Leitsatz (amtlich)
Die Begünstigungsvorschrift des § 68 Nr. 6a des Bewertungsgesetzes i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 10. August 1963 - BewG - (§ 111 Nr. 9 BewG 1965) gilt auch für Ansprüche auf wiederkehrende Nutzungen, deren Kapitalwert nach dem Jahreshöchstwert des § 17a Abs. 1 BewG (§ 16 Abs. 1 BewG 1965) ermittelt wurde. Der Höchstbetrag nach § 17a BewG ist daher bei über 60 Jahre alten oder erwerbsunfähigen Nutzungsberechtigten um den Freibetrag des § 68 Nr. 6a BewG von 3 600 DM zu kürzen.
Normenkette
BewG i.d.F. des ÄndG-BewG vom 10. August 1963 § 17; BewG i.d.F. des ÄndG-BewG vom 10. August 1963 § 17a; BewG i.d.F. des ÄndG-BewG vom 10. August 1963 § 67 Abs. 1 Nr. 4; BewG i.d.F. des ÄndG-BewG vom 10. August 1963 § 68 Nr. 6a
Tatbestand
Die Steuerpflichtige wurde durch Bescheid vom 4. September 1964 zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1963 veranlagt. Sie war am 1. Januar 1963 68 Jahre alt. Sie hat ein lebenslängliches 50 %iges Nießbrauchsrecht an Vermögensgegenständen, deren Wert 178 444 DM beträgt. Das FA ermittelte gemäß Abschn. 70 Abs. 2 VStR 1963 den erzielbaren Jahreswert des Nießbrauchs nach § 17 Abs. 3 BewG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 10. August 1963 - ÄndG-BewG 1963 - (BGBl I 1963, 676, BStBl I 1963, 608) - nachfolgend BewG genannt - und kürzte diesen Wert um den Freibetrag nach § 68 Nr. 6a BewG. Dies ergab einen Jahresbetrag von (18 000 ./. 3 600) = 14 400 DM. Da dieser Betrag erheblich höher war als der nach § 17a BewG anzusetzende Höchstwert, berechnete es den Kapitalwert nach diesem Höchstwert wie folgt:
Wert des genutzten Vermögens = 178 444 DM
Höchstwert nach § 17a Abs. 1 BewG
(178 444 : 18) = 9 913 DM
50 % des Werts = 4 956 DM
Vervielfältiger nach § 16 Abs. 2
Nr. 11 BewG beim 68. Lebensjahr = 8 = 4 956 DM x 8
Kapitalwert = 39 648 DM
Demgemäß setzte das FA den Wert des Nießbrauchs auf 39 648 DM fest.
Die Steuerpflichtige meint, der Kapitalwert ihres Nießbrauchsrechts betrage 10 856 DM, da der Höchstwert nach § 17a Abs. 1 BewG um den Freibetrag gemäß § 68 Nr. 6a BewG zu kürzen sei. Sie geht von folgender Berechnung aus:
Höchstwert nach § 17a Abs. 1 BewG 4 957 DM
./. Freibetrag nach § 68 Nr. 6a BewG 3 600 DM
1 357 DM
Vervielfältiger nach § 16 Abs. 2
Nr. 11 BewG = 8
Kapitalwert = 8x 1 357 DM = 10 856 DM
Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das FG führt in seinem in EFG 1966, 58 veröffentlichten Urteil aus: § 17a Abs. 1 BewG sei auch bei der Berechnung des Jahreswerts der Nutzung nach § 68 Nr. 6a BewG zu berücksichtigen. Der Höchstbetrag des § 17a Abs. 1 BewG könne nicht nach Abschn. 70 Abs. 2 Satz 3 VStR 1963 berechnet werden, da sich der Freibetrag des § 68 Nr. 6a BewG bei den über 60 Jahre alten oder erwerbsunfähigen Nutzungsberechtigten nicht auswirke, bei denen der tatsächliche, um den Freibetrag gekürzte Jahreswert des § 17 BewG den Höchstbetrag des § 17a BewG übersteige. Das Gesetz gebe keinen Anhaltspunkt, daß der Freibetrag von 3 600 DM nur minderbemittelten Nutzungsberechtigten zustehe. Im Vermögensteuerrecht sei nur der Kapitalwert einer Nutzung maßgebend, da nur er der Vermögensteuer unterliege. Der Jahreswert der Nutzung sei lediglich die Basis zur Errechnung des Kapitalwerts. § 17a BewG begrenze den Jahreswert der Nutzung schlechthin in allen Fällen, bei denen der Kapitalwert einer Nutzung festzustellen sei. Er sei daher bei Ermittlung des Kapitalwerts von lebenslänglichen Nutzungen nach § 16 BewG ebenso zu berücksichtigen wie bei Anwendung des § 68 Nr. 6a BewG.
