Leitsatz (amtlich)
1. Kapitalforderungen des Rückerstattungspflichtigen sind nach § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG von der Vermögensabgabe auch dann befreit, wenn sie nicht in einem förmlichen Rückerstattungsverfahren festgestellt oder vereinbart sind, sondern ohne oder außerhalb eines solchen Verfahrens vereinbart wurden. Das gegenteilige Urteil des BFH vom 26. Februar 1965 III 48/64 U BFHE 82, 406, BStBl III 1965, 394) ist vom Bundesverfassungsgericht wegen Verstoßes gegen das GG aufgehoben und die Sache an den BFH zurückverwiesen worden (Beschluß vom 3. Juli 1973 - BVerfGE 35, 324).
2. Die Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG ist nicht auf Vereinbarungen aus der Zeit nach der Währungsreform oder der Rückerstattungsgesetze beschränkt.
2. Der Zusammenhang einer Forderung des Rückerstattungspflichtigen mit der Rückerstattung ist nicht eng auszurichten.
Normenkette
LAG § 24 Nr. 1 Buchst. d, § 26 Abs. 2, § 27 Abs. 1
Tatbestand
Der Rechtsstreit befindet sich nach der Aufhebung des Urteils des BFH vom 26. Februar 1965 III 48/64 U (BFHE 82, 406, BStBl III 1965, 394) und nach Zurückverweisung der Sache an den BFH durch Beschluß des BVerfG vom 3. Juli 1973 1 BvR 368 und 369/65 im zweiten Rechtsgang beim BFH.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatten als Erben des zur Vermögensabgabe herangezogenen, im Jahre 1958 verstorbenen Erblassers (V.) gegen das Urteil des BFH, das die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückverwies, Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das BVerfG hat sie mit der von dem Miterben S. in dessen eigenem Vermögensabgabe-Rechtsstreit wegen der gleichen Rechts- und Verfassungsfrage eingelegten Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BFH vom 26. Februar 1965 III 49/64 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Mit der seinerzeitigen Berufung und Rechtsbeschwerde gegen den Vermögensabgabebescheid des V. hatten die Kläger die Freistellung einer Forderung, die V. gegen eine OHG, deren Gesellschafter er früher war, aus Rückerstattungsvereinbarungen als Rückerstattungsverpflichtetem zustand, nach § 24 Nr. 1 Buchst. c und d LAG begehrt. Diese Forderung war im Vermögensabgabebescheid und in der Einspruchsentscheidung als abgabepflichtiges Vermögen erfaßt worden. Wegen des Sachverhalts wird auf die Urteilsgründe der BFH-Entscheidung III 48/64 U verwiesen.
Der BFH hat im ersten Rechtsgang das Begehren auf Freistellung nach § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG abgelehnt, da die Voraussetzung hierfür, nämlich eine Umstellung der Kapitalforderung aus der Auseinandersetzung (§ 67 BewG 1934) auf einen Betrag, der 1/5 des RM-Nennbetrages nicht übersteigt, fehle. Laut den tatsächlichen Feststellungen des FG sei die Umstellung auf einen Betrag höher als 1/3 des RM-Nennbetrages erfolgt.
Desgleichen verneinte der BFH eine Freistellung des V. von der Vermögensabgabe nach § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG. Nach dieser Vorschrift werden die Kapitalforderungen bis zu 150 000 DM, die zum sonstigen Vermögen gehören, bei der Vermögensabgabe dann nicht erfaßt, wenn sie aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung oder Vereinbarung im Rückerstattungsverfahren einem Rückerstattungspflichtigen nach § 27 Abs. 1 LAG zuzurechnen sind. In den Urteilsgründen wurde ausgeführt, § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG nehme innerhalb der sonstigen Befreiungstatbestände des § 24 Nr. 1 LAG, die es auf anderweitigen Wertverlust bei der Währungsumstellung abstellten, eine Sonderstellung ein und stelle es nur darauf ab, ob es sich um eine Kapitalforderung aus einem förmlichen Rückerstattungsverfahren handele. Diese Rechtsauslegung beruhe auf den § 24 Nr. 1, 27 LAG und den besonderen Rückerstattungsgesetzen der Militärregierung. Da hier ein förmliches Rückerstattungsverfahren nicht stattgefunden habe, fehle es an einer Rückerstattung i. S. der Rückerstattungsgesetze.
Mit der Verfassungsbeschwerde gegen das BFH-Urteil griffen die Kläger, wie das BVerfG in den Gründen seines Beschlusses ausführt, die Ablehnung der Befreiungsvorschrift des § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG ausdrücklich nicht mehr an, sondern sahen lediglich in der Versagung einer Befreiung nach § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 GG. Demgemäß ist auch nur § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG Gegenstand des Verfahrens gewesen.
