Leitsatz (amtlich)

1. Für die Höhe der Ausfuhrhändlervergütung ist nicht die tatsächliche Belastung der Ware mit Umsatzsteuer maßgebend, sondern nur die Höhe der Belastung der Lieferung des Herstellers an den Ausfuhrhändler.

2. Soweit § 74 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 3 von steuerfreier Lieferung spricht, ist darunter die steuerfreie Lieferung des Herstellers gemeint.

3. Werden Kraftfahrzeuge von privaten Endabnehmern unmittelbar oder über einen Händler an einen Ausfuhrhändler geliefert, so steht dem Ausfuhrhändler Vergütung in Höhe von 4 v. H. zu.

 

Normenkette

UStG § 16 Abs. 1; Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz i.d.F. der Zwölften Verordung zur Änderung vom 8. September 1961 § 74 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Bgin. führt Kraftfahrzeuge aus. Die Kraftfahrzeuge erwirbt sie entweder unmittelbar von Kraftfahrzeugbesitzern (privaten Endabnehmern) oder von Händlern, die sie ihrerseits von Kraftfahrzeugbesitzern (privaten Endabnehmern) erworben hatten. Die Bgin. beantragte und erhielt für die von ihr ausgeführten Kraftfahrzeuge Ausfuhrhändlervergütung gemäß § 16 Abs. 1 UStG in Höhe eines Vergütungssatzes von 4 % nach § 74 Abs. 2 Satz 1 UStDB.

Auf Grund der Neufassung des § 74 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 3 UStDB durch die Zwölfte Verordnung zur Änderung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 8. September 1961 -- UStDB n. F. -- (BGBl I S. 1660, BStBl I S. 624) entstanden bei der Bgin. und beim Finanzamt Zweifel über den anzuwendenden Vergütungssatz. Die Oberfinanzdirektion sagte mit Schreiben vom 22. Januar 1962 der Bgin. zu, das Finanzamt werde die Ausfuhrhändlervergütung weiterhin in Höhe von 4 v. H. auch in den Fällen gewähren, in denen die Lieferung an den Lieferer der Bgin. nicht der Umsatzsteuer unterlegen habe, vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Bundesministers der Finanzen oder der Rechtsmittelbehörden.

Am 5. April 1962 teilte das Finanzamt jedoch mit, daß nur ein Vergütungssatz von 1 % in den bisher zweifelhaften Fällen gewährt werde. Daraufhin forderte das Finanzamt nach einer örtlichen Vergütungsprüfung für den Zeitraum Oktober 1961 bis März 1962 durch die Bescheide vom 23. Mai 1962 einen Betrag von ... DM zuviel bezahlter Vergütung zurück. Das Finanzamt vertrat dabei die Auffassung, der Bgin. stehe für die Ausfuhrlieferungen, bei denen sie selbst oder ihre Lieferanten die Kraftfahrzeuge auf Grund von nicht steuerbaren Lieferungen privater Endabnehmer erworben hätten und die Lieferung an die Bgin. durch ihre Lieferanten (Händler) nur mit 1 v. H. versteuert worden sei, nur ein Vergütungssatz von 1 v. H. gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 3 UStDB n. F. zu.

Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Auffassung, daß § 16 Abs. 1 UStG bezüglich der Höhe der zu gewährenden Vergütung nicht wörtlich aufgefaßt werden dürfe. Es müsse die Entwicklung der Verhältnisse berücksichtigt werden, wonach mehrere Umsätze ausgeführt würden, bevor die Ware vom Hersteller an den Exporteur gelange. Es sei im Rahmen des Möglichen auf die tatsächliche Vorbelastung abzustellen und dafür zu sorgen, daß die Ausfuhrhändlervergütung nicht höher sei als die Vorbelastung und daß schließlich in Fällen, in denen keine Vorbelastung entstanden sei, keine Ausfuhrhändlervergütung gewährt wurde. § 74 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 3 UStDB n. F. sei nur anwendbar, wenn der Lieferer des Antragstellers den Gegenstand "steuerfrei" erworben habe, nicht aber dann, wenn der Gegenstand auf Grund weiterer vorangegangener Lieferungen schon mit Umsatzsteuer belastet sei. Zumindest dürfte der Verordnungsgeber durch § 74 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 3 UStDB n. F. nicht bewußt Fälle haben erfassen wollen, in denen ein Privatmann in die Handelskette eingeschaltet sei.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des § 16 Abs. 1 UStG und des § 74 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 3 UStDB n. F., weil das Urteil weder Wortlaut noch Sinn der Vorschriften beachtet habe. § 16 Abs. 1 UStG stelle nicht auf die tatsächliche und die gesamte Vorbelastung des auszuführenden Gegenstandes, sondern lediglich auf die Belastung mit der Steuer ab, die der Lieferer des Antragstellers zu entrichten habe. Es sei zwar richtig, daß die Ausfuhrhändlervergütung in vielen Fällen selbst dann 4 % der Bemessungsgrundlage betrage, wenn die unmittelbare Vorlieferung nur mit 1 % des Entgelts zu versteuern gewesen sei. Dies gelte aber in der Regel nur, wenn sich der betreffende Gegenstand auf dem Wege vom Hersteller zum Exporteur stets im Unternehmerbereich befunden habe und die Handelskette nicht unterbrochen worden sei.

Im übrigen trägt der Vorsteher des Finanzamts vor, daß der Erwerb eines Gegenstandes durch eine Privatperson (Endverbraucher) die in den Preis eingegangene Umsatzsteuerbelastung untergehen lasse. Die steuertechnisch als Verkehrsteuer ausgestaltete Umsatzsteuer habe die Wirkung einer allgemeinen Verbrauchsteuer. Der Verbraucher erhalte als letztes Glied im Wirtschaftsablauf die Ware und trage nicht nur die von seinem Lieferer auf ihn überwälzte, sondern auch die auf den Vorstufen angefallene Umsatzsteuer. Damit sei das Ziel der Besteuerung erreicht. Die kumulierte Umsatzsteuer, die auf der Ware laste, sei dadurch, daß der Verbraucher Teile seines Einkommens für sie aufwenden müsse, untergegangen. Daraus müsse gefolgert werden, daß die Umsatzsteuer auch nicht wieder auflebe, wenn der Gegenstand erneut in den Wirtschaftsablauf eingeschleust werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat keinen Erfolg.

1. Die Höhe der an den Ausfuhrhändler zu gewährenden Vergütung wird in § 16 Abs. 1 UStG dahin bestimmt, daß ein Betrag vergütet werden kann, "der zum Ausgleich der Steuer führt, die auf der Lieferung an ihn ..." lastet. Mit diesen Worten kommt die Vorstellung des Gesetzgebers zum Ausdruck, die für die Einführung der Ausfuhrhändlervergütung maßgebend gewesen ist. Die Regelung hat den Zweck, den Ausfuhrhändler mit dem steuerfrei exportierenden Fabrikanten in der Umsatzsteuerbelastung der exportierten Ware gleichzustellen und dadurch vor Ausschaltung zu schützen. Der Ausfuhrhändler würde sonst einmal dem exportierenden Fabrikanten gegenüber dadurch benachteiligt sein, daß die Lieferung des Fabrikanten an ihn mit Umsatzsteuer belastet ist. Die vom Ausfuhrhändler exportierte Ware würde -- unter sonst gleichen Wettbewerbsverhältnissen -- um diese eine Umsatzsteuerquote teurer sein als die unmittelbar vom Hersteller ausgeführte Ware. Daher erhält der Ausfuhrhändler die Umsatzsteuer vergütet, die auf der Lieferung des Gegenstandes an ihn lastet. Der Gesetzgeber geht somit davon aus, daß der Hersteller unmittelbar an den Ausfuhrhändler liefert und dem Ausfuhrhändler die auf dieser Lieferung lastende Umsatzsteuer vergütet werden soll.