Das FA rügt mit der Rechtsbeschwerde, die ab 1. Januar 1966 als Revision zu behandeln ist, unrichtige Anwendung bestehenden Rechts. Es ist der Ansicht, daß § 17a Abs. 1 BewG die Gewährung eines Freibetrags nach § 68 Nr. 6a BewG in der Regel ausschließe. § 68 Nr. 6a BewG nehme auf den Jahreswert von Nutzungen im Sinne des § 17 BewG Bezug. § 17a BewG sei dagegen bei Ermittlung des Kapitalwerts von Nutzungen eines Wirtschaftsguts anzuwenden, nicht aber dort, wo es ebenfalls auf den Jahreswert des Nutzungsrechts ankomme. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei der Freibetrag von 3 600 DM gemäß § 68 Nr. 6a BewG daher nur vom tatsächlichen Jahreswert des § 17 BewG abzuziehen. § 68 Nr. 6a BewG befreie einen Teil der Nutzungen von der Vermögensteuer, damit den alten und erwerbsunfähigen Steuerpflichtigen das Existenzminimum ungeschmälert verbleibe. Dieser Zweck werde bei der Berechnung des Kapitalwerts nach Abschn. 70 Abs. 2 VStR 1963 nicht beeinträchtigt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Im Streitfall geht es um die Auslegung des § 68 Nr. 6a BewG. Nach dieser Vorschrift gehören Ansprüche auf Renten und andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen nicht zum sonstigen Vermögen, soweit der Jahreswert der Nutzungen oder Leistungen insgesamt 3 600 DM nicht übersteigt, wenn der Berechtigte über 60 Jahre alt oder voraussichtlich für mindestens drei Jahre erwerbsunfähig ist. Streitig ist, ob der Freibetrag von 3 600 DM auch zu berücksichtigen ist, wenn der Kapitalwert von Nutzungsrechten nach einem Jahreswert im Sinne des § 17a Abs. 1 BewG zu berechnen ist. Nach dieser Vorschrift darf bei Ermittlung des Kapitalwerts von Nutzungen eines Wirtschaftsguts der Jahreswert dieser Nutzung nicht mehr als der 18. Teil des Werts betragen, der sich nach den Vorschriften des BewG für das genutzte Wirtschaftsgut ergibt. Die VStR 1963 (Abschn. 70 Abs. 2) legen die Freibetragsregelung nach § 68 Nr. 6a BewG dahin aus, daß der Höchstwert des § 17a Abs. 1 BewG nicht um den Freibetrag des § 68 Nr. 6a BewG gemindert werden darf; der Kapitalwert eines Nutzungsrechts solle nur dann nach § 17a Abs. 1 BewG ermittelt werden, wenn der Jahreshöchstwert ohne Abzug des Freibetrages den um den Freibetrag gekürzten erzielbaren Jahreswert des § 17 Abs. 3 BewG übersteigt. Diese Auffassung wird gebilligt von den Bewertungs- und Vermögensteuerreferenten der Länder (Besprechung vom 1./2. Oktober 1963, mitgeteilt im Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 18. November 1963, Der Betrieb 1963 S. 1628 - DB 1963, 1628 -) sowie u. a. von Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl. § 68 BewG Anm. 13, und Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, § 68 BewG Anm. 39 und 40). Anderer Ansicht sind u. a. Kolitschus (DB 1963, 1338); Eisenblätter (NWB Fach 9, 815) und Brünger (Die Information über Steuer und Wirtschaft, Ausgabe L 1964 S. 68 - Inf/L 1964, 68 -).
