Leitsatz (amtlich)
Die Möglichkeit, daß im Falle der Betriebsaufspaltung der Alleininhaber des Besitzunternehmens, der mit 90,91 v. H. an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist, seinen Willen in der Betriebsgesellschaft nicht durchzusetzen vermag, ist nur gegeben, wenn die Geltendmachung von Minderheitsrechten der Mitgesellschafter (§ 50, § 61 Abs. 2 GmbHG) oder tatsächliche wirtschaftliche Zwänge die Durchsetzbarkeit ausschließen.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) hatte mit Wirkung vom 1. Januar 1951 sein Unternehmen (den Einzelhandel mit Herrenoberbekleidung) in eine Betriebsgesellschaft mbH eingebracht und sich als Einzelunternehmer auf die Verpachtung des Betriebsgrundstücks, weiterer auf einem Fremdgrundstück belegener Geschäftsräume sowie des Inventars an die GmbH beschränkt. Im Jahre 1956 beteiligte der Steuerpflichtige seinen Prokuristen mit 9,09 v. H. am Stammkapital der GmbH (von 110 000 DM). Am 1. April 1961 übertrug die GmbH den Betrieb wieder auf die Einzelfirma des Steuerpflichtigen zurück; sie verwaltet seitdem nur noch das ihr verbliebene Restvermögen.
Mit seinem Einspruch gegen die nach Durchführung einer Betriebsprüfung berichtigten einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheide 1957 bis 1961 wandte sich der Steuerpflichtige - insoweit erfolglos - gegen die Annahme seiner Gewerbesteuerpflicht für die Zeit vom 1. Januar 1957 bis 31. März 1961. Seiner noch nach altem Recht eingelegten, sodann als Klage behandelten Berufung gab das FG statt. Seine Entscheidung ist in den EFG 1970, 88 veröffentlicht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage - mit Ausnahme der Änderung des Streitwerts für das Einspruchsverfahren - als unbegründet kostenpflichtig zurückzuweisen. Zur Begründung führt das FA aus:
Die Rechtsauffassung des FG gehe fehl. Die wirtschaftliche Einheit des formalrechtlich zweigeteilten Unternehmens bleibe auch dann bestehen, wenn an der Betriebsgesellschaft dritte Personen zu mehr als 2 v. H. beteiligt seien, diese jedoch den in beiden Unternehmen wirksamen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen des Einzelunternehmers und Hauptgesellschafters nicht in Frage zu stellen vermöchten. Auf das Urteil des BFH IV R 16/69 vom 9. Juli 1970 (BFH 99, 533, BStBl II 1970, 722) werde Bezug genommen.
Im übrigen habe das FG die Vorschrift des § 232 Abs. 1 AO unbeachtet gelassen, da es andernfalls zu einer anderen Kostenentscheidung hätte gelangen müssen.