Das BVerfG hob das Urteil des BFH III 48/64 U wegen Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG auf und verwies die Sache an den BFH zurück (siehe § 95 Abs. 1 und 2 BVerfGG). Es hielt die Beschwerde für begründet, da die Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG in der Auslegung des BFH die Kläger in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG verletze. Es stellte zu seinem Beschluß folgende Leitsätze auf:
"1. Für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde genügt es, wenn der Beschwerdeführer, der durch eine verfassungswidrige Rechtsanwendung in einer Gerichtsentscheidung betroffen ist, mit deren Aufhebung wenigstens die Chance erhält, daß eine erneute verfassungsgemäße Sachprüfung zu einem ihm günstigeren Ergebnis führt.
2. Es ist mit dem Grundsatz der Steuergleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar, die Vergünstigung des § 24 Nr. 1d LAG für Kapitalforderungen eines Rükerstattungspflichtigen aufgrund einer Vereinbarung nur dann zu gewähren, wenn die Vereinbarung über die Rückerstattung in einem förmlichen Rückerstattungsverfahren oder im Zusammenhang mit einem solchen Verfahren abgeschlossen worden ist."
Im übrigen wird auf die Entscheidung verwiesen (BVerfGE 35, 324).
Entscheidungsgründe
Nach Aufhebung des Urteils des BFH III 48/64 U hebt der erkennende Senat das Urteil des FG auf und verweist die Sache an das FG zur Berechnung der Vermögensabgabe des V. bzw. der Kläger als Erben zurück.
1. Obwohl das BVerfG das Urteil III 48/64 U im vollen Umfange aufhob, braucht der BFH nicht erneut den Befreiungstatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG zu erörtern. Der Senat verbleibt bei einer sich aus den tatsächlichen Feststellungen des FG ergebenden Umstellung der RM-Kapitalforderung des V. an die OHG auf einen DM-Betrag, der etwas höher als 1/3 des ursprünglichen Betrages war. Verfassungsrechtliche Bedenken wegen Nichtanwendung dieser Vorschrift sind weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. § 24 Nr. 1 Buchst. c LAG greift daher nicht durch.
2. Der Befreiungstatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG ist gegeben. Die Auslegung im ersten Rechtsgang, für diese Befreiung sei ein förmliches Rückerstattungsverfahren die notwendige Voraussetzung, ist vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt worden. Der erkennende Senat ist nach § 31 BVerfGG an die Entscheidung des BVerfG gebunden; Hinweis auf den Beschluß und dessen Begründung. Nach den dortigen Ausführungen zu C/V. beruhen die angefochtenen Entscheidungen des BFH auf diesem Verfassungsverstoß. Die Versagung der Vergünstigung sei ausschließlich mit dem Fehlen eines förmlichen Rückerstattungsverfahrens begründet. Es lasse sich auch weder aus der Entscheidung selbst noch aus anderen offensichtlichen Umständen entnehmen, daß eine erneute, verfassungsgemäße Rechtsanwendung mit Sicherheit wiederum zum Nachteil der Beschwerdeführer (der Kläger) ausfallen müßte.
Die weitere Prüfung hat sich somit jetzt darauf zu erstrecken, ob unter Zugrundelegung des Beschlusses die Vergünstigung des § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG zu gewähren ist. Soweit in dem Urteil III 48/64 U das Begehren der Kläger auf eine entsprechende Anwendung des den Rückerstattungsberechtigten begünstigenden § 26 Abs. 2 LAG abgelehnt wurde, verbleibt der Senat bei seiner Auffassung. Es liegt keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG vor, da § 26 Abs. 2 LAG eine begünstigende Sondervorschrift für Rückerstattungsberechtigte darstellt; eine verschiedene Behandlung von Rückerstattungsberechtigten und Rückerstattungsverpflichteten verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.
3. Der BdF hat zu der Verfassungsbeschwerde, in der er nach § 94 BVerfGG Gelegenheit zur Äußerung erhielt, für die Unbegründetheit des Freistellungsbegehrens nach § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG zwei weitere, bisher vom FA nicht erhobene Einwände geltend gemacht. Diese sind auch Gegenstand des Revisionsverfahrens im zweiten Rechtsgang; denn Streitgegenstand im steuergerichtlichen Verfahren ist nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des die Steuer, oder hier die Vermögensabgabe, festsetzenden Bescheides (BFH-Beschluß vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344).