Ist - wie hier - die Auslegung von Vorschriften streitig, so ist nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile III 99/64 U vom 9. Oktober 1964, BFH 80, 458, BStBl III 1964, 640, und III 67/63 U vom 8. Oktober 1965, BFH 83, 560, BStBl III 1965, 702) in erster Linie vom Wortlaut des Gesetzes auszugehen; daneben ist aber auch die Gesetzessystematik sowie der Zweck und die Entstehungsgeschichte der Vorschriften heranzuziehen.
1. Nach Ansicht des Senats läßt sich die Streitfrage nach dem Wortlaut der §§ 17a Abs. 1, 68 Nr. 6a BewG nicht eindeutig beantworten. Der Gesetzgeber hat in diesen Vorschriften den Abzug des Freibetrags nach § 68 Nr. 6a BewG vom Jahreshöchstbetrag des § 17a Abs. 1 BewG weder ausdrücklich gestattet noch ausdrücklich verboten. Das FA meint, der Wortlaut des § 17a Abs. 1 BewG schlösse die Gewährung des Freibetrags nach § 68 Nr. 6a BewG aus, weil der Höchstwert von jährlichen Nutzungen nur "bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsguts" zu berücksichtigen sei. Diese Auslegung ist nicht zwingend. § 17a BewG gehört zu den allgemeinen Bewertungsvorschriften des Ersten Teils des BewG. Ob der nach § 17a Abs. 1 BewG begrenzte Jahreshöchstwert auch sonst zu beachten ist, ist auch nach den besonderen Bewertungsvorschriften des Zweiten Teils des BewG zu beurteilen, da diese nach § 1 BewG den allgemeinen Bewertungsvorschriften vorgehen. § 68 Nr. 6a BewG gehört zu den Vorschriften des Zweiten Teils des BewG. Er befaßt sich zwar nicht wie § 17a Abs. 1 BewG mit der Ermittlung des Kapitalwerts von Nutzungsrechten; er enthält aber ebenfalls den Begriff des "Jahreswerts" von wiederkehrenden Nutzungen. § 68 Nr. 6a BewG läßt nicht eindeutig erkennen, ob er mit dem Wort "Jahreswert" nur den erzielbaren Wert des § 17 BewG oder auch den Höchstwert des § 17a BewG meint. Diese Frage ist jedoch für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidend. Ist unter dem Jahreswert im Sinne des § 68 Nr. 6a BewG nämlich auch der Höchstwert nach § 17a Abs. 1 BewG zu verstehen, so ist der Freibetrag des § 68 Nr. 6a BewG auch für die Nutzungsrechte zu gewähren, deren Jahreswert nach § 17a BewG ermittelt wurde.
2. Berücksichtigt man die systematische Stellung der §§ 17a Abs. 1, 68 Nr. 6a BewG im Hinblick auf die hier streitige Vermögensteuer-Veranlagung 1963, so ist die Streitfrage wie folgt zu beurteilen:
Gemäß § 4 Abs. 1 VStG ist bei der Veranlagung zur Vermögensteuer das Gesamtvermögen unbeschränkt Steuerpflichtiger mit dem Wert anzusetzen, der sich nach den §§ 73 bis 77 BewG ergibt. Gesamtvermögen ist gemäß § 73 BewG grundsätzlich der Wert des gesamten Vermögens. Es umfaßt nach §§ 18 Abs. 1, 19 BewG auch das sogenannte "sonstige Vermögen" nach §§ 67 bis 72 BewG. Zum sonstigen Vermögen gehört nach § 67 Abs. 1 Nr. 4 BewG in der zum 1. Januar 1963 gültigen Fassung (vgl. Art. 7 ÄndG-BewG 1963, a. a. O.) der Kapitalwert von Nießbrauchsrechten und von Rechten auf Renten und andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen unter der Voraussetzung, daß das Recht dem Berechtigten auf Lebenszeit oder auf Lebenszeit einer anderen Person, auf unbestimmte Zeit oder auf die Dauer von mindestens zehn Jahren zusteht. Der Kapitalwert ist gemäß § 1 BewG nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften zu bemessen. Er beträgt nach § 16 BewG je nach dem Lebensalter das Ein- oder Mehrfache des Wertes der einjährigen Nutzung. Der Jahreswert der Nutzung richtet sich nach § 17 BewG. Er ist jedoch nach § 17a Abs. 1 BewG auf den 18. Teil des Werts des genutzten Wirtschaftsguts begrenzt.