Der Steuerpflichtige beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die sachlichen Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung seien nicht streitig. Es gehe allein um die Voraussetzungen im persönlichen Bereich. Der BFH habe in seinem Beschluß Gr. S. 2/71 vom 8. November 1971 (BFH 103, 440, BStBl II 1972, 63) gefordert, daß der Inhaber oder die Gesellschafter des Besitzunternehmens - hier der Steuerpflichtige als Alleininhaber des Besitzunternehmens - zur Durchsetzung seines (ihres) Willens auch in der Betriebsgesellschaft in der Lage sein müsse (müßten). Diese Möglichkeit scheitere indes in der Mehrzahl der Fälle daran, daß einmal die Handlungsfreiheit des Steuerpflichtigen in der Betriebsgesellschaft notwendig beeinträchtigt sei und daß es ihm - zum anderen - wirtschaftlich nicht gleichgültig sein könne, ob der Gewinn beim Besitzunternehmen oder bei der Betriebsgesellschaft anfalle. So stoße er - selbst bei einer 75 v. H. oder mehr betragenden Beteiligung - bei der Durchsetzung seines Willens zwangskläufig auf den Widerspruch seines Mitgesellschafters, der dabei jeden Schutz genieße, den das Gesetz dem Minderheitsgesellschafter gewähre; denn müsse es ihm z. B. daran gelegen sein, den Gewinn der Betriebsgesellschaft so weitgehend wie möglich auf das Besitzunternehmen hinüberzuleiten, sei das Interesse seines Mitgesellschafters dem gerade entgegengesetzt. Der Alleininhaber des Besitzunternehmens habe danach die vom BFH geforderte Möglichkeit, seinen Willen auch in der Betriebsgesellschaft durchzusetzen, nur dann, wenn in tatsächlicher Hinsicht eine Situation gegeben sei, die es ihm - wie der Beherrschungsvertrag im Falle der Eingliederung nach § 319 AktG dem beherrschenden Unternehmen - erlaube, auch Maßnahmen zum Nachteil der Betriebsgesellschaft und zum ausschließlichen Vorteil des Besitzunternehmens zu treffen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Betriebsaufspaltung mit der Folge des Fortbestehens der Gewerbesteuerpflicht des Besitz-Personenunternehmens anzunehmen ist, hat nunmehr im Beschluß des BFH Gr.S. 2/71 (a. a. O.) ihre abschließende Beantwortung erfahren. Danach kommt es entscheidend darauf an, ob die hinter beiden Unternehmen stehenden Personen "einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen" haben. Dies trete zwar am klarsten zutage, wenn am Besitzunternehmen und an der Betriebsgesellschaft dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt seien. Es genüge aber auch, "daß die Person oder die Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen, in der Lage sind, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchzusetzen". In diesem Falle stelle die Vermietung oder Verpachtung der wesentlichen Betriebsanlagen in Verbindung mit der Beherrschung der Betriebsgesellschaft die Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit des Besitzunternehmens dar. Ob diese Voraussetzung vorliege, sei nach den Verhältnissen des jeweiligen Falles unter Anlegung eines strengen Maßstabes zu entscheiden.
Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Streitfall erfüllt. Die Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Betriebsgesellschaft betrug während der streitigen Erhebungszeiträume 90,91 v. H. Damit war sein maßgeblicher Einfluß auf die Beschlüsse der Betriebsgesellschaft, auch soweit diese eine Stimmenmehrheit von drei Viertel erforderten, gesichert.
Darin, daß diese Voraussetzung nur dann als gegeben anzusehen sei, wenn der Steuerpflichtige in der Lage sei, Maßnahmen auch zum Nachteil der Betriebsgesellschaft und zum ausschließlichen Vorteil des Besitzunternehmens zu treffen, kann der Senat ihm für den Regelfall nicht folgen. Nur wenn durch seine Weisungen an die Geschäftsführung oder durch seine in der Gesellschafterversammlung durchgesetzten Beschlüsse Rechte des Minderheitsgesellschafters verletzt werden und die Geltendmachung ihrer Verletzung ihm zu Korrekturen seiner Maßnahmen Anlaß gibt, oder wenn tatsächliche wirtschaftliche Zwänge die Durchsetzbarkeit des Willens des Steuerpflichtigen ausschließen - für deren Vorliegen hier nichts dargetan oder ersichtlich ist -, könnte es am Vorliegen dieser Voraussetzung fehlen. Im Streitfalle hatte der Mitgesellschafter des Steuerpflichtigen nur 9,09 v. H. der Anteile in Besitz, so daß es ihm für die Geltendmachung von Minderheitsrechten an 0,91 v. H. der Anteile fehlte (§ 50, § 61 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung). Damit konnte im vorliegenden Streitfalle die Stellung des Steuerpflichtigen hinsichtlich der Durchsetzbarkeit seines Willens auch in der Betriebsgesellschaft nicht gefährdet werden.
Fundstellen
Haufe-Index 413218 |
BStBl II 1972, 634 |
BFHE 1972, 495 |