Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Haftung des Konkursverwalters für Umsatzsteuer
Leitsatz (NV)
Verwertet der Konkursverwalter im Auftrag des Sicherungsnehmers in einem masselosen Konkursverfahren Sicherungsgut, so haftet er nicht für die dabei angefallene nicht an das FA abgeführte Umsatzsteuer, wenn er sie aufgrund der Sicherungsabrede, die ihn zur Abführung des Bruttoerlöses an den Sicherungsnehmer verpflichtete, an diesen abgeführt hat.
Normenkette
AO 1977 §§ 34, 69 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 191 Abs. 1; KO §§ 4, 48, 49 Abs. 1 Nr. 2, § 58 Nr. 2, § 127 Abs. 1-2; UStG § 18
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Rechtsanwalt. Er wurde zum Konkursverwalter des inzwischen verstorbenen H bestellt, über dessen Vermögen am ... das Konkursverfahren eröffnet wurde. Der Kläger führte ein sog. Ordnungsverfahren durch, weil es sich um einen masselosen Konkurs handelte. Die Kosten des Konkursverfahrens trugen die absonderungsberechtigten Gläubiger. Der Kläger verwertete im Auftrag der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut und führte die Bruttoerlöse an die Gläubiger ab. So veräußerte er mit Kaufvertrag vom ... Teile des Betriebsvermögens zum Preis von ... DM zuzüglich X DM Umsatzsteuer. Er meldete diesen Umsatz weder an noch entrichtete er die darauf entfallende Umsatzsteuer an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --).
Das FA nahm den Kläger wegen Umsatzsteuer in Höhe von X DM nach § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) in Haftung.
Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, das FA habe den Kläger zu Unrecht als Haftenden für die durch die Verwertung des Betriebsvermögens des Gemeinschuldners H ausgelöste Umsatzsteuer gemäß § 191 Abs. 1, § 69 Satz 1 AO 1977 in Anspruch genommen. Denn der Kläger habe zumindest nicht schuldhaft gehandelt, als er die Verwertungserlöse einschließlich der Umsatzsteuer an die Gläubiger abgeführt habe. Er habe sich in einer Art Pflichtenkollision befunden.
Der Kläger hätte zwar die bei der Veräußerung des Sicherungsguts ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von X DM nach § 18 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) anmelden und abführen müssen. Dadurch, daß er die Umsatzsteuer nicht angemeldet und nicht abgeführt habe, habe sich der Kläger pflichtwidrig i. S. des § 69 AO 1977 verhalten, weil die Umsatzsteuer, die durch die Verwertung von Sicherungsgut durch den Konkursverwalter nach Eröffnung des Konkursverfahrens entstehe, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den Massekosten i. S. von § 58 Nr. 2 der Konkursordnung (KO) gehöre. Andererseits habe der Kläger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zivilrechtlich die Pflicht gehabt, den vollen Bruttoerlös an den Sicherungsnehmer abzuführen, weil dies zwischen dem Sicherungsgeber (H) und dem Sicherungsnehmer so vereinbart worden sei. Da der Kläger sich wegen der divergierenden Rechtsprechung dieser Gerichte in einer Pflichtenkollision befunden habe, könne ihm nicht vorgeworfen werden, daß er die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht angemeldet und abgeführt habe; es fehle zumindest ein schuldhaftes Handeln des Klägers.
Mit der Revision rügt das FA die unzutreffende Anwendung der §§ 69 und 191 AO 1977. Das FA führt im einzelnen aus, daß keine Divergenz zwischen der Rechtsprechung des BGH und des BFH bestünde. Vielmehr habe sich der BGH der umsatzsteuerlichen Beurteilung durch den BFH ausdrücklich angeschlossen. Nach der Rechtsprechung sei der Kläger verpflichtet gewesen, sowohl den Bruttoerlös (einschließlich Umsatzsteueranteil) an den Sicherungsnehmer als auch die Umsatzsteuer an das FA abzuführen. Der Kläger habe grob schuldhaft gehandelt, indem er nur den Bruttoerlös an den Sicherungsnehmer, nicht aber die Umsatzsteuer an das FA abgeführt habe.
Es sei nicht zutreffend, daß es im Konkursverfahren über das Vermögen des H niemals freie, nicht der Aus- oder Absonderung unterliegende Konkursmasse gegeben habe. Der Kläger habe selbst im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren im einzelnen ausgeführt, daß er rund ... DM an Erlösen erzielt habe, die aus nicht mit Aus- und Absonderungsrechten Dritter behaftetem Vermögen stammten und somit als freie Konkursmasse zu bezeichnen seien. Zusätzlich habe der Kläger noch Mieteinnahmen in Höhe von ... DM aus der Vermietung einer Lagerhalle erzielt. Der Kläger hätte die Umsatzsteuer aus dieser freien Konkursmasse begleichen können.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision des FA zurückzuweisen.