Der hiernach ermittelte Kapitalwert von Nutzungsrechten im Sinne des § 67 Abs. 1 Nr. 4 BewG ist bei über 60 Jahre alten oder erwerbsunfähigen Steuerpflichtigen nicht in vollem Umfang vermögensteuerpflichtig. Steuerbefreit ist vielmehr der Teil des Kapitalwerts, dessen Jahreswert 3 600 DM nicht übersteigt. Hiervon ist der Senat bereits im Urteil III 67/63 U (a. a. O.) ausgegangen. Wie er dort ausführte, unterliegt der durch die Gewährung des Freibetrags steuerbegünstigte Teil der Ansprüche auf ... wiederkehrende Nutzungen und Leistungen - bis zu einem Jahreswert von 3 600 DM - nicht der Vermögensteuer, während der darüber hinausgehende Teil dieser Ansprüche nach § 67 Abs. 1 Nr. 4 BewG zum sonstigen Vermögen gehört.
Würdigt man § 67 Abs. 1 Nr. 4 und § 68 Nr. 6a BewG aus dieser rechtssystematischen Sicht, so ergibt sich daraus die Entscheidung, ob § 17a BewG die Anwendung des § 68 Nr. 6a BewG ausschließt. Zerfällt nämlich der Kapitalwert eines Nutzungsrechts in einen nach § 68 Nr. 6a BewG steuerbegünstigten und in einen nach § 67 Abs. 1 Nr. 4 BewG steuerpflichtigen Teil, so kann der für die Berechnung des steuerpflichtigen Teils maßgebende Jahreswert der Nutzungen nur der Jahreswert sein, nach dem der Kapitalwert als Ganzes im Einzelfall ermittelt wurde. Wurde der Kapitalwert nach einem durch § 17a Abs. 1 BewG beschränkten Jahreswert ermittelt, so ist dieser Höchstbetrag also der Jahreswert im Sinne des § 68 Nr. 6a BewG. § 17a BewG fingiert für alle Steuerpflichtigen den Jahreswert der Nutzung auf den 18. Teil des Werts des genutzten Wirtschaftsguts. Von dieser Fiktion muß auch bei § 68 Nr. 6a BewG ausgegangen werden. Sie kann nicht bei dem dort begünstigten Personenkreis mit der Behauptung außer Betracht bleiben, Jahreswert im Sinne des § 68 Nr. 6a BewG sei nur der erzielbare Jahreswert des § 17 BewG. § 68 Nr. 6a BewG ist daher auch dann anzuwenden, wenn der Jahreswert der Nutzung nach § 17a BewG berechnet wurde.
3. Auch nach der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der §§ 17a Abs. 1, 68 Nr. 6a BewG schließen sich diese Vorschriften nicht gegenseitig aus.
Wie die Beteiligten zutreffend ausführen, wurde § 68 Nr. 6a BewG durch Art. 8 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 - StÄndG 1957 - (BGBl I 1957, 848, BStBl I 1957, 352) in das BewG eingefügt, um die private Altersversorgung durch Renten und andere Ansprüche auf wiederkehrende Nutzungen und Leistungen der nach § 68 Nr. 1 bis 4 BewG vermögensteuerfreien gesetzlichen Altersversorgung gleichzustellen (vgl. S. 28 des Regierungsentwurfs zu diesem Änderungsgesetz, Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 2573, sowie Urteil des Senats III 67/63 U, a. a. O.). Nach Ansicht des FA wurde der Freibetrag des § 68 Nr. 6a BewG auf 3 600 DM festgesetzt, weil die Sozialversicherungsrenten damals durchschnittlich ebenso hoch waren.
