Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Ausbildungsfreibetrags um eigene Einkünfte des Kindes; zeitliche Aufteilung des anrechnungsfreien Betrages bei nur zeitweiser auswärtiger Unterbringung
Leitsatz (amtlich)
Befindet sich ein Kind ganzjährig in Ausbildung, ist es jedoch nur einige Monate auswärts untergebracht und erzielt es nur während dieser Monate eigene Einkünfte oder Bezüge, ist der anrechnungsfreie Betrag nach § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG in Höhe von 3 600 DM nur zeitanteilig für den Zeitraum zu berücksichtigen, in dem die eigenen Einkünfte oder Bezüge angefallen sind.
Normenkette
EStG § 33a Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Sächsisches FG (EFG 2000, 174) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten. Ihre 1977 geborene Tochter befand sich im Streitjahr 1996 in Ausbildung. Von Januar bis August lebte sie ohne eigene Einkünfte im Hause der Kläger. Von September bis Dezember 1996 war die Tochter auswärts untergebracht und bezog während dieser Zeit eigene Einkünfte in Höhe von 3 289 DM (Bruttolohn 5 633 DM ./. Werbungskosten 2 344 DM).
In der Steuererklärung für das Jahr 1996 beantragten die Kläger den Abzug eines Ausbildungsfreibetrages, den der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) bei der Festsetzung der Einkommensteuer nur für die Monate Januar bis August in Höhe von 1 600 DM (8/12 von 2 400 DM) berücksichtigte. Das FA war der Auffassung, für die Monate September bis Dezember stehe den Klägern kein Ausbildungsfreibetrag zu, da die anzurechnenden Einkünfte der Tochter in Höhe von 2 089 DM (erzielte Einkünfte 3 289 DM ./. 1 200 DM) den auf diese Monate entfallenden, anrechnungsfreien Betrag in Höhe von 1 200 DM (4/12 von 3 600 DM) nach § 33a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes 1990 in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) überstiegen.
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machten die Kläger geltend, da die Ausbildung ihrer Tochter von Januar bis Dezember angedauert habe, komme eine Kürzung des Freibetrages nicht in Betracht, weil der Tatbestand des § 33a Abs. 2 EStG ganzjährig erfüllt gewesen sei. Der Umstand, dass Ausbildungsfreibeträge in unterschiedlicher Höhe zusammenträfen, sei unbeachtlich und rechtfertige keine entsprechende Kürzung.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 174 veröffentlichtem Urteil statt. Es war der Auffassung, den Klägern stehe der beantragte Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 3 000 DM zu. Wie sich zweifelsfrei aus dem Wortlaut des § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG ("soweit") ergebe, erfolge eine Anrechnung der eigenen Einkünfte erst, wenn diese den Betrag von 3 600 DM überstiegen, und zwar lediglich in Höhe des übersteigenden Betrages (Freibetrag). Eine zeitanteilige Kürzung, so wie sie das FA vorgenommen habe, lasse sich aus dem Gesetz nicht entnehmen. § 33a Abs. 4 EStG regele die zeitanteilige Ermäßigung beim Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3. Lägen aber ―wie im Streifall― ganzjährig die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 vor, scheide eine zeitanteilige Kürzung des anrechnungsfreien Betrages aus (Hinweis auf das Urteil des Hessischen FG vom 26. Februar 1997, 1 K 1995/94, EFG 1997, 889). Der Umstand, dass die Tochter innerhalb des Streitjahres zwei formal verschiedene Ausbildungsphasen durchlaufen habe, rechtfertige keine abweichende Behandlung. Vielmehr sei in einer solchen Differenzierung eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu den Fällen zu sehen, in denen das Kind gleichfalls eine ganzjährige Ausbildung durchlaufen habe, jedoch ganzjährig im Haushalt der Eltern oder ganzjährig auswärts untergebracht gewesen sei. Dem Umstand, dass die Tochter der Kläger einen Teil des Jahres