Er schließt sich den Ausführungen der Vorinstanz an. Er weist darauf hin, daß er dem FA mit Schreiben vom ... ,nachdem sich die Dinge entwickelt hatten und die Rechtsgrundlagen klargestellt waren, mitgeteilt habe, daß keine freie, nicht der Aus- und Absonderung unterliegende Konkursmasse erwirtschaftet worden sei. Das Konkursverfahren sei mangels Masse eingestellt worden. Im übrigen handele es sich insoweit um einen neuen Tatsachenvortrag des FA, der im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden könne.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei geurteilt, daß das FA den Kläger zu Unrecht als Haftenden für die durch die Verwertung des sicherungsübereigneten Betriebsvermögens des Gemeinschuldners ausgelöste Umsatzsteuer in Anspruch genommen hat.
1. Der Kläger haftet als Konkursverwalter nach § 69 Satz 1, § 34 Abs. 3 AO 1977 nur, soweit Ansprüche aus dem Steuerverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm als Konkursverwalter über das Vermögen des Gemeinschuldners dem FA gegenüber obliegenden Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Im Streitfall kommt nur eine Haftung des Klägers nach § 69 Satz 1 Alternative 1 AO 1977 in Betracht, weil die Umsatzsteuer infolge ihrer Nichtanmeldung durch den Kläger nicht festgesetzt worden ist (§ 150 Abs. 1 Satz 2, § 168 Satz 1 AO 1977 i. V. m. § 18 UStG). Der Kläger war zur Anmeldung der Umsatzsteuer nach § 18 UStG verpflichtet, weil -- wie das FG zutreffend erkannt hat -- die Konkursmasse durch die Verwertung des Sicherungsguts nach Eröffnung des Konkursverfahrens umsatzsteuerpflichtig geworden ist. Dabei kann dahinstehen, ob dieser Anspruch deshalb entstanden ist, weil der Konkursverwalter (Kläger) das Sicherungsgut nach § 127 Abs. 1 KO selbst verwertet und damit durch die Veräußerung des Sicherungsguts an den Dritterwerber eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung stattgefunden hat oder ob die Umsatzsteuer entstanden ist, weil der Konkursverwalter das Sicherungsgut zur Verwertung an den Sicherungsnehmer freigegeben (§§ 4, 127 Abs. 2 KO) und damit eine Lieferung an den Sicherungsnehmer stattgefunden hat. Dafür, daß im Streitfall die zweite Alternative gegeben ist, spricht, daß der Kläger das Sicherungsgut nach den Feststellungen in der Vorentscheidung "im Auftrag der Sicherungsnehmer verwertet" hat. In beiden Alternativen ist jedenfalls eine Umsatzsteuerschuld der Konkursmasse entstanden, die zu den Massekosten i. S. von § 58 Nr. 2 KO rechnet (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 1987 V R 57/79, BFHE 150, 379, BStBl II 1987, 741).
2. Der Kläger haftet jedoch für die angefallene Umsatzsteuer schon deshalb nicht, weil es an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung -- Nichtanmeldung der Umsatzsteuer -- und dem durch den Steuerausfall entstandenen Schaden fehlt.
Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (u. a. BFH-Urteile vom 5. März 1991 VII R 93/88, BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678 m. w. N.; vom 2. März 1993 VII R 90/90, BFH/NV 1994, 526), läuft die Haftung nach § 69 AO 1977 auf einen Schadensersatzanspruch hinaus. Ziel der Haftung nach dieser Vorschrift ist es, Steuerausfälle auszugleichen, die durch schuldhafte Pflichtverletzungen der in § 34 und § 35 AO 1977 bezeichneten Personen verursacht worden sind. Danach kann eine Haftung nur dann in Betracht kommen, wenn zwischen der Pflichtverletzung und dem Steuerausfall als dem auszugleichenden Schaden ein Kausalzusammenhang besteht. Tritt ein Steuerausfall als Schaden mangels ausreichender Zahlungsmittel und vollstreckbaren Vermögens des Steuerschuldners unabhängig davon ein, ob die Steueranmeldung fristgerecht eingereicht wird, so ist die Verletzung der Steuererklärungspflicht für den eingetretenen Schaden nicht ursächlich und ein Haftungsanspruch gegen denjenigen, der für die Abgabe der Steueranmeldung verantwortlich gewesen wäre, daher nicht gegeben (BFH-Urteil in BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678, 680). So verhält es sich auch im Streitfall.
Der Kläger war als Konkursverwalter über das Vermögen des Gemeinschuldners mangels vorhandener Konkursmasse nicht verpflichtet, die bei der Verwertung des Sicherungsguts angefallene Umsatzsteuer an das FA abzuführen. Daher wäre selbst bei ordnungsgemäßer Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung der Steuerausfall eingetreten.
