Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine Unterschrift; notwendige Beiladung

 

Leitsatz (NV)

1. Zur wirksamen Einlegung einer Revision muß die Revisionsschrift mit einer eigenhändigen Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten versehen sein. Bei der Unterschrift muß es sich um einen die Identität des Unterzeichnenden ausreichend klarstellenden, individuell gestalteten Schriftzug handeln, der charakteristische Merkmale aufweist, aber weder lesbar noch voll ausgeschrieben sein muß.

2. Ist im Rahmen eines Verfahrens der einheitlichen Gewinnfeststellung streitig, ob das Grundstück eines Gesellschafters Sonderbetriebsvermögen darstellt und deshalb in die einheitliche Gewinnfeststellung einzubeziehen ist, so handelt es sich hierbei um eine Frage, die den Gesellschafter im Sinne des § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO ,,persönlich angeht". In einem solchen Fall muß der Gesellschafter gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig zum Rechtsstreit beigeladen werden.

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 1 Nr. 1, § 48 Abs. 1 Nr. 2, § 60 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betreibt den Kraftfahrzeughandel und die Kraftfahrzeugreparatur. Hauptgesellschafter ist der Kommanditist R mit 60 v. H. des Kommanditkapitals von . . . DM. R erwarb im Jahre 1979 ein unbebautes Grundstück für . . . DM. Im Kaufvertrag wird ausgeführt, daß das Grundstück für einen PKW-Verkaufs- und Kundendienstbetrieb bebaut werden solle. R wollte das Grundstück zur Bebauung an die Klägerin vermieten; diese konnte den Neubau aber nicht finanzieren. Daraufhin übernahm eine vor allem aus Angehörigen freier Berufe gebildete BGB-Gesellschaft die Errichtung des Bauwerks mit einer Bausumme von . . . DM. R räumte der Gesellschaft ein Erbbaurecht am Grundstück ein; die BGB-Gesellschaft vermietete das Grundstück mit Gebäude an die Klägerin. Der an R zu zahlende Erbbauzins betrug nach Fertigstellung der Baulichkeiten . . . DM jährlich.

R behandelte das Grundstück als Privatvermögen. Nach einer Betriebsprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hierin jedoch Sonderbetriebsvermögen des R und erfaßte den Erbbauzins als Sonderbetriebseinnahme des R in den Gewinnfeststellungen der Klägerin für 1980 und 1981; außerdem berücksichtigte er den kapitalisierten Anspruch auf die Erbbauzinsen im Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1982.

Die hiergegen gerichteten Klagen blieben erfolglos.

Mit den vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revisionen rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der angefochtenen Urteile die Einnahmen des R aus dem Erbbaurecht in den Gewinnfeststellungen 1980 und 1981 unberücksichtigt zu lassen und den Anspruch auf Erbbauzinsen nicht in die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1982 einzubeziehen.

Das FA beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

Es schließt sich den Rechtsausführungen des FG an. Außerdem beanstandet es, daß die Revisionen nicht in der gehörigen Weise eingelegt worden seien; die Revisionsschriften seien mit einer Paraphe, nicht aber mit einer Unterschrift versehen.

Die Klägerin tritt dem entgegen und beantragt hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil die Unterschrift des Prozeßvertreters im Klageverfahren nicht beanstandet worden sei und er deshalb davon habe ausgehen können, daß sein Namenszug den gesetzlichen Anforderungen genüge.

Der Senat hat die Revisionen der Klägerin gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

 

Entscheidungsgründe

. Die Revisionen sind zulässig. Sie sind mit der Unterschrift eines Prozeßbevollmächtigten versehen. Der Senat hat zu den an eine Unterschrift zu stellenden Anforderungen in seinem Urteil vom 13. Dezember 1984 IV R 274/83 (BFHE 143, 198, BStBl II 1985, 367) ausführlich Stellung genommen. Danach muß es sich um einen die Identität des Unterzeichnenden ausreichend darstellenden, individuell gestalteten Schriftzug handeln, der charakteristische Merkmale aufweist, aber weder lesbar noch voll ausgeschrieben sein muß. Da die Unterschrift lediglich sicherstellen solle, daß das Schriftstück auch vom Unterzeichner stamme, reiche es aus, daß ein individuell gestalteter Namensteil vorliege, der die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lasse, selbst wenn er nur flüchtig geschrieben wurde. Der individuelle Charakter des Schriftbildes müsse die Unterscheidungsmöglichkeit gegenüber anderen Unterschriften gewährleisten und die Nachahmung durch einen Dritten zumindest erschweren. Hierzu gehöre, daß mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen seien, weil es sonst an dem Merkmal einer Schrift überhaupt fehle, und daß ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kenne, diesen Namen aus dem Schriftzug noch herauslesen könne. Diesen Anforderungen ist im Streitfall genügt. Aus dem Namenszug des Prozeßvertreters lassen sich ein ,,." und ein ,,.", möglicherweise auch ein zweites ,,." sowie ein vorangesetztes ,,." erkennen. Prozeßbevollmächtigte waren die Wirtschaftsprüfer Steuerberater X und Y. Die Revision ist unter ihrem Briefkopf eingelegt worden. Aus dem Zusammenhang des Schriftzuges mit dem Briefkopf ergibt sich, daß die Revision von Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Y eingelegt worden ist.

2. Auf die genannten Revisionen müssen die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Grundstück eines Gesellschafters der Klägerin Sonderbetriebsvermögen zu seiner Gesellschaftsbeteiligung darstellt und deshalb in die einheitliche Gewinnfeststellung der Klägerin und in den Einheitswert ihres Betriebsvermögens einzubeziehen ist. Da es sich dabei um eine Frage handelt, die ihn persönlich angeht, hätte der Gesellschafter selbst Einspruch einlegen und gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO Klage erheben können. Die Streitfrage kann gegenüber der klagenden KG und ihrem Gesellschafter nur einheitlich entschieden werden; im Hinblick auf sein Klagerecht mußte der Gesellschafter daher gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig zum Rechtsstreit beigeladen werden (vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 11. März 1982 IV R 46/79, BFHE 135, 457, BStBl II 1982, 542; vom 26. März 1980 I R 87/79, BFHE 131, 1, BStBl II 1980, 586). Das FG hat die Beiladung unterlassen; darin liegt ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der auch ohne Rüge von Amts wegen zu beachten ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416719

BFH/NV 1990, 647

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