ausdruck des berechtigten Interesses der Klägerin gesehen, nicht mit Versorgungsverpflichtungen gegenüber einer unter Umständen sehr jungen Witwe des A belastet zu werden. Diese Würdigung verstößt nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze. Im Gegenteil ist die Vereinbarung einer entsprechenden Klausel ―aus dem vom FG genannten Grund― im Wirtschaftsleben weit verbreitet.
b) Sodann hat das FG darauf abgestellt, dass A bis zum 31. Dezember 1986 Vorstandsmitglied der Klägerin war und dass während dieser Zeit die genannte Klausel nicht abgeändert wurde. Dies hat es dahin gedeutet, dass es einer solchen Abänderung nicht bedurfte, um A in der Zeit nach 1980 zur Fortsetzung seiner Vorstandstätigkeit zu bewegen. Darin ist ebenfalls kein Denkfehler zu erkennen.
c) Dasselbe gilt schließlich für die daraus vom FG gezogene Schlussfolgerung, dass die Klägerin nicht in die Änderung des ursprünglichen Vertrags eingewilligt hätte, wenn ihr Vertragspartner nicht zugleich ihr Mehrheitsaktionär gewesen wäre. Für diese Würdigung spricht vor allem, dass die Klägerin mit der Vertragsänderung das Risiko einer zusätzlichen finanziellen Belastung von unbestimmter Dauer einging, dem für sie selbst kein wirtschaftlicher Vorteil gegenüber stand. Ein solcher Vorteil kann insbesondere nicht in dem Wegfall der Bestimmung über die Abfindung des versorgungsberechtigten Ehegatten im Fall der Wiederheirat gesehen werden, da diese Klausel ―wie das FG zutreffend ausgeführt hat― im Zeitpunkt der Vertragsänderung nicht mehr wirksam werden konnte.
Zudem hat das FG zu Recht darauf verwiesen, dass auch die Vorgeschichte der Zusatzvereinbarung diese als Regelung erscheinen lässt, die einseitig an den Interessen des A orientiert war. Denn A lebte schon bei Abschluss des Anstellungsvertrags im Jahr 1980 von seiner damaligen Ehefrau getrennt und mit B zusammen. Gleichwohl wurde in jenem Vertrag die ihm zugestandene Witwenversorgung von der Bedingung abhängig gemacht, dass die Ehe vor Eintritt des A in den Ruhestand geschlossen wurde. A hat in diese Klausel also unter bewusster Inkaufnahme des konkreten Risikos eingewilligt, dass seine damalige Ehe nicht auf Dauer Bestand haben und dass dann die Vereinbarung über die Witwenversorgung möglicherweise leer laufen würde. Das deutet darauf hin, dass nach den Vorstellungen der Vertragsparteien nur eine in dieser Weise begrenzte Versorgungszusage angemessen war und dass auch eine Versorgung der B nur unter der im Anstellungsvertrag gesetzten Bedingung möglich sein sollte. In der Zeit zwischen seiner Scheidung und dem Eintritt in den Ruhestand hat A eine Aufhebung dieser Bedingung ebenfalls nicht erreicht. Die streitige Vertragsänderung wurde erst zu einem Zeitpunkt vereinbart, in dem A aus dem Vorstand ausgeschieden war und keine Gegenleistung mehr erbringen musste. Das spricht zusätzlich für die Annahme des FG, dass es bei dieser Vereinbarung nicht um einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien, sondern nur um die Befriedigung des inzwischen entstandenen zusätzlichen Versorgungsbedürfnisses des A ging.
d) Schließlich haben nach den Feststellungen des FG die übrigen Vorstandsmitglieder der Klägerin ebenfalls Pensionszusagen erhalten, nach denen eine Witwenversorgung davon abhängig ist, dass die Ehe vor Eintritt des Vorstandsmitglieds in den Ruhestand geschlossen wurde. Darin hat das FG ohne Rechtsfehler einen weiteren Anhaltspunkt dafür gesehen, dass die zu Gunsten des A wirkende Änderung durch dessen beherrschende Stellung veranlasst war. Der Hinweis der Klägerin, dass als "Äquivalent" für die Änderungsvereinbarung die Pensionsanwartschaften der aktiven Vorstandsmitglieder aufgestockt wurden, ändert daran nichts. Entscheidend ist, dass die gegenüber A erfolgte Erweiterung der Witwenversorgung sich auch aus dem Blickwinkel des Jahres 1989 als bei der Klägerin unüblich erweist, was für eine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis spricht. Angesichts dessen kann die Rüge der Klägerin, dass das FG die Vertragsänderungen im Verhältnis zu den aktiven Vorstandsmitgliedern nicht ausreichend berücksichtigt habe, der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.
e) In dem angefochtenen Urteil ist ausgeführt, dass es sich bei der Erweiterung der Pensionszusage allenfalls um ein Entgelt für in der Vergangenheit geleistete Dienste handeln könne und dass für die Vergangenheit gewährte Zuwendungen an beherrschende Gesellschafter "unter dem Gesichtspunkt des Nachzahlungs- bzw. Rückwirkungsverbots" generell vGA darstellten. Diese Formulierung könnte bei isolierter Betrachtung deshalb Bedenken begegnen, weil nach der Rechtsprechung des Senats bei einer AG ―anders als bei einer GmbH― auch bei Vorliegen eines Beherrschungsverhältnisses eine vGA nicht allein auf das Nachzahlungsverbot gestützt werden kann (Senatsurteile in BFHE 104, 530, BStBl II 1972, 436, und in BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438). Doch wird die Annahme des FG, dass die streitige Vereinbarung vornehmlich durch die Interessen des A bestimmt worden sei, von seinen weiteren Erwägungen in hinreichender Weise getragen. Angesichts dessen nötigt die genannte Formulierung nicht dazu, den Rechtsstreit zwecks erneuter Würdigung des Veranlassungszusammenhangs an das FG zurückzuverweisen.
4. Abgesehen davon ist der Streitfall in tatsächlicher Hinsicht nicht mit denjenigen Sachverhalten vergleichbar, die der zitierten Rechtsprechung des Senats zu Grunde lagen. Dort ging es im einen Fall um eine Gehaltserhöhung und eine nachträgliche Tantieme für zwei an der Gesellschaft beteiligte Vorstandsmitglieder; diese Leistungen waren von einem dreiköpfigen Aufsichtsrat beschlossen worden, dem neben dem Justitiar der Gesellschaft ein Vertreter des nicht im Vorstand vertretenen Minderheitsaktionärs und ein Arbeitnehmervertreter angehörten (Senatsurteil in BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438). Im anderen Fall bestand der Aufsichtsrat nach dem Vortrag der klagenden Gesellschaft aus sechs Personen, von denen eine dem nicht durch die Vereinbarung begünstigten Minderheitsaktionär und zwei der Arbeitnehmerschaft zuzurechnen waren (Urteil in BFHE 104, 530, BStBl II 1972, 436). Diese personellen Zusammensetzungen ließen nach Ansicht des Senats den Schluss zu, dass der Aufsichtsrat sich nicht einseitig an den Interessen der begünstigten Aktionäre, sondern vor allem am Ziel eines gerechten Interessenausgleichs orientiert hatte. Dagegen war im Streitfall A nach den Feststellungen des FG nicht nur zu 90 v.H. am Grundkapital der Klägerin beteiligt und selbst Vorsitzender des Aufsichtsrats, sondern zudem bei der Auswahl der übrigen Aufsichtsratsmitglieder völlig frei. Insbesondere unterlag die Klägerin als "Familiengesellschaft" i.S. des § 76 Abs. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG 1952) vom 11. Oktober 1952 (BGBl I 1952, 681) nicht dem betriebsverfassungsrechtlichen Gebot, ein Drittel des Aufsichtsrats mit Vertretern der Arbeitnehmer zu besetzen (§ 76 Abs. 1 BetrVG 1952). Angesichts dessen ist der Schluss des FG möglich, dass hier keine neutrale Besetzung des Aufsichtsrats gewährleistet war, die im Verhältnis zu A einen angemessenen Interessenausgleich verbürgt hätte.
Fundstellen
Haufe-Index 939119 |
BFH/NV 2003, 946 |
HFR 2003, 795 |