auswärts und einen Teil des Jahres bei den Klägern gewohnt habe, werde hinreichend durch die zeitanteilige Gewährung des Ausbildungsfreibetrages gemäß § 33a Abs. 2 Rechnung getragen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Das FG gehe zwar zutreffend davon aus, dass den Klägern für die Monate Januar bis August des Streitjahres ein Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 1 600 DM und für die übrigen Monate ein solcher in Höhe von 1 400 DM zu gewähren sei. Es verkenne jedoch die Bestimmungen des § 33a Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 EStG, wenn es davon ausgehe, dass der anrechnungsfreie Betrag in Höhe von 3 600 DM nicht entsprechend den verschiedenen Ausbildungsfreibeträgen aufzuteilen sei. Hierdurch werde § 33a Abs. 4 Satz 1 EStG verletzt, der eine zeitanteilige Kürzung der in den Abs. 1 bis 3 des § 33a EStG genannten Beträge für die Kalendermonate vorsehe, in denen die jeweiligen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seiner Entscheidung vom 7. August 1992 III R 45/89 (BFHE 168, 569, BStBl II 1992, 1023) die Anwendung des § 33a Abs. 4 Satz 1 EStG trotz ganzjähriger Ausbildung bei Vorliegen zweier verschiedener Ausbildungsfreibeträge bejaht und bezogene Einkünfte den einzelnen Ausbildungsabschnitten zugeordnet. Die Entscheidung betreffe zwar die Anrechnung von Zuschüssen, doch sei diese Rechtsprechung auf die Anrechnung von Einkünften entsprechend anzuwenden. Nach § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG sei bei der Berechnung des anrechnungsfreien Betrages im Regelfall auf das Kalenderjahr abzustellen. Doch müsse im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 33a Abs. 4 Satz 1 EStG etwas anderes gelten, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung der Freibeträge nur während eines kürzeren Zeitraums vorgelegen hätten.
Der Wortlaut des § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG spreche dafür, dass diese Bestimmung auf die einzelnen Tatbestandsalternativen des Satzes 1 bezogen sei, da von Ausbildungsfreibeträgen die Rede sei. Seien die Voraussetzungen der einzelnen Ausbildungsfreibeträge nicht während des gesamten Veranlagungszeitraums gegeben, so seien nicht nur die Ausbildungsfreibeträge, sondern auch die anrechnungsfreien Beträge entsprechend zu kürzen. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass der anrechnungsfreie Betrag nicht der Kürzung des § 33a Abs. 4 Satz 1 EStG unterliegen solle, so hätte dies im Gesetz seinen Niederschlag finden müssen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung, die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die nicht vertretenen Kläger haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das FG hat bei der Minderung des Ausbildungsfreibetrages um die eigenen Einkünfte der Tochter zu Unrecht von einer zeitlichen Aufteilung des anrechnungsfreien Betrages nach § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG abgesehen.
Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Ausbildungsfreibetrages gemäß § 33a Abs. 2 EStG sind, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, abgesehen von der Frage der Anrechnung der eigenen Einkünfte der Tochter, im Streitfall dem Grunde nach gegeben. Die Tochter, für die die Kläger Kindergeld erhielten, befand sich während des gesamten Veranlagungszeitraums in Berufsausbildung, lebte jedoch nur bis einschließlich August im Haushalt der Kläger; anschließend war sie auswärts untergebracht. Entgegen der Auffassung des FG mindern jedoch die eigenen Einkünfte der Tochter, die sie während der Monate September bis Dezember bezogen hat, mit dem den ―anteiligen― anrechnungsfreien Betrag von 1 200 DM (4/12 von 3 600 DM) übersteigenden Betrag in Höhe von 2 089 DM den auf die vorgenannten Monate entfallenden Ausbildungsfreibetrag von 1 400 DM in voller Höhe.