Das FG hat festgestellt, daß der Kläger als Konkursverwalter ein sogenanntes Ordnungsverfahren durchgeführt hat, weil es sich um einen masselosen Konkurs handelte. Daraus ergibt sich, daß keine Masse zur Verfügung gestanden hat, aus der der Kläger Masse- bzw. Konkursgläubiger hätte befriedigen können. Diese Feststellung des FG ist für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend, weil ihr keine Denkgesetze oder Erfahrungssätze entgegenstehen und das FA dagegen keine Verfahrensrügen erhoben hat. Soweit das FA mit der Revision geltend macht, daß doch frei verfügbare, d. h. nicht der Aus- oder Absonderung unterliegende Konkursmasse vorhanden gewesen sei, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht mehr beachtet werden kann.
Der Umsatzsteueranteil an dem Verwertungserlös stand der Masse nicht zur Befriedigung des FA zur Verfügung. Der Sicherungsnehmer hat im Konkurs des Sicherungsgebers ein Absonderungsrecht nach §§ 48, 49 Abs. 1 Nr. 2 KO (vgl. Urteil des Reichsgerichts -- RG -- vom 9. April 1929 VII R 536/28, RGZ 124, 73; BGH-Urteile vom 26. Oktober 1961 VII ZR 107/60, Neue Juristische Wochenschrift 1962, 46; vom 28. Juni 1978 VIII ZR 60/77, BGHZ 72, 141, 146f.; Kilger/Schmidt, Konkursordnung, 16. Aufl., § 43 Anm. 9). Die abgesonderte Befriedigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 2 KO außerhalb des Konkursverfahrens. Wird das Sicherungsgut im Auftrag des Sicherungsnehmers vom Konkursverwalter (§ 127 Abs. 2 KO) oder vom Konkursverwalter nach § 127 Abs. 1 KO selbst verwertet, so kann sich der Sicherungsnehmer nach Maßgabe der getroffenen Sicherungsabreden aus dem Verwertungserlös befriedigen (§ 127 Abs. 2 KO) oder im Falle des § 127 Abs. 1 KO Befriedigung daraus verlangen, bevor der Erlös der Masse zugeführt wird. Nach den getroffenen Sicherungsabreden hatte der Sicherungsnehmer, wie das FG für den Senat bindend festgestellt hat (§ 118 Abs. 2 FGO), Anspruch auf den gesamten Verwertungserlös (Bruttoerlös). Der Kläger hat daher als Konkursverwalter zu Recht den gesamten Verwertungserlös an den Sicherungsnehmer abgeführt. Der Konkursmasse stand danach der Umsatzsteueranteil an dem Verwertungserlös nicht zur Befriedigung der Massekosten -- hier des Umsatzsteueranspruchs des FA -- (§ 58 Nr. 2 KO) zur Verfügung.
Der Kläger war auch nicht verpflichtet, den Umsatzsteueranteil an dem Verwertungserlös ungeachtet der Masselosigkeit des Konkursverfahrens an das FA abzuführen. Die vom FG gesehene Divergenz zwischen der Rechtsprechung des BGH (Urteile vom 12. Mai 1980 VIII ZR 167/79, BGHZ 77, 139, und vom 22. März 1972 VIII ZR 119/70, BGHZ 58, 292), wonach der aus der Verwertung des Sicherungsguts erzielte Bruttoerlös (einschließlich des Umsatzsteueranteils) bei entsprechend getroffenen Sicherungsabreden vom Konkursverwalter an den Sicherungsnehmer abzuführen ist, und der Rechtsprechung des BFH, wonach bei der Verwertung des Sicherungsguts grundsätzlich der Sicherungsgeber umsatzsteuerpflichtig wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 150, 379, BStBl II 1987, 741), besteht nicht. Denn aus der Umsatzsteuerpflicht ergibt sich zwar grundsätzlich auch die Pflicht zur Abführung der Umsatzsteuer. Diese besteht aber im Falle des Konkurses des Sicherungsgebers nur nach Maßgabe der konkursrechtlichen Vorschriften. Wie bereits unter Nr. 1 ausgeführt, handelt es sich bei der Umsatzsteuerschuld im Streitfall um Massekosten (§ 58 Nr. 2 KO), die nur beglichen werden können, wenn dafür nach Ausübung der Aus- und Absonderungsrechte die erforderliche Masse vorhanden ist.
3. Da der Kläger schon deshalb nicht nach § 69 Satz 1 Alternative 1, § 34 Abs. 3, § 191 AO 1977 für die bei der Verwertung des Sicherungsguts angefallene Umsatzsteuer haftet, weil kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verletzung der Anmeldepflicht und dem Steuerausfall besteht, kann dahinstehen, ob der Kläger seine Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung schuldhaft verletzt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 421198 |
BFH/NV 1996, 522 |