a) Es wird eingewendet, die Kapitalforderung des V. gegen die OHG erfülle schon deswegen nicht die Voraussetzungen des § 24 Nr. 1 Buchst. d i. V. m. § 27 LAG, weil sie aus vor der Währungsreform geschlossenen Vereinbarungen stamme. Der erkennende Senat stimmt dieser Auffassung nicht zu, weil er entsprechend seiner Begründung im ersten Rechtsgange die Vorschrift der Nr. 1d nicht als Unterteil der Abgabenbefreiung für ungünstig abgewertete Geldforderungen, sondern als eine gegenüber § 24 Nr. 1 Buchst. a-c LAG selbständige Sondervorschrift zugunsten der Rückerstattungspflichtigen ansieht. Er schließt sich der vom BVerfG in den Beschlußgründen dargelegten Auffassung an, daß alsdann eine Beschränkung dieser Vorschrift auf Forderungen aus der Zeit nach der Währungsreform weder geboten noch sinnvoll wäre, zumal da die Rückerstattungsgesetze in allen Besatzungszonen schon vor der Währungsreform erlassen und in Kraft getreten seien. Die Verweisung auf § 27 Abs. 1 LAG hätte von daher nur die Funktion, auch in den erst später abgewickelten Rückerstattungsfällen den Rückerstattungspflichtigen die Wohltat der Abgabenbegünstigung zu sichern, indem ihre Forderungen auf den Stichtag der Vermögensabgabe zurückdatiert worden seien. Wie das BVerfG weiter ausführt, würde bei einer etwaigen hier in Frage stehenden zeitlichen Zäsur durch das Inkrafttreten der Rückerstattungsgesetze ein Ausschluß der vor diesem Zeitpunkt abgewickelten Rückerstattungsfälle von der Vergünstigung des § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG aus den gleichen Erwägungen verfassungsrechtlich zu beanstanden sein wie die Beschränkung der Vorschrift auf Vereinbarungen im förmlichen Rückerstattungsverfahren. Das BVerfG weist insbesondere darauf hin, daß das amerikanische Rückerstattungsgesetz (Gesetz Nr. 59 der amerikanischen Militärregierung) bei der Berücksichtigung von Vereinbarungen über Rückerstattungen etwa im Rahmen des Art. 16 Abs. 2c oder des Art. 73 Abs. 2d keine zeitliche Grenze vorsieht; die letztgenannte Vorschrift erkenne ausdrücklich einen vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erklärten Verzicht auf die Rückerstattung entzogenen Vermögens als wirksam an. Dieser Rechtsauslegung schließt sich der Senat an.
b) Die gleichen Bedenken macht das BVerfG gegenüber dem Einwand des BdF geltend, mangels eines unmittelbaren Entziehungstatbestandes greife § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG nicht Platz, weil der Rückerstattungsberechtigte hier nur einen Anspruch darauf gehabt habe, daß ihm seine ursprüngliche Gesellschafterstellung wieder eingeräumt werde, nicht aber auf das Ausscheiden des bisherigen Gesellschafters. Demgegenüber hält es das BVerfG aus verfassungsrechtlichen Gründen für naheliegend, die Qualifizierung einer leistung als Wiedergutmachung nicht zu eng an den Einzelvorschriften der Rückerstattungsgesetze auszurichten, insbesondere wenn eine solche Leistung unter psychischem oder wirtschaftlichem Druck der Besatzungsmächte zustande gekommen sein sollte. Der Einwand, der Rückerstattungsberechtigte habe durch das Ausscheiden des V. und des S. aus der OHG mehr erhalten, als er nach dem Rückerstattungsrecht hätte verlangen können, unterliegt auf der Ebene des einfachen Rechtes der rechtlichen Würdigung unter Zugrundelegung des vom FG festgestellten Sachverhalts. Der erkennende Senat sieht in Übereinstimmung mit dem FG in den verschiedenen aufeinander abgestimmten Verträgen der damaligen Beteiligten eine Gesamtregelung, die nach ihrem Sinn und Inhalt der Rückerstattung diente und rechtlich einheitlich zu beurteilen ist. Es wird darauf hingewiesen, daß auch die Verwaltungspraxis unter Beachtung der wirtschaftlichen Gesamtsituation § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG auf Rückgriffsansprüche des Rückerstattungspflichtigen gegen seine Rechtsvorgänger oder weitere Rückgriffsansprüche der Rechtsvorgänger des Rückerstattungsverpflichteten anwendet, obwohl diese nach den Rückerstattungsgesetzen bürgerlich-rechtlicher Art sind (vgl. Erlaß des BdF vom 25. Oktober 1957 - IV C/4 - LA 2272 - 23/57 -, Lastenausgleichskartei, Karte 9 zu § 27).
Es besteht daher kein Grund, aus der Gestaltung der Rückerstattungsvereinbarung die Begünstigung des § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG zu versagen.
Somit ist dem Begehren der Kläger, bei der Vermögensabgabe auf die Forderung gegen die OHG § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG anzuwenden, stattzugeben. Es erfolgt Aufhebung des FG-Urteils unter Zurückverweisung an das FG, das nunmehr die Vermögensabgabe unter Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchst. d LAG festzusetzen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 71052 |
BStBl II 1974, 761 |
BFHE 1975, 336 |