Entscheidungsstichwort (Thema)
AfA bei in Bruchteilseigentum stehendem häuslichen Arbeitszimmer
Leitsatz (NV)
Nutzt in einem Bruchteilseigentümern zu je 1/2 gehörenden Einfamilienhaus eine Bruchteilseigentümerin allein ein Arbeitszimmer, so ist die auf diesen Raum anteilig entfallende AfA insgesamt als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen, wenn sie die Anschaffungskosten zur Hälfte getragen hat.
Normenkette
EStG §§ 7, 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, § 19
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr Lebenspartner sind Lehrer. Sie sind Miteigentümer eines Einfamilienhauses zu je 1/2 Anteil. Von der gesamten Wohnfläche des Hauses entfallen 27,55 qm (12,33 v. H.) auf das dem Grunde nach steuerlich anerkannte Arbeitszimmer der Klägerin und 13,62 qm (6,1 v. H.) auf dasjenige ihres Lebenspartners.
Schuldner der zur Finanzierung des Kaufpreises aufgenommenen Darlehen waren überwiegend die Klägerin und ihr Lebenspartner gemeinsam, zu einem geringen Teil der Lebenspartner allein. Die Gehälter der Klägerin und ihres Lebenspartners wurden auf ein gemeinsames Konto überwiesen. Von diesem Konto wurden per Dauerauftrag monatlich ... DM auf ein weiteres gemeinsames Konto übertragen. Von diesem Konto wurden die Zinsen und die laufenden Kosten des Einfamilienhauses bezahlt.
Die anteilig auf das Arbeitszimmer der Klägerin entfallenden laufenden Kosten sowie die anteiligen Absetzungen für Abnutzung (AfA) erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) nur zur Hälfte als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit des Streitjahres 1990 an. Er begründet dies damit, daß die Klägerin nur zu einem Anteil von 1/2 Miteigentümerin des Einfamilienhauses sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es entschied, im Streitfall bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin mit ihrem Lebenspartner eine von der gesetzlichen Regel des § 748 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) -- hälftige Kostenteilung bei Miteigentum zu 1/2 -- abweichende Vereinbarung über die Kostentragung getroffen habe. Aus der Art der Begleichung der Grundstücksaufwendungen sei zu schließen, daß die Hauskosten von beiden Miteigentümern je zur Hälfte hätten getragen werden sollen. Die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. April 1987 VI R 91/85 (BFHE 149, 572, BStBl II 1987, 623) und vom 12. Februar 1988 VI R 141/85 (BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764), nach denen bei der alleinigen Nutzung eines Arbeitszimmers durch einen Miteigentümer diesem die gesamten AfA zuzubilligen seien, seien nicht überzeugend.
Die Klägerin stützt ihre Revision auf eine Verletzung des § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie rügt außerdem eine Abweichung von BFH-Urteilen in BFHE 149, 572, BStBl II 1987, 623, und in BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des angefochtenen Steuerbescheides weitere Werbungskosten von ... DM anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Anerkennung der anteilig auf das häusliche Arbeitszimmer der Klägerin entfallenden laufenden Kosten und der anteiligen AfA als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 7 EStG) bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann die Klägerin die anteilig auf ihr Arbeitszimmer entfallenden Aufwendungen und die anteilige AfA insgesamt und nicht nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil zur Hälfte als Werbungskosten abziehen.
Der Senat hat in dem Urteil in BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764 entschieden, daß ein Ehemann, der allein ein Arbeitszimmer nutzt, das in einem den Eheleuten zu je 1/2 gehörenden Einfamilienhaus liegt, die anteilig auf den Raum entfallende AfA nach § 7 b, § 7 Abs. 4 EStG ohne Rücksicht auf den halben Miteigentumsanteil der Ehefrau als Werbungskosten abziehen kann. Die Zuordnung der AfA hat er damit begründet, daß bei gemeinschaftlichem Bruchteilseigentum die Sache selbst, also das Haus, weder real noch ideell -- also auch nicht bezüglich des Arbeitszimmers -- geteilt wird. Nach dem Urteil in BFHE 149, 572, BStBl II 1987, 623 kann der Ehemann bei der geschilderten Fallgestaltung auch die anteilig auf das Arbeitszimmer entfallenden Schuldzinsen insgesamt und nicht nur zur Hälfte als Werbungskosten abziehen.
Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Sie ist von der Verwaltung akzeptiert worden (vgl. Abschn. 45 Satz 6 der Lohnsteuer-Richtlinien 1993) und hat Eingang in die steuerliche Praxis gefunden. Der Große Senat hat sie in seinem Beschluß vom 30. Januar 1995 GrS 4/92 (BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281) über den Vorlagebeschluß vom 9. Juli 1992 IV R 115/90 (BFHE 169, 56, BStBl II 1992, 948) ebenfalls nicht in Frage gestellt.
Das bedeutet für den Streitfall, daß die Klägerin die anteilig auf ihr Arbeitszimmer entfallenden laufenden Kosten sowie die anteilige AfA voll und nicht nur zur Hälfte abziehen kann. Die Einkommensteuer der Klägerin ist deshalb gemäß dem Klagebegehren herabzusetzen. Denn die Klägerin war -- ebenso wie jeweils der Ehemann in den angeführten Senatsurteilen -- Miteigentümerin des Einfamilienhauses zu 1/2. Sie hat nach den tatsächlichen Feststellungen des FG auch die Hälfte der gesamten Hauskosten einschließlich der Anschaffungskosten getragen. Ihr sind damit im Streitjahr insgesamt höhere Aufwendungen für das Haus entstanden als diejenigen, die sie als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht hat. Die von ihr insgesamt getragenen Aufwendungen sind in erster Linie dem von ihr allein genutzten Raum zuzuordnen.
Unerheblich ist, daß die Klägerin mit dem Miteigentümer des Hauses nicht verheiratet ist. Denn der Umstand, daß die Miteigentümer miteinander verheiratet waren, war in den Urteilen in BFHE 149, 572, BStBl II 1987, 623, und in BFHE 152, 491, BStBl II 1988, 764 nur insoweit von Bedeutung, als den Ehegatten unabhängig davon, welcher Ehegatte die Aufwendungen tatsächlich getragen hatte, die Anschaffungskosten je zur Hälfte zuzurechnen waren. Darüber, daß die Klägerin die Anschaffungskosten des Hauses zur Hälfte getragen hat, besteht im Streitfall aufgrund der vom FG festgestellten tatsächlichen Umstände kein Streit.
Fundstellen
Haufe-Index 65458 |
BFH/NV 1995, 879 |