Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung der Vergütungen eines von einer deutschen Konzertagentur zur Mitwirkung an der Europa-Tournee eines Pop-Musikers verpflichteten Musikers aus den USA
Leitsatz (amtlich)
1. Trägt der Veranstalter eines Konzerts die Kosten für den Transport des von ihm engagierten Künstlers zum Veranstaltungsort und für die Übernachtung und Verpflegung des Künstlers im Zusammenhang mit der Veranstaltung, so führt dies regelmäßig zu Einnahmen des Künstlers (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 27. Juli 1988 I R 28/87, BFHE 155, 479, BStBl II 1989, 449).
2. Ein Künstler erzielt Einnahmen "für das Kalenderjahr" i.S. des Art. 17 Abs. 1 DBA-USA, wenn die Einnahmen eine in dem betreffenden Kalenderjahr erbrachte Leistung des Künstlers abgelten. Auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahmen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
3. Ist in einem Vertrag ausdrücklich die Anwendung ausländischen Rechts vereinbart, so ist nach den Maßstäben jenes Rechts zu prüfen, ob die vereinbarten Zahlungen als Bruttoentgelte anzusehen sind oder ob der Vertragspartner zusätzlich die Zahlung von Umsatzsteuer verlangen kann.
4. Bei Anwendung der "Nullregelung" gemäß § 52 Abs. 2 UStDV a.F. erzielt der ausländische Unternehmer eine Einnahme in Gestalt der Befreiung von seiner Umsatzsteuerschuld (Bestätigung der Senatsurteile vom 30. Mai 1990 I R 57/89, BFHE 161, 97, BStBl II 1990, 967, und I R 6/88, BFHE 163, 24, BStBl II 1991, 235).
5. Weder das DBA-USA noch der Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen Deutschland und den USA enthalten ein Meistbegünstigungsgebot des Inhalts, dass in den USA ansässige Personen unter ansonsten vergleichbaren Umständen nicht höher besteuert werden dürfen als in Deutschland oder im Gebiet der Europäischen Union Ansässige.
6. Im Freistellungsverfahren nach § 50d EStG ist nur darüber zu befinden, ob aus den dort genannten Gründen eine Freistellung von der deutschen Steuer geboten ist. Die Frage, ob steuerpflichtige Einkünfte vorliegen oder ob diese Einkünfte aus anderen Gründen von der Besteuerung freizustellen sind, ist demgegenüber außerhalb des Verfahrens nach § 50d EStG zu entscheiden. Diese Entscheidung obliegt nicht dem Bundesamt für Finanzen, sondern dem nach den allgemeinen Regeln zuständigen Finanzamt.
Normenkette
EStG §§ 50a, 50d; DBA USA Art. 17 Abs. 1, Art. 24; AO 1977 § 155 Abs. 1 S. 3; FVG § 5 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Einkünfte des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 (DBA-USA) in Deutschland besteuert werden dürfen.
Der in den USA ansässige Kläger, ein Musiker, wurde von einer deutschen Konzertagentur (A) für den Zeitraum November und Dezember 1998 zur Mitwirkung an der Europa-Tournee eines Pop-Musikers verpflichtet. Er erhielt hierfür eine wöchentliche Vergütung, die nach dem Vertrag "unter Einbehaltung von Steuern fällig werden" sollte, sowie für jeden vollständigen Tag oder jede vollständige Nacht der Abwesenheit von seinem Wohnsitz ein Tagegeld von 50 US-$. Ferner war vereinbart, dass der Kläger per Bus oder Flugzeug zu den einzelnen Veranstaltungsorten gebracht werden und dass A ihm während der Tournee eine tägliche Unterbringung in 4- oder 5-Sterne-Hotels bereitstellen sollte. Schließlich hatte der Kläger gegenüber A einen Anspruch auf eine näher bestimmte Verpflegung. Außerdem heißt es im Vertrag, dass dieser unabhängig vom Ort der Darbietung "allein gemäß den Gesetzen des Staates von Kalifornien ausgelegt werden" sollte.
Der Kläger nahm während der Tournee u.a. an verschiedenen Konzerten in Deutschland teil und erhielt hierfür Gagen in Höhe von 16 428,57 US-$ zuzüglich der vereinbarten weiteren Leistungen. Er ging davon aus, dass diese Vergütung nicht nach Art. 17 Abs. 1 DBA-USA der deutschen Besteuerung unterliege, und beantragte deshalb eine Freistellung vom Steuerabzug. Der Beklagte und Revisionskläger ―das Bundesamt für Finanzen (BfF)― lehnte den Antrag ab. Er vertrat die Ansicht, dass für Zwecke der Berechnung nach Art. 17 Abs. 1 DBA-USA die an den Kläger ausgezahlte Vergütung um folgende Beträge zu erhöhen sei: Umsatzsteuer auf die Gagen in Höhe von 2 628,57 US-$, Reisekosten und Tagegelder in Höhe von 3 280,45 US-$ sowie die durch Letztere ausgelösten Steuern (Abzugsteuer in Höhe von 1 370,57 US-$ nebst Solidaritätszuschlag in Höhe von 75,12 US-$ und Umsatzsteuer in Höhe von 756,14 US-$). Damit sei die Grenze von 20 000 US-$ im Streitfall überschritten. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der daraufhin erhobenen Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1154 abgedruckten Urteil statt. Dagegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des BfF.
Das BfF beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und das Verfahren an das FG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das FG. Dessen tatsächliche Feststellungen lassen keine abschließende Antwort auf die Frage zu, ob die Einkünfte des Klägers der deutschen Besteuerung unterliegen oder nicht.
1. Das FG ist zu Recht ―und in Übereinstimmung mit den Beteiligten― davon ausgegangen, dass der Kläger Einkünfte aus im Inland ausgeübten künstlerischen Darbietungen erzielt hat, mit denen er gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der beschränkten deutschen Steuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) unterliegt. Da jedoch der Kläger in den USA ansässig war, dürfen diese Einkünfte nach Art. 17 Abs. 1 DBA-USA nur dann in Deutschland besteuert werden, wenn die von ihm bezogenen Einnahmen aus seiner künstlerischen Tätigkeit in Deutschland einschließlich der ihm erstatteten oder für ihn übernommenen Kosten 20 000 US-$ übersteigen.
2. Das FG hat angenommen, dass zu den "Einnahmen" im Sinne dieser Vorschrift zwar die dem Kläger ausgezahlten Gagen sowie die Tagegelder in Höhe von 1 000 US-$, nicht aber eine darauf entfallende Umsatzsteuer sowie die von der A getragenen Aufwendungen für Transport, Übernachtungen und Verpflegung des Klägers zählen. Dem kann nicht uneingeschränkt beigepflichtet werden.
a) Die Transport-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten hat das FG deshalb nicht zu den "Einnahmen" i.S. des Art. 17 Abs. 1 DBA-USA gerechnet, weil A sie nicht "für den Kläger", sondern vor allem aus eigenem Interesse übernommen habe. Es hat hierzu darauf abgestellt, dass es vor allem im eigenbetrieblichen Interesse der A gelegen habe, eine rechtzeitige Anwesenheit des Klägers bei den von ihr veranstalteten Konzerten zu gewährleisten. Hinter dieses Interesse trete dasjenige des Klägers an der Beförderung und der Gewährung von Übernachtungsmöglichkeiten zurück. In einem solchen Fall fehle es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) an einem steuerrechtlich bedeutsamen Vorteil, so dass eine "Einnahme" nicht gegeben sei. Diese Beurteilung greift die Revision zu Recht an.
aa) Der Begriff "Einnahme" ist im DBA-USA nicht definiert. Seine Auslegung richtet sich deshalb, soweit es um die Anwendung des Abkommens für Zwecke der deutschen Besteuerung geht, nach den Vorgaben des deutschen Rechts (Art. 3 Abs. 2 DBA-USA). Dieses zählt, wie u.a. durch § 3 Nr. 13 und Nr. 16 EStG bestätigt wird, die Erstattung von Reisekosten zu den Einnahmen des Erstattungsempfängers. Für Reisekosten, die vom Auftraggeber des die Reise durchführenden Unternehmers unmittelbar getragen werden, muss im Grundsatz dasselbe gelten. Es handelt sich hier um einen abgekürzten Zahlungsweg, bei dem aus steuersystematischer Sicht beim Empfänger einerseits Betriebsausgaben in Gestalt von Reisekosten anfallen, während andererseits die Übernahme dieser Kosten durch den Auftraggeber zu Einnahmen führt (ähnlich Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 19 Rz. 23; a.A. Zimmermann/Könemann, Internationales Steuerrecht 2003, 774). Wie der Streitfall zeigt, könnte jede andere Beurteilung zu einer unterschiedlichen steuerrechtlichen Behandlung dieser beiden von der Interessenlage her gleichwertigen Gestaltungen führen, die mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar wäre.
bb) Nach der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH führen allerdings Leistungen eines Arbeitgebers zu Gunsten seines Arbeitnehmers für diesen nicht zu Arbeitslohn, wenn sie nicht durch das individuelle Arbeitsverhältnis ausgelöst, sondern lediglich Ausfluss betriebsfunktionaler Zielsetzungen sind (BFH-Urteile vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39; vom 4. Juni 1993 VI R 95/92, BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687; vom 26. Juni 2003 VI R 112/98, BFHE 203, 53, BStBl II 2003, 886). Diese Überlegung gilt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BFH-Urteil vom 27. Juli 1988 I R 28/87, BFHE 144, 479, BStBl II 1989, 449) gleichermaßen bei der Besteuerung selbständig Tätiger, insbesondere von Künstlern. Der Senat hat es deshalb in der genannten Entscheidung für möglich erachtet, dass im Einzelfall Aufwendungen eines Produzenten für die Unterbringung eines von ihm engagierten Künstlers nicht zu Einnahmen des Künstlers führen. Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht auf den Streitfall übertragbar. Sie betrifft nur Gestaltungen, bei denen ―wie in dem seinerzeit beurteilten Fall― der Transport des Künstlers und dessen Unterbringung an einem bestimmten Ort dem Träger der Aufwendungen die ständige Verfügbarkeit des Künstlers sichern sollen. Sie gilt hingegen nicht, wenn es ―wie im Streitfall― nur darum geht, ein rechtzeitiges Eintreffen des Künstlers am Veranstaltungsort zu gewährleisten. Dieses Anliegen entspricht ebenso dem Interesse des Künstlers wie dem des Veranstalters. Es kann nicht die Annahme begründen, dass die Übernahme von Reisekosten im ganz überwiegenden Interesse des zahlenden Veranstalters erfolgt, hinter das dasjenige des Künstlers an der Befreiung von Reisekosten nahezu vollständig zurücktritt.
cc) Diese Beurteilung wird, wie das BfF zu Recht vorträgt, durch § 50a Abs. 4 EStG in der hier einschlägigen Fassung mittelbar bestätigt. Dort ist für beschränkt steuerpflichtige Künstler ein Abzugsteuersatz von 25 v.H. der Einnahmen vorgesehen (Satz 2) und andererseits bestimmt, dass Bemessungsgrundlage der volle Betrag der Einnahmen (Satz 3) und u.a. ein Betriebsausgabenabzug nicht zulässig ist (Satz 4). Dem liegt erkennbar der Gedanke zu Grunde, dass durch die Begrenzung der Abzugsteuer auf 25 v.H. der Einnahmen die mit der Inlandstätigkeit zusammenhängenden Aufwendungen in pauschalierter Form berücksichtigt werden. Zu diesen Aufwendungen gehören indessen gerade bei ausländischen Künstlern typischerweise die durch den Auftritt im Inland veranlassten Reisekosten. Es würde deshalb der Konzeption des Gesetzes widersprechen, wenn solche Kosten in einer Vielzahl von Fällen von dem Veranstalter übernommen werden könnten, ohne dass dies zu steuerpflichtigen Einnahmen des Künstlers führen würde. Das aber wäre die Folge der vom FG vertretenen Auffassung.