Der Sinn und Zweck dieser Vorschrift wurde durch den später erlassenen § 17a BewG nicht geändert. § 17a BewG beruht auf der früheren Rechtsprechung des RFH und BFH, nach der Nutzungsrechte an einem Wirtschaftsgut nicht höher zu bewerten waren als das betreffende Wirtschaftsgut selbst (vgl. z. B. BFH-Urteile III 181/53 U vom 28. August 1954, BFH 59, 309, BStBl III 1954, 330, und III 108/54 U vom 6. Mai 1955, BFH 61, 6, BStBl III 1955, 199). Der Deutsche Bundestag hat § 17a in das ÄndG-BewG 1963 (a. a. O.) eingefügt, weil er eine Änderung der Rechtsprechung für möglich hielt und weil er den Jahreswert von Erbbauzinsen im Absatz 2 dieser Vorschrift ohnehin aus wohnungspolitischen Gründen begrenzen wollte (S. 1 des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses zum Entwurf des obigen Änderungsgesetzes, Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, Drucksache IV/1365). In den nach Erlaß des § 17a BewG veröffentlichten Urteilen III 406/58 S vom 17. Mai 1963 (BFH 77, 571, BStBl III 1963, 530) und III 13/60 U vom 26. Juli 1963 (BFH 77, 310, BStBl III 1963, 434) hatte der Senat tatsächlich seine bisherige Rechtsansicht aufgegeben. § 17a Abs. 1 BewG geht über die damalige Rechtsprechung allerdings hinaus, da er nicht den Kapitalwert, sondern den Jahreswert der Nutzungen nach dem Wert des genutzten Wirtschaftsguts beschränkt.
Das FA meint, es sei nicht gerechtfertigt, § 17a Abs. 1 BewG auch bei den Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, die einen Freibetrag nach § 68 Nr. 6a BewG erhalten, da die Steuerpflichtigen den Teil des Nutzungsrechts, der dem Existenzminimum entspreche, ohnehin nicht zu versteuern hätten. Diese Erwägung kann der Senat bei Auslegung der §§ 17a Abs. 1, 68 Nr. 6a BewG nicht berücksichtigen. Die Gerichte haben nicht darüber zu befinden, ob es zweckmäßig und gerecht ist, wenn bei einem Steuerpflichtigen bezüglich desselben Vermögensgegenstands verschiedene Vergünstigungsvorschriften zusammentreffen. Sie haben lediglich das Gesetz in der Fassung anzuwenden, die der Gesetzgeber der Vorschrift gegeben hat. Enthält das Gesetz selbst keine Einschränkung, so kann die Rechtsprechung nicht von sich aus einen Teil der Steuerpflichtigen von einer Begünstigungsvorschrift ausschließen. Dies gilt auch für § 17a Abs. 1 BewG. Diese Vorschrift ist entgegen der Ansicht des FA ohnehin keine sachliche Begünstigungsvorschrift, da der Gesetzgeber dort aus Rechtsgründen den Jahreswert der Nutzungen in Anlehnung an die damalige Rechtsprechung beschränkt hat. Ein aus Rechtsgründen beschränkter Jahreswert muß jedoch für alle Steuerpflichtigen gleich sein. Dieser Wert ist zudem durch die Fiktion des § 17a Abs. 1 BewG zwingend festgelegt.
