Leitsatz (amtlich)
Für die Annahme einer Verwertung der Erfindung im eigenen gewerblichen Betrieb des Erfinders genügt die Herstellung oder Bearbeitung von Wirtschaftsgütern nach der durch ein Patent geschützten Erfindung. Daß auch der Vertrieb der Wirtschaftsgüter im Rahmen des eigenen gewerblichen Betriebes des Erfinders erfolge, ist nicht erforderlich.
Normenkette
Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder vom 30. Mai 1951 (BStBl I 1951, 181) §§ 3-5
Tatbestand
Streitig ist, ob der Begriff der Verwertung im eigenen gewerblichen Betrieb im Sinne der §§ 3 bis 5 der Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder vom 30. Mai 1951 - ErfVO - (BStBl I 1951, 181) bereits allein durch die Herstellung oder erst durch die Herstellung und den Vertrieb der unter Ausnutzung der Erfindung gefertigten Gegenstände erfüllt wird.
Der Revisionskläger (Steuerpflichtige) unterhielt im Streitjahr (1963) eine elektrotechnische Fabrik, in der eine von ihm entwickelte (erfundene) und vom zuständigen Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr als volkswirtschaftlich wertvolle Erfindung bezeichnete elektrisch gesteuerte ...maschine hergestellt wurde. Das alleinige Vertriebsrecht der im Betrieb des Steuerpflichtigen hergestellten und betriebsfertig versandten Maschinen lag bei der Firma L-GmbH. Diese zahlte ihm als Pauschalabgeltung für Entwicklungskosten im Streitjahr 52 000 DM, für die der Steuerpflichtige die Vergünstigung nach § 4 Abs. 3 ErfVO in Anspruch nahm. Der Revisionsbeklagte (FA) sah die Voraussetzung dieser Bestimmung für nicht gegeben an, während der Steuerpflichtige den Begriff der Verwertung im eigenen gewerblichen Betrieb unter Hinweis auf das Fehlen jeder Vertriebsfunktion seines Unternehmens als nicht erfüllt ansah. Die Sprungberufung (alten Rechts) gegen den Bescheid vom 15. Dezember 1964 blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Eine Ermäßigung der Einkommensteuer um die Hälfte stehe dem Steuerpflichtigen nicht zu, weil er die Erfindung im eigenen gewerblichen Betrieb verwerte. Sollte die ErfVO jedoch ungültig sein, bestehe für eine Ermäßigung der Einkommensteuer keine Rechtsgrundlage, da nach Auffassung des FG der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 11. September 1944 (RStBl 1944, 586) aufgehoben sei. Unter den Begriff der Verwertung der Erfindung im eigenen gewerblichen Betrieb fielen nach Auffassung des FG alle Handlungen, die nach dem Patentgesetz allein vom Patentinhaber vorgenommen werden könnten. Allein der Patentinhaber sei befugt, den Gegenstand der Erfindung gewerbsmäßig herzustellen, ihn in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen (§ 6 des Patentgesetzes in der Fassung vom 9. Mai 1961, BGBl I 1961, 550). Eine beschränkte oder unbeschränkte Übertragung dieser Rechte sei möglich. Die Ermäßigung der Einkommensteuer hänge davon ab, daß der Patentinhaber auf die Ausübung sämtlicher Rechte aus dem Patent verzichtet habe; eine teilweise Übertragung der Rechte genüge nach Auffassung des FG nicht. Im Streitfall habe der Steuerpflichtige nicht auf die Ausübung sämtlicher Rechte aus seinem Patent verzichtet. Die Herstellung der Geräte erfolge in seinem eigenen gewerblichen Betrieb; nur den ausschließlichen Vertrieb habe der Steuerpflichtige der L-GmbH übertragen. Damit seien die geforderten Voraussetzungen für die Ermäßigung der Einkommensteuer nicht gegeben.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Steuerpflichtige mit der Revision, zu deren Begründung er vortragen läßt:
Der Begriff der Verwertung umfasse drei Teilgebiete: die Herstellung des Erfindungsgegenstandes, sein In-Verkehr-Bringen und Feilhalten (= den Vertrieb) und den Eigengebrauch. Im Streitfall sei ein Teilgebiet, der Vertrieb, ausschließlich der L-GmbH gegen Zahlung einer Pauschallizenz übertragen worden. Der Steuerpflichtige habe sich somit als Erfinder eines wesentlichen Teiles seiner mit der Erfindung verbundenen Rechte entäußert. Es sei nicht zweifelhaft, daß die Übertragung der Verwertungsfunktion gegen eine Lizenzzahlung allein vom Patentinhaber vorgenommen werden könne. Da auch nach der Begründung des angefochtenen Urteils sowohl eine beschränkte als auch eine unbeschränkte Übertragung der Rechte möglich sei, sei es nicht richtig, wenn das FG in seiner Begründung fortfahre, die Ermäßigung der Einkommensteuer hänge davon ab, daß der Patentinhaber auf die Ausübung sämtlicher Rechte aus dem Patent verzichtet habe.
Zweck der ErfVO sei es, die Wirtschaft des Bundes, insbesondere den Export zu fördern. Diese Zwecke erfülle der von ihm mit der L-GmbH geschlossene Vertriebslizenzvertrag. Daß nur die Vergