Leitsatz (amtlich)
Besteht - insbesondere im Rahmen vorweggenommener Erbfolge - ein Zusammenhang einer Leibrentenverpflichtung mit Unterhaltsansprüchen, so kann ein wirtschaftlicher Zusammenhang (§ 121 Abs. 3 Satz 2 BewG) dieser Verbindlichkeit mit dem Inlandsvermögen des Verpflichteten nicht angenommen werden.
Normenkette
BewG 1965 § 121 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Vater der beschränkt steuerpflichtigen Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) war Kommanditist zweier inländischer Kommanditgesellschaften. Mit Vertrag vom 29. März 1971 übertrug er im Wege der vorweggenommenen Erbfolge je 25 v. H. seiner Kommanditanteile auf die drei Geschwister der Klägerin. Dieser bot er die restlichen 25 v. H. an. Er verband das Angebot mit der Auflage, daß die Klägerin ihren Eltern gesamtschuldnerisch mit ihren Geschwistern eine monatliche Rente von 10 000 DM leiste. Zusätzlich verpflichteten sich die Kinder, die darauf entfallende Einkommensteuer, die im Inland geschuldete Vermögensteuer und die Prämien für zugunsten der Eltern und deren Enkelkinder abgeschlossene Lebensversicherungen zu bezahlen. Die Höhe der Rente wurde mit dem Lebenshaltungskostenindex verknüpft. Die Leistungen waren am Ende eines jeden Monats von den erwähnten Gesellschaften zu erbringen. Die Klägerin trat dieser Vereinbarung im Jahre 1971 bei.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) veranlagte die Klägerin auf den 1. Januar 1972 mit dem Inlandsvermögen zur Vermögensteuer. Dabei berücksichtigte er die auf sie entfallenden Anteile an den Einheitswerten des Betriebsvermögens der beiden Personengesellschaften mit 284 071 DM. Das FA versagte jedoch den Abzug der die Klägerin betreffenden Rentenlast im Kapitalwert von 231 713 DM mit der Begründung, daß diese wirtschaftlich nicht mit dem Inlandsvermögen zusammenhänge.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus, daß die Verpflichtung zur Zahlung der Leibrente zutreffend zwar nicht bereits bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zu berücksichtigen sei. Private Schulden eines beschränkt Steuerpflichtigen könnten jedoch vom Rohvermögen abgezogen werden, wenn sie wirtschaftlich mit dem Inlandsvermögen zusammenhingen (§ 121 Abs. 3 Satz 2 des Bewertungsgesetzes 1965 - BewG -). Ein solcher Zusammenhang sei im Streitfall zu bejahen. Hierfür sei nicht erforderlich, daß die Verbindlichkeit zu den Betriebsschulden gehöre. Auch das die Verpflichtung auf einer teilweise vorweggenommenen Erbfolgeregelung beruhe, stehe dem Abzug nicht entgegen. Entscheidend sei, daß die Klägerin die Kommanditanteile nicht ohne Übernahme der Verbindlichkeiten habe erwerben können und daß diese nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, sondern durch Einzelrechtsnachfolge übertragen worden seien (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 10. Juni 1941 III 70/41, RStBl 1941, 731; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. September 1962 III 242/60 U, BFHE 75, 738, BStBl III 1962, 535).
Mit der vom Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 121 Abs. 3 Satz 2 BewG.
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin stellt den Antrag, die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den streitigen Besitz- und Schuldposten sei zu bejahen, weil die Begründung der Rentenlast Bedingung für den Erwerb der Kommanditanteile gewesen sei. Das Inlandsvermögen werde auch wirtschaftlich belastet. Denn wegen der Rentenverpflichtung könne in die Gesellschaftsanteile vollstreckt werden. Es sei unschädlich, daß den Rentenberechtigten rechtlich ein Unterhaltsanspruch gegenüber der Klägerin zustehe. Das Rentenversprechen diene nicht, jedenfalls nicht nur, der Erfüllung einer Unterhaltspflicht. Es sei als Gegenleistung für den Erwerb der Kommanditanteile abgegeben worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes (VStG) beschränkt steuerpflichtige Klägerin war zum streitigen Hauptveranlagungszeitpunkt mit ihrem Inlandsvermögen (§ 121 BewG) zur Vermögensteuer heranzuziehen (vgl. § 2 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 VStG). Zum Inlandsvermögen gehören auch die Kommanditanteile der Klägerin (vgl. § 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG).
a) Bei der Ermittlung des Werts des Inlandsvermögens sind vom (Roh-)Inlandsvermögen nur die Schulden und Lasten abzuziehen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Inlandsvermögen stehen (§ 121 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 118 Abs. 1 BewG) und dieses wirtschaftlich belasten (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1967 III 319/63, BFHE 89, 244, BStBl III 1967, 596). § 121 Abs. 2 Satz 3 - 2. Halbsatz - BewG soll verhindern, daß Schulden, die nicht wirtschaftlich mit Vermögensgegenständen verknüpft sind, die bei den Besitzposten zu erfassen sind, die vermögensteuerliche Bemessungsgrundlage (§ 4 Abs. 1 VStG) beschränkt Steuerpflichtiger mindern. Diese Einschränkung des Schuldenabzugs gilt bei der Ermittlung des Inlandsvermögens i. S. des § 121 Abs. 2 BewG insgesamt und damit auch beim inländischen Betriebsvermögen (§ 121 Abs. 2 Nr. 3 BewG).
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats - wie schon des RFH (vgl. Urteil vom 14. November 1935 III A 134/34, RStBl 1935, 1465) - setzt der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen einem Vermögensgegenstand und einer Schuld oder Last voraus, daß deren Entstehung ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die diesen Vermögensgegenstand betreffen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1972 III R 44/70, BFHE 107, 147, BStBl II 1973, 3). Danach ist der wirtschaftliche Zusammenhang insbesondere zu bejahen, wenn eine Verbindlichkeit zum Erwerb, zur Sicherung oder zur Erhaltung eines Wirtschaftsguts eingegangen worden ist (vgl. BFHE 75, 738, BStBl III 1962, 535). Anders ist es jedoch, wenn ein beschränkt Steuerpflichtiger aus rein familiären Gründen - etwa um seine Unterhaltspflicht zu erfüllen - bzw. aufgrund sonstiger persönlicher Erwägungen Wirtschaftsgüter des Inlandsvermögens belastet (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 1964 III 336/61, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Bewertungsgesetz 1934, § 77, Rechtsspruch 9; Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 449; in BFHE 75, 738, BStBl III 1962, 535, und vom 14. November 1951 IV 215/50 U, BFHE 55, 581, BStBl III 1951, 235; sowie das RFH-Urteil vom 8. Januar 1929 I A 205/28, RStBl 1929, 167).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze sind im Streitfall die Voraussetzungen für den Schuldenabzug nach § 121 Abs. 3 Satz 2 BewG nicht erfüllt. Es fehlt an dem erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Gesellschaftsanteilen der Klägerin und der von ihr übernommenen Rentenlast. Dafür sind die folgenden Erwägungen maßgebend:
Der Vereinbarung über die vorweggenommene Erbfolge ist zu entnehmen, daß die Klägerin die Verfügungsmacht über die Gesellschaftsanteile nur unter der Voraussetzung erlangen konnte, daß sie die ausbedungenen Verpflichtungen übernahm. Entgegen der Auffassung von FG und Klägerin reicht diese rechtliche Verknüpfung im Streitfall nicht aus, um auch einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Beteiligungen und den übernommenen Verpflichtungen herzustellen. Denn die Entstehung der eingegangenen Verbindlichkeiten beruht nicht ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen, die das inländische Betriebsvermögen betreffen. Insbesondere wurden die Verpflichtungen nicht zum Erwerb der Gesellschaftsanteile begründet. Vielmehr kann die Würdigung aller im Wege der vorweggenommenen Erbfolge getroffenen vermögensrechtlichen Abmachungen und ihrer tatsächlichen Durchführung nur ergeben, daß für Art und Umfang der Rentenvereinbarung weitgehend persönliche, von Unterhaltsgesichtspunkten getragene Erwägungen maßgebend waren. Dafür spricht insbesondere, daß sich die von den Kindern zu erbringenden Leistungen nicht an den Verkehrswerten der Gesellschaftsanteile orientierten, sondern auf die Versorgungsbedürfnisse der Eltern zugeschnitten waren. Dafür spricht u. a. auch die Bindung der Rentenhöhe an den Lebenshaltungskostenindex und, daß die Kinder ihren Eltern zusätzlich die Bezahlung von künftigen persönlichen Steuerschulden und Lebensversicherungsprämien zusagten. Die Einbeziehung der Mutter in diese Vereinbarung, obwohl sie keine Vermögenswerte auf die Kinder übertragen hatte, ist ein weiterer Beleg dafür, daß die Rentenverpflichtung in erster Linie den Lebensunterhalt der Eltern sicherstellen sollte und nicht als Gegenleistung für die Übertragung der Gesellschaftsanteile anzusehen ist. Die Klägerin räumt selbst ein, daß das Rentenversprechen teilweise auch der Erfüllung der Unterhaltspflicht diene.
Besteht aber - insbesondere im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolgevereinbarung - ein Zusammenhang einer Leibrentenverpflichtung mit Unterhaltsansprüchen, so kann ein wirtschaftlicher Zusammenhang i. S. des § 121 Abs. 3 Satz 2 BewG dieser Verbindlichkeit mit Inlandsvermögen des Verpflichteten nicht bejaht werden.
3. Da die Vorinstanz bei ihrer Entscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war das FG-Urteil nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben. Da die Sache spruchreif ist, war die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 74273 |
BStBl II 1982, 449 |
BFHE 1982, 338 |