4. Diese Gesetzesauslegung widerspricht auch nicht den zu § 24 Nr. 5 LAG ergangenen Urteilen des Senats III 270/56 S vom 28. Dezember 1956 (BFH 64, 167, BStBl III 1957, 63) und III 42/57 U vom 20. September 1957 (BFH 65, 464, BStBl III 1957, 411). Das LAG enthält in § 24 Nr. 5 eine dem später erlassenen § 68 Nr. 6a BewG ähnliche Vorschrift. Denn bei der Ermittlung des der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögens ist ebenfalls ein Teilbetrag des Kapitalwerts von Ansprüchen auf Renten und andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen außer acht zu lassen, und zwar der Betrag, der einem jahreswert der Nutzung oder Leistung von 2 400 DM entspricht. Die Rechtslage war jedoch bei der Veranlagung zur Vermögensabgabe wesentlich anders als bei der Veranlagung zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1963. Bei der Veranlagung zur Vermögensabgabe war das Vermögen zu Beginn des 21. Juni 1948 maßgebend, das sich nach den bei der Vermögensteuer-Hauptveranlagung 1949 für die Ermittlung des Gesamtvermögens (bzw. Inlandsvermögens) maßgebenden Vorschriften ergab (§ 21 LAG). Jahreswert der Nutzung oder Leistung im Sinne des § 24 Nr. 5 LAG konnte damals nur der erzielbare Jahreswert des § 17 BewG sein, da das BewG in der für die Vermögensteuer-Hauptveranlagung 1949 gültigen Fassung keine dem § 17a BewG entsprechende Vorschrift enthielt. Der Senat konnte daher die Vergünstigung nach § 24 Nr. 5 LAG nicht gewähren, wenn der Kapitalwert eines Nutzungsrechts nicht nach diesem Jahreswert ermittelt, sondern gemäß der damaligen Rechtsprechung mit dem Wert des genutzten Wirtschaftsguts angesetzt wurde. Die damalige Rechtsprechung konnte nur den Kapitalwert, nicht aber den Jahreswert von Nutzungen im Sinne des § 17 BewG im Hinblick auf den steuerlichen Wert des genutzten Wirtschaftsguts begrenzen, da ein niedrigerer Ansatz des Jahreswerts gegen das Gesetz verstoßen hätte (vgl. auch Urteil des Senats III 206/57 U vom 29. Juli 1960, BFH 71, 558, BStBl III 1960, 456). Der Senat ist allerdings nicht vom Wert des genutzten Wirtschaftsguts, sondern von dem nach § 17 BewG berechneten Kapitalwert des Nutzungsrechts ausgegangen, wenn dies für den Abgabenpflichtigen günstiger war. Die Kürzung des Jahreswerts um den Freibetrag des § 24 Nr. 5 LAG war für den Steuerpflichtigen günstiger, wenn der hiernach ermittelte Kapitalwert hinter dem Wert des genutzten Wirtschaftsguts zurückblieb (vgl. Urteil des Senats III 42/57 U, a. a. O.).
Abschn. 70 Abs. 2 VStR 1960 konnte diese Grundsätze ohne Rechtsverstoß auch auf § 68 Nr. 6a BewG entsprechend anwenden (vgl. auch Abs. 1 des oben erwähnten Erlasses des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 18. November 1963). Dies war aber nur möglich, solange der Jahreswert von Nutzungen allein durch § 17 BewG bestimmt wurde. Diese Rechtslage hat sich durch Erlaß des § 17a BewG im Jahre 1963 wesentlich geändert. Jahreswert der Nutzung ist jetzt nicht mehr ausschließlich der erzielbare Jahreswert des § 17 BewG, sondern auch der nach dem Wert des Wirtschaftsguts begrenzte Jahreshöchstwert des § 17a Abs. 1 BewG. Dieser Höchstwert ist - wie oben dargelegt - ebenfalls der Jahreswert im Sinne des § 68 Nr. 6a BewG. Diese Rechtsänderung hat die Anweisung in Abschn. 70 Abs. 2 VStR 1963 nicht berücksichtigt.
5. Das FG hat zutreffend den Kapitalwert des lebenslänglichen Nießbrauchsrechts nicht nach dem erzielbaren Jahreswert, sondern nach dem Höchstwert des § 17a BewG ermittelt, da der Jahreshöchstwert nach § 17a BewG erheblich niedriger liegt als der Jahreswert nach § 17 BewG. Die Anwendung des § 17a BewG wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Steuerpflichtigen nur ein 50 %iger Anteil an dem zu bewertenden Nutzungsrecht zusteht. Es entspricht daher der gesetzlichen Regelung, daß das FG einen Teil dieses Kapitalwerts nach § 68 Nr. 6a BewG nicht zum sonstigen Vermögen gerechnet hat, da die Steuerpflichtige das 60. Lebensjahr überschritten hat.
Fundstellen
Haufe-Index 68394 |
BStBl II 1969, 154 |
BFHE 1969, 60 |