Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Der VI. Senat tritt der Auffassung des I. Senats über die steuerliche Beurteilung von Arbeitsverhältnissen zwischen Ehegatten (Urteile des Bundesfinanzhofs I 231/56 S vom 3. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 27, Slg. Bd. 66 S. 66; I 105/57 U vom 10. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 70, Slg. Bd. 66 S. 178) und vom Gesellschaftsverhältnissen zwischen Ehegatten (Urteil des Bundesfinanzhofs I 116/58 U vom 26. August 1958, BStBl 1958 III S. 445, Slg. Bd. 67 S. 450) bei.
Die Finanzämter und die Steuergerichte brauchen dem Antrag eines Steuerpflichtigen, die Veranlagung vorläufig zu machen oder die Entscheidung auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht in einer bereits anhängigen anderen Sache über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes entschieden hat, grundsätzlich nicht zu entsprechen.
Normenkette
EStG § 26a Abs. 1 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6/1; AO §§ 100, 259/3, §§ 244, 264; FGO § 74
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.), ein selbständiger Bäckermeister, verlangte, für seine im Geschäft mitarbeitende Ehefrau einen Betrag als Arbeitslohn (Betriebsausgabe) bei Ermittlung seines Gewinns abzusetzen, und zwar für 1950 und 1951 je 2.400 DM und für 1952 und 1953 je 3.600 DM. Die Vorinstanzen haben den Abzug versagt.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.
Die Rechtsausführungen, mit denen das Finanzgericht die Berücksichtigung eines Arbeitslohns für die Ehefrau abgelehnt hat, entsprechen den Grundsätzen der Urteile des Bundesfinanzhofs I 231/56 S vom 3. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 27, Slg. Bd. 66 S. 66) und I 105/57 U vom 10. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 70, Slg. Bd. 66 S. 178). Der Senat tritt der in diesen Urteilen niedergelegten Rechtsprechung des I. Senats bei. Unstreitig ist in den Streitjahren kein Arbeitsvertrag zwischen den Ehegatten geschlossen und durchgeführt worden. Rückwirkend kann ein Arbeitsverhältnis mit steuerlicher Wirkung nicht vereinbart werden. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob, wenn der Steuerpflichtige und seine Ehefrau tatsächlich rechtzeitig einen Vertrag geschlossen und durchgeführt hätten, anerkannt werden könnte, daß die Ehefrau im Verhältnis zu ihrem Ehemann wirtschaftlich die Stellung einer Arbeitnehmerin hatte. Bei mitarbeitenden Handwerker-Ehefrauen wird es im allgemeinen an dieser Voraussetzung fehlen, wie es der I. Senat in der Entscheidung I 105/57 U für mitarbeitende Ehegatten in mittleren Handelsbetrieben bereits angenommen hat.
Zwischen Ehegatten vereinbarte und durchgeführte Gesellschaftsverhältnisse sind auch steuerlich zu beachten, wie der I. Senat des Bundesfinanzhofs in der Entscheidung I 116/58 U vom 26. August 1958 (BStBl 1958 III S. 445, Slg. Bd. 67 S. 450) ausgesprochen hat. Der erkennende Senat tritt auch dieser Rechtsprechung bei. Ein echtes Gesellschaftsverhältnis in diesem Sinne ist zwischen den Ehegatten nicht begründet worden. Eine sogenannte faktische Innengesellschaft wird steuerlich nicht anerkannt, wie in der Entscheidung I 116/58 U a. a. O. dargelegt ist.
Das Finanzgericht brauchte entgegen der Auffassung des Steuerpflichtigen auch nicht dessen Antrag zu entsprechen, die streitigen Veranlagungen gemäß § 100 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufig zu machen oder die Entscheidung über die Berufung gemäß § 264 AO bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die steuerliche Beurteilung von Arbeitsverhältnissen zwischen Ehegatten oder die Verfassungsmäßigkeit des § 26a Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1957 auszusetzen. Es ist bekannt, daß diese Fragen Gegenstand von Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht sind (vgl. Verfügung der Oberfinanzdirektion Düsseldorf vom 30. Juni 1958, "Der Betrieb" 1958 S. 788). Der Bf. will mit seinem Antrag erreichen, daß eine spätere günstige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch ihm zugute kommt. Dabei geht es anscheinend davon aus, daß, wenn über seinen Fall rechtskräftig und endgültig entschieden ist, auch eine dem Steuerpflichtigen günstige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf Grund von § 79 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) für ihn keine Auswirkungen mehr haben könnte. Der Bf. stützt diese Auffassung wohl darauf, daß, als das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 17. Januar 1957 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 6 S. 55 ff., BStBl 1957 I S. 193) den § 26 EStG 1951 für nichtig erklärt hatte und der Gesetzgeber daraufhin im Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (Bundesgesetzblatt 1957 I S. 848, BStBl 1957 I S. 352) die Ehegattenbesteuerung für die Veranlagungszeiträume 1949 bis 1957 anderweit regelte, die rechtskräftigen Fälle in die günstige Neuregelung nicht einbezogen wurden. Die Steuerpflichtigen bemühen sich mit Recht darum zu verhindern, daß sie gegenüber anderen Steuerpflichtigen dadurch benachteiligt werden, daß infolge der Rechtskraft in ihrem Fall eine günstige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sich nicht auswirkt. Würden diese Folgen zwangsläufig eintreten, so wäre es nach dem Grundsatz der Gerechtigkeit und der gleichmäßigen Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland) Aufgabe der Steuergerichte, für einen angemessenen und gerechten Ausgleich zu sorgen. Es ist dem Steuerpflichtigen zuzugeben, daß dann die von ihm beantragten Maßnahmen geeignete Mittel sein könnten. Indessen geht der Steuerpflichtige von unrichtigen Voraussetzungen aus. § 79 Abs. 2 BVerfGG schreibt nicht allgemein vor, daß rechtskräftige Sachen durch die Nichtigerklärung eines Gesetzes nicht berührt werden; die Vorschrift sieht vielmehr vor, daß die Gesetzgebung auch für rechtskräftige Sachen eine Anpassungsregelung treffen kann, wenn das Bundesverfassungsgericht eine gesetzliche Bestimmung rückwirkend für nichtig erklärt. Die Tatsache, daß der Gesetzgeber nach der Nichtigerklärung des § 26 EStG 1951 von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, rechtfertigt nicht den Schluß, daß er auch in Zukunft in ähnlichen Fällen ebenso vorgehen wird. Im übrigen kann der Steuerpflichtige sich den Vorteil einer etwaigen günstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dadurch sichern, daß er selbst gemäß § 90 BVerfGG Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegt. Wenn die Finanzverwaltungsbehörden und die Steuergerichte gezwungen wären, in allen Fällen, in denen vor dem Bundesverfassungsgericht anhängige Rechtsfragen eine Rolle spielen, die Veranlagungen vorläufig zu machen oder ihre Entscheidungen auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, so würde das bei der Massenarbeit der Besteuerung eine schwerwiegende Lähmung der Verwaltung und der Steuergerichtsbarkeit zur Folge haben, zumal erfahrungsgemäß Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts erst nach verhältnismäßig langer Zeit ergehen. Im allgemeinen können die Verwaltungsbehörden und die Steuergerichte davon ausgehen, daß die Steuergesetze verfassungsmäßig sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 332/58 S vom 12. Dezember 1958 (BStBl 1959 III S. 140). Bei vernünftiger Abwägung der Interessen des Steuerfiskus und der Steuerpflichtigen bedeutet es darum keinen Verstoß gegen Recht und Billigkeit, wenn die Verwaltungsbehörden und die Steuergerichte von der Möglichkeit, die Veranlagung gemäß § 100 AO vorläufig zu machen oder nach § 259 Abs. 3 und § 264 AO die Entscheidung auf Antrag des Steuerpflichtigen auszusetzen, keinen Gebrauch machen, sondern ihn auf den Weg der Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht verweisen. Aus diesen Erwägungen hat auch der Bundesfinanzhof bisher Anträge der Steuerpflichtigen, bei Meinungsverschiedenheiten über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes die Entscheidung über die Rb. auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, abgelehnt. Auch im Streitfall sieht der Senat keine Veranlassung, dem Aussetzungsantrag des Steuerpflichtigen für das Rechtsbeschwerdeverfahren stattzugeben.
Fundstellen
Haufe-Index 409313 |
BStBl III 1959, 172 |
BFHE 1959, 451 |
BFHE 68, 451 |