dd) Eine spezifisch abkommensrechtliche Bestätigung der Annahme, dass der Begriff "Einnahmen" i.S. des Art. 17 Abs. 1 DBA-USA speziell bei der Übernahme von Reisekosten weit zu fassen ist, findet sich schließlich im Wortlaut der Vorschrift selbst. Diese bestimmt ausdrücklich, dass zu den Einnahmen eines Künstlers für eine Tätigkeit im Inland auch die für ihn übernommenen Kosten gehören. Durch die Einschränkung "für ihn" mögen diejenigen Fälle, in denen nach deutschem Einkommensteuerrecht im Hinblick auf das ganz überwiegende Interesse des Leistenden keine Einnahmen vorliegen, auch aus dem abkommensrechtlichen Einnahmebegriff ausgegrenzt sein. Die genannte Bestimmung zeigt aber, dass die Vertragsparteien übernommene Kosten zumindest für den Regelfall in die Berechnung des maßgeblichen Einnahmebetrags einbezogen wissen wollten. Diese Zielrichtung spricht ebenfalls gegen die Annahme des FG, dass schon das ―in fast allen Fällen vorliegende― Interesse des Leistenden an einem fristgerechten Tätigwerden des Künstlers ein Ausklammern übernommener Kosten aus dem Bereich der Einnahmen rechtfertigt.
ee) Das FG hat nicht festgestellt, ob die A die ihr für Transport, Unterbringung und Verpflegung des Klägers berechneten Beträge noch im Streitjahr oder erst im Folgejahr bezahlt hat. Das ist indessen auch nicht entscheidungserheblich, da es für die Zuordnung jener Beträge zum Streitjahr weder auf den Abfluss der Aufwendungen bei der A noch auf deren Zufluss bei dem jeweiligen Vertragspartner, sondern nur auf ihren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den im Streitjahr erbrachten Leistungen des Klägers ankommt. Das folgt schon aus dem Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 DBA-USA, der von Einnahmen "für das" betreffende Kalenderjahr ―und nicht "in dem" Kalenderjahr― spricht. Darin kommt zum Ausdruck, dass bei der zeitlichen Zuordnung nicht auf den Zu- oder Abfluss, sondern nur auf die wirtschaftliche Zugehörigkeit der Einnahmen zu dem betreffenden Kalenderjahr abzustellen ist. Zudem würde eine abweichende Auslegung dazu führen, dass die Steuerpflicht im Tätigkeitsstaat unter Umständen durch eine Verteilung der Honorarzahlung auf mehrere Kalenderjahre vermieden werden könnte, was nicht sachgerecht wäre. Angesichts dessen sind die Reisekosten, die unstreitig allein die im Streitjahr erfolgten inländischen Auftritte des Klägers betreffen, in vollem Umfang als dessen "Einnahmen" i.S. des Art. 17 Abs. 1 DBA-USA zu erfassen.
ff) Die Höhe der übernommenen Aufwendungen einschließlich der gezahlten Tagegelder ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Betrag von 3 280,45 US-$ ist deshalb der gezahlten Gage von 16 428,57 US-$ hinzuzurechnen.
3. Die Summe dieser Beträge übersteigt indessen nicht die in Art. 17 Abs. 1 DBA-USA genannte Grenze von 20 000 US-$. Deshalb hängt das deutsche Besteuerungsrecht im Streitfall davon ab, ob die vom BfF angesetzte Umsatzsteuer ebenfalls als "Einnahme" des Klägers im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist. Das FG hat das verneint. Die dem zu Grunde liegenden Erwägungen beanstandet das BfF zu Recht:
a) Zwischen den Beteiligten herrscht kein Streit darüber, dass der Kläger nicht Arbeitnehmer der A, sondern als Unternehmer tätig war und dass seine im Inland erbrachten Leistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) der Umsatzsteuer unterliegen. Davon ist erkennbar auch das FG ausgegangen. Es hat jedoch angenommen, dass es sich bei den zwischen A und dem Kläger vereinbarten Gagen um Bruttobeträge handele und dass deshalb im Innenverhältnis zwischen den Vertragsparteien nur der Kläger zur Zahlung der Umsatzsteuer verpflichtet gewesen sei. Hierzu hat es auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) Bezug genommen, nach der auch bei Verträgen zwischen Unternehmern ein vereinbarter Preis als Bruttopreis zu verstehen ist, sofern nicht ausdrücklich oder kraft Handelsbrauchs oder Verkehrssitte eine Nettopreisabrede vorliegt (BGH-Urteile vom 14. Januar 2000 V ZR 416/97, Betriebs-Berater ―BB― 2000, 690; vom 11. Mai 2001 V ZR 492/99, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 2001, 2464). Diese Ableitung geht fehl.
Denn die zitierte Rechtsprechung des BGH bezieht sich nur auf die Verhältnisse des deutschen Rechts. Der im Streitfall zu beurteilende Vertrag unterliegt jedoch nicht deutschem, sondern kalifornischem Recht. Das ergibt sich eindeutig aus der Vertragsurkunde, auf die das FG Bezug genommen hat und deren Inhalt damit als von ihm festgestellt gilt; dort ist ausdrücklich eine Auslegung des Vertrages "allein gemäß den Gesetzen des Staates von Kalifornien" vereinbart. Angesichts dessen weist die Revision zu Recht darauf hin, dass die Vertragsauslegung nicht den vom BGH entwickelten Regeln, sondern den Regeln des kalifornischen Rechts folgen muss. Die abweichende Handhabung durch das FG geht insoweit von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen aus und ist deshalb für den Senat nicht bindend.
b) Sollte der Vertrag nach den Auslegungsregeln des kalifornischen Rechts in dem Sinne zu würdigen sein, dass es sich bei den vereinbarten Zahlungen um Nettobeträge handelte, dann wäre die Klage abzuweisen. Denn in diesem Fall müsste angenommen werden, dass im Streitfall von der "Nullregelung" gemäß § 52 Abs. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStDV) Gebrauch gemacht worden ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift wären nach den Feststellungen des FG erfüllt, da einerseits der Kläger der A keine Rechnung mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer erteilt hat und andererseits die A bei Erteilung einer solchen Rechnung zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen wäre. Wenn in dieser Situation der inländische Vergütungsschuldner gegenüber dem ausländischen Vergütungsgläubiger keine Umsatzsteuer einbehält und andererseits keinen Vorsteuerabzug geltend macht, verhält er sich in der von § 52 Abs. 2 UStDV vorgesehenen Weise, was regelmäßig als Inanspruchnahme der sog. Nullregelung zu würdigen ist. Diese aber würde nach der Rechtsprechung des Senats dazu führen, dass dem Kläger die ihm gegenüber entstandene Umsatzsteuer als Einnahme zuzurechnen ist (Senatsurteile vom 30. Mai 1990 I R 57/89, BFHE 161, 97, BStBl II 1990, 967; vom 30. Mai 1990 I R 6/88, BFHE 163, 24, BStBl II 1991, 235; vom 8. Mai 1991 I R 14/90, BFH/NV 1992, 291). Das gilt sowohl für die Umsatzsteuer auf die Gagen (2 628,57 US-$) als auch für den auf die erstatteten Reisekosten entfallenden Betrag, den das BfF unwidersprochen mit 756,14 US-$ beziffert hat. Unter Berücksichtigung dieser Beträge würden sich die Einnahmen des Klägers auf (16 428,57 US-$ + 3 280,45 US-$ + 2 628,57 US-$ + 756,14 US-$ =) 23 093,73 US-$ belaufen, womit die Grenze von 20 000 US-$ überschritten wäre.
c) Zu den hiernach entscheidungserheblichen Auslegungskriterien des kalifornischen Rechts hat das FG keine Feststellungen getroffen. Das kann im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden, da der Inhalt ausländischen Rechts revisionsrechtlich zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen gehört und diese dem FG vorbehalten sind. Angesichts dessen muss der Rechtsstreit zwecks weiterer Sachaufklärung an das FG zurückverwiesen werden.
4. Die Zurückverweisung ist nicht deshalb entbehrlich, weil die Grenze von 20 000 US-$ im Streitfall aus anderen Gründen überschritten wird. Das gilt namentlich im Hinblick auf den Steuerabzugsbetrag (§ 50a EStG) auf die Reisekosten und den damit verbundenen Solidaritätszuschlag, die das BfF ebenfalls als "Einnahmen" des Klägers i.S. des Art. 17 Abs. 1 DBA-USA angesehen hat. Diese Sachbehandlung kann nämlich nur dann zutreffend sein, wenn der Kläger durch die Zahlung seitens der A von einer Steuerschuld frei geworden ist. Das aber hängt wiederum davon ab, ob eine solche Steuerschuld bestand. War dies nicht der Fall, dann greift die vom FG angestellte Erwägung durch, dass unterhalb der Besteuerungsgrenze liegende Einkünfte nicht durch den Ansatz eines zusätzlichen Steuerbetrags in den oberhalb der Grenze liegenden Bereich hineinwachsen können.