Der Auffassung des Finanzgerichts, § 16 Abs. 1 UStG sei bei der Berücksichtigung der Entwicklung der Verhältnisse nicht wörtlich auszulegen, kann der Senat nicht folgen. Denn bei Einführung der Ausfuhrhändlervergütung hat der Gesetzgeber eindeutig das Ziel verfolgt, nicht für alle Umsatzsteuerquoten, mit denen die Ware bis zur Ausfuhr belastet worden ist, eine Vergütung zu gewähren, sondern nur die Rückzahlung in Höhe der einen Quote zuzulassen, mit der die Lieferung vom Hersteller an den Ausfuhrhändler belastet ist. Es ist daher auch die Ansicht des Finanzgerichts nicht richtig, es müsse im Rahmen des Möglichen auf die tatsächliche Vorbelastung abgestellt werden. Dies sollte gerade nicht der Fall sein, "da ein Nachweis der Quoten bei vielfacher Verarbeitung und Bearbeitung und Zusammensetzung aus allerlei Roh- und Halbstoffen ganz ausgeschlossen ist" (Popitz-Kloß-Grabower, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl. 1928 S. 499).

Die Auffassung des Finanzgerichts findet auch in § 7 Abs. 2 Ziff. 2 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr (AusfFördG) in der Fassung vom 18. September 1953 (BGBl I S. 1379, BStBl 1953 I S. 402) keine Stütze. Diese Bestimmung widerspricht nämlich insoweit nicht dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 1 UStG. Denn auch die in dieser Bestimmung angeführten Gegenstände sind bei Lieferung durch den Hersteller mit Umsatzsteuer belastet. Es würde also der Ausfuhrhändler, der die ausgeführte Ware über einen Großhändler steuerfrei bezogen hat, schlechter gestellt sein als der unmittelbar exportierende Hersteller, wenn nicht die Regelung nach § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG getroffen worden wäre.

2. In Durchführung des § 16 Abs. 1 UStG sind in § 74 Abs. 2 UStDB n. F. die Vergütungssätze bestimmt. In Übereinstimmung mit dem Zweck des Gesetzes richtet sich die Höhe der Vergütung nach dem Steuersatz, mit dem die Lieferungen an den Ausfuhrhändler im Regelfall, nämlich bei Lieferung durch den Hersteller an ihn, belastet ist. Das ergibt sich ganz eindeutig aus § 74 Abs. 2 UStDB selbst und aus den Ziffern 1 und 2 dieses Absatzes. Liefert nicht der Hersteller, sondern ein Händler an den Ausfuhrhändler, so ist zwar die Lieferung "an ihn" nur mit dem Großhandelssteuersatz von 1 v. H. belastet. Auf der Ware ruht aber auch noch die Umsatzsteuer für die Lieferung vom Hersteller an den Großhändler. Würde der Ausfuhrhändler in diesem Falle nur eine Vergütung in Höhe von 1 v. H. erhalten, so wäre er bei der Ausfuhr der Ware erheblich schlechter gestellt als der Produzent. Der von § 16 Abs. 1 UStG verfolgte Zweck wäre daher bei Vergütung in Höhe von 1 v. H. nicht erreicht. Durch die Vergütung wird demnach die Mindestbelastung der Ware bei Lieferung durch den Hersteller an den Ausfuhrhändler ausgeglichen. Mehr als diese Mindestbelastung wird jedoch nicht vergütet, auch wenn die Belastung der Ware tatsächlich höher ist.

3. Ist die Ware jedoch bei Lieferung durch den Hersteller an den Ausfuhrhändler überhaupt nicht mit Umsatzsteuer belastet, weil der Hersteller z. B. in den Fällen des § 4 Ziff. 19, 20 UStG steuerfrei liefern kann, dann könnte eine Ausfuhrhändlervergütung nach dem dem § 16 Abs. 1 UStG zugrunde liegenden Zweck nicht gewährt werden. Gleichwohl läßt der Verordnungsgeber eine Vergütung in Höhe von 1 v. H. zu, auch wenn die Lieferung des Herstellers steuerfrei ist (vgl. § 74 Abs. 2 Ziff. 3 UStDB). Dabei trägt diese Bestimmung offenbar dem Umstand Rechnung, daß die Ware möglicherweise mit einer Steuer von 1 v. H. belastet ist, nämlich dann, wenn der Ausfuhrhändler sie nicht unmittelbar von dem steuerfrei liefernden Hersteller, sondern über einen Großhändler bezieht und beziehen muß. Erhielte nämlich in diesen Fällen der Ausfuhrhändler keine Vergütung, so wäre er schlechter gestellt als der Produzent; dies wiederum würde dem Zweck des § 16 Abs. 1 UStG widersprechen.

Demnach geht der Verordnungsgeber in § 74 Abs. 2 Ziff. 3 UStDB n. F. davon aus, daß der Hersteller steuerfrei liefert, der Exporteur aber über einen Händler bezieht und die Lieferung des Händlers an den Exporteur mit 1 v. H. belastet ist. Wenn also § 74 Abs. 2 Ziff. 3 UStDB n. F. von steuerfreiem Erwerb durch den Lieferer des Antragstellers spricht, so kann darunter nur die steuerfreie Lieferung durch den Hersteller gemeint sein. Für diese Auffassung spricht auch die Fassung des § 74 Abs. 2 Ziff. 4 UStDB vor der Änderung durch die UStDB n. F. Darin ist ein Fall der steuerfreien Lieferung durch den Hersteller, nämlich der des § 4 Ziff. 19 UStG, ausdrücklich erwähnt. Der Lieferung durch den Hersteller ist insoweit die steuerfreie Lieferung durch den importierenden Großhändler gleichgestellt. Für die Höhe des Vergütungssatzes ist es demnach gleichgültig, über wie viele Zwischenhändler der Exporteur die Ware bezogen hat. Dies entspricht auch ganz dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 1 UStG.

4. In dem vorliegenden Fall besteht kein Streit darüber, daß die Lieferung des Herstellers nicht steuerfrei, sondern mit einer Umsatzsteuer von 4 v. H. belastet gewesen ist. Darauf allein aber kommt es an. Es ist zwar die Auffassung des Finanzamts richtig, daß die Lieferung eines privaten Endabnehmers an die Bgin. oder an deren Lieferanten nicht steuerbar ist, weil dem Endabnehmer die Eigenschaft eines Unternehmers fehlt. Dies ist aber ohne Belang. Denn der Vergütungssatz von 1 v. H. kommt nur für den Ausnahmefall in Betracht, daß der Hersteller steuerfrei geliefert hat. Ob ein anderer Vorlieferant des Ausfuhrhändlers steuerfrei oder nicht steuerbar geliefert hat, spielt bei der Höhe des Vergütungssatzes keine Rolle. Denn das Vergütungsrecht geht bei der Höhe des anzuwendenden Vergütungssatzes nur von der Lieferung des Herstellers an den Ausfuhrhändler, ausnahmsweise, wenn diese Lieferung steuerfrei ist, von der Lieferkette Hersteller--Großhändler--Ausfuhrhändler aus.

Unter diesen Umständen kann auch der Einwand des Finanzamts nicht berücksichtigt werden, es sei die umsatzsteuerliche Belastung durch Überwälzung auf den Endabnehmer untergegangen und lebe nicht wieder auf. Im übrigen hat der Senat auch Zweifel an der Richtigkeit dieser Auffassung. Denn die Umsatzsteuer lastet auf einer Ware auch noch beim Endabnehmer, und zwar so lange, bis die Ware endgültig verbraucht ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411671

BStBl III 1965, 433

BFHE 1965, 517

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