Nach der Entscheidung des erkennenden Senats in BFHE 168, 569, BStBl II 1992, 1023, regelt § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG den Abzug von Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes durch drei selbständige Tatbestände - Ausbildungsfreibeträge. Daraus folgt, dass dann, wenn ―wie im Streitfall― für einzelne Zeiträume des Kalenderjahres unterschiedliche Ausbildungsfreibeträge gelten, nämlich die Freibeträge des § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG, auf die betreffenden Freibeträge jeweils nur die Einkünfte und Bezüge anzurechnen sind, die in dem entsprechenden Zeitraum angefallen sind. Die dem jeweiligen Ausbildungszeitraum zuzurechnenden Einkünfte oder Bezüge ermäßigen den anteiligen Ausbildungsfreibetrag insoweit, als sie den auf den jeweiligen Zeitraum entfallenden anteiligen anrechnungsfreien Betrag übersteigen, es sei denn, es handelt sich um Ausbildungshilfen aus öffentlichen Kassen, die in voller Höhe zu berücksichtigen sind. Ändern sich während des Veranlagungszeitraums die für die Gewährung der jeweiligen Ausbildungsfreibeträge maßgeblichen Umstände, so sind nicht nur die Ausbildungsfreibeträge jeweils nur anteilig zu berücksichtigen, sondern auch die ebenfalls als Jahresbetrag gestaltete Anrechnungsgrenze des § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG (Senatsbeschluss vom 19. Mai 1995 III B 185/94, BFH/NV 1995, 971; Arndt in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 33a Rz. F 14; Glanegger in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 33a Rz. D 60; Ross in Dankmeyer/Giloy, Einkommensteuergesetz, § 33a Rz. 137; a.A. Hessisches FG im Urteil in EFG 1997, 889).
Gemäß § 33a Abs. 4 Satz 1 EStG ermäßigen sich alle in den Abs. 1 bis 3 dieser Vorschrift bezeichneten Beträge für jeden Kalendermonat, in dem die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung des entsprechenden Freibetrages nicht vorgelegen haben, um je 1/12 (Arndt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 33a Rz. F 7). Der durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436) erfolgten Ergänzung dieser Vorschrift, wonach Einkünfte, die auf Kalendermonate entfallen, für die die Voraussetzungen für die Gewährung der in § 33a Abs. 2 EStG geregelten Ausbildungsfreibeträge nicht vorgelegen haben, auf diese auch nicht angerechnet werden, liegt die Erwägung zugrunde, dass diese Einkünfte des Kindes für Zeiten dieser Ausbildungsabschnitte nicht zur Verfügung stehen und deshalb die Belastung der Eltern nicht mindern. Daraus folgt, dass eine Anrechnung zu unterbleiben hat. Auf der anderen Seite ist bei Beachtung der typisierenden Regelung des § 33a Abs. 2 EStG die Anrechnung der Einkünfte des Kindes geboten, die während eines bestimmten Ausbildungszeitraums erzielt worden sind, weil diese die Belastung der Eltern durch Aufwendungen für die Ausbildung in der Regel mindern oder zumindest zur Minderung beitragen können. Denn nur der ausbildungsbedingte Mehrbedarf soll durch den Ausbildungsfreibetrag steuerlich berücksichtigt werden. Der ausbildungsunabhängige allgemeine Lebensbedarf eines Kindes wird hingegen durch das Kindergeld oder im Wege der durch den Kinderfreibetrag hergestellten zusätzlichen steuerlichen Entlastung abgegolten (vgl. dazu Senatsurteil vom 15. Mai 1997 III R 4/96, BFHE 183, 165, BStBl II 1997, 720).
Anders als das FG sieht der Senat in der in Fällen wie hier vorzunehmenden anteiligen Kürzung des Anrechnungsbetrages keine ungerechtfertigte Benachteiligung der Kläger gegenüber den Eltern, deren Kind gleichfalls ganzjährig in Ausbildung war, jedoch ganzjährig im Haushalt der Eltern oder ganzjährig auswärts untergebracht war. Das Kürzungsgebot des Anrechnungsbetrages knüpft nicht daran an, ob und wie lange das Kind während seiner Ausbildung im Haushalt der Eltern untergebracht worden ist oder auswärts gelebt hat; vielmehr betrifft es alle Eltern, die Aufwendungen für die Ausbildung eines Kindes zu tragen haben, das während der Monate, für die einer in § 33a Abs. 2 Satz 1 genannten Freibeträge zu gewähren ist, Einkünfte und Bezüge hatte, und diese steuerlich geltend machen wollen.
Die Vorentscheidung, die der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht, ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 665944 |
BFH/NV 2002, 255 |
BStBl II 2002, 345 |
BFHE 196, 555 |
BFHE 2002, 555 |
BB 2002, 189 |
DB 2002, 405 |
DStRE 2002, 218 |
StE 2002, 35 |