5. Der angefochtene Bescheid ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil das BfF dort hätte anordnen müssen, dass die Einnahmen des Klägers einem niedrigeren als dem in § 50a Abs. 4 Satz 2 EStG genannten Steuersatz zu unterwerfen sind. Zwar hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) es in Ansehung der gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote für geboten erachtet, die Erträge eines ausländischen Künstlers aus Auftritten in Deutschland unter Umständen mit weniger als 25 v.H. zu besteuern (EuGH-Urteil vom 12. Juni 2003 Rs. C-234/01, "Gerritse", BStBl II 2003, 859). Diese Rechtsprechung ist jedoch im Streitfall nicht unmittelbar einschlägig, da der Kläger weder Staatsangehöriger eines Staates der Europäischen Union noch in einem solchen ansässig ist. Er kann sich nur auf diejenigen Diskriminierungsverbote berufen, die im Verhältnis zwischen Deutschland und den USA gelten, und diese sind durch die im Streitfall erfolgte Besteuerung nicht berührt.
aa) Art. 24 Abs. 1 DBA-USA verbietet jedem Vertragsstaat, Staatsangehörige des jeweils anderen Vertragsstaats unter ansonsten gleichen Verhältnissen höher als seine eigenen Staatsangehörigen zu besteuern. Dieses Verbot greift jedoch im Streitfall schon deshalb nicht ein, weil die beschränkte Steuerpflicht des Klägers nicht an dessen Staatsangehörigkeit, sondern ausschließlich an den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers anknüpft. Der Kläger würde unter ansonsten gleichen Umständen auch dann nach Maßgabe des § 50a EStG besteuert, wenn er nicht Staatsbürger der USA wäre, sondern die deutsche Staatsangehörigkeit hätte. Angesichts dessen liegt ein Verstoß gegen Art. 24 Abs. 1 DBA-USA jedenfalls nicht vor. Dasselbe gilt im Hinblick auf Abs. 2 des Art. 24 DBA-USA, da der Kläger unstreitig in Deutschland keine Betriebsstätte besessen hat. Schließlich ist auch Art. XI Abs. 1 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (BGBl II 1965, 488), der ebenfalls auf die Staatsangehörigkeit abstellt, im Streitfall nicht einschlägig.
bb) Nach Art. 24 Abs. 4 DBA-USA dürfen Unternehmen eines Vertragsstaats, deren Kapital ganz oder teilweise einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person gehört, im erstgenannten Staat keiner belastenderen Besteuerung unterworfen werden als vergleichbare Unternehmen dieses Staats. Diese Regelung greift im Streitfall jedoch ebenfalls nicht ein. Sie bezieht sich nämlich nach ihrem Sinnzusammenhang nur auf Unternehmen, deren Kapital anderen Personen gehört als dem Unternehmen selbst. Das sind vor allem Kapitalgesellschaften, möglicherweise darüber hinaus auch Personengesellschaften (vgl. hierzu Rust in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 4. Aufl., § 24 Rz. 163; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 24 MA Rz. 89, m.w.N.), jedenfalls aber nicht Einzelunternehmen. Um ein solches geht es jedoch im Streitfall, der deshalb von Art. 24 Abs. 4 DBA-USA nicht berührt wird.
cc) Schließlich lässt sich weder aus dem DBA-USA noch aus dem Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag ein allgemeiner Grundsatz des Inhalts ableiten, dass es über die dort getroffenen Regelungen hinaus in jedem Fall unzulässig ist, in den USA ansässige Personen höher zu besteuern als ―unter ansonsten vergleichbaren Umständen― einen in Deutschland Ansässigen. Das Verbot einer Diskriminierung ist dort auf spezielle Tatbestände bezogen und damit zugleich auf diese Tatbestände begrenzt. Das schließt es aus, aus den genannten Verträgen ein allgemeines Meistbegünstigungsgebot abzuleiten.
6. Im Ergebnis hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids mithin davon ab, ob die mit dem Kläger vereinbarten Gagen und Tagegelder als Bruttobeträge zu verstehen sind oder ob der Kläger zusätzlich die Umsatzsteuer beanspruchen konnte. Im erstgenannten Fall muss die Klage Erfolg haben, im zweiten ist sie abzuweisen. Letzteres gilt wiederum unabhängig davon, ob das BfF die steuerlichen Abzugsbeträge zu Recht in die Bemessung des Einnahmebetrags einbezogen hat.
Auch wenn dies zu verneinen wäre, wäre nämlich der Klage nicht aus diesem Grund teilweise stattzugeben. Denn diese richtet sich ausschließlich auf eine Steuerfreistellung auf der Grundlage des § 50d EStG. Eine solche kann der Kläger im Hinblick auf die streitigen Abzugsbeträge nicht erhalten:
a) Nach § 50d Abs. 1 EStG in der im Streitfall maßgeblichen Fassung sind bei Einkünften, die einerseits dem Steuerabzug nach § 50a EStG unterliegen und andererseits nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden können, die Vorschriften über den Steuerabzug ungeachtet der Vorschriften des Abkommens anzuwenden. Der Gläubiger der Vergütung hat jedoch einen Anspruch auf Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer, der durch einen entsprechenden Antrag geltend zu machen ist (§ 50d Abs. 1 Satz 2 EStG). Verfahrensrechtliche Grundlage der Erstattung ist ein Freistellungsbescheid i.S. des § 155 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977), was inzwischen in § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG ausdrücklich geregelt ist, aber ebenso für die Rechtslage vor der Neufassung des § 50d EStG gilt (Senatsurteile vom 11. Oktober 2000 I R 34/99, BFHE 193, 336, BStBl II 2001, 291; vom 20. März 2002 I R 38/00, BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819). Für die Erteilung eines solchen Freistellungsbescheids ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) das BfF zuständig.
b) Die vorstehend beschriebene Regelung gilt jedoch nach dem eindeutigen Wortlaut des § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG nur für steuerabzugspflichtige Einkünfte, für die sich eine Beschränkung der Besteuerung entweder aus § 43b EStG oder aus einem DBA ergibt. Sie greift deshalb nicht ein, wenn geltend gemacht wird, dass dem Steuerabzug unterworfene Zahlungen aus anderen Gründen richtigerweise keine deutsche Steuer auslösen (Kirchhof/Gosch, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 50d Rz. 23; Wied in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 50d EStG Rz. 14; Hahn-Joecks in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 50d Rz. D 6; a.A. evtl. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 50d Rz. 5). Auf eine solche Gestaltung ist § 50d EStG weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (a.A. FG Köln, Urteil vom 16. Dezember 1998 2 K 7003/95, EFG 1999, 897). Der Vergütungsgläubiger kann einen Erstattungsanspruch in dieser Situation vielmehr nur in der Weise geltend machen, dass er entweder die Steueranmeldung des Vergütungsschuldners bzw. den ihr entsprechenden Verwaltungsakt (z.B. Haftungsbescheid) anficht (Senatsurteil in BFHE 144, 479, BStBl II 1989, 449) oder außerhalb des Verfahrens nach § 50d EStG einen Freistellungsbescheid beantragt. Ein in diesem Sinne "allgemeiner" Freistellungsbescheid ist nicht vom BfF zu erlassen, dessen Zuständigkeit sich nach dem ebenfalls klaren Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 2 FVG auf die Fälle des § 50d EStG beschränkt; hierfür ist vielmehr das nach den allgemeinen Regeln zuständige Finanzamt zuständig.
c) Im Streitfall steht, was die vom BfF angesetzten Abzugsbeträge nach § 50a EStG angeht, eine Steuerfreiheit nach dem DBA-USA nicht in Rede. Es geht insoweit vielmehr allein darum, ob die von der A abgeführten Beträge dem Kläger als Einnahmen zuzurechnen sind, ob also insoweit steuerpflichtige Einkünfte des Klägers vorliegen. Darüber kann nicht das BfF, sondern nur das zuständige Finanzamt entscheiden. Der Kläger wird deshalb sein Anliegen ggf. diesem gegenüber verfolgen müssen; im vorliegenden Rechtsstreit, in dem es nur um die vom BfF zu gewährende Freistellung gehen kann, ist dafür kein Raum.
Fundstellen
Haufe-Index 1143907 |
BFH/NV 2004, 859 |
BStBl II 2004, 560 |
BFHE 2004, 37 |
BFHE 205, 37 |
BB 2004, 1098 |
DB 2004, 1762 |
DStRE 2004, 634 |
DStZ 2004, 355 |
HFR 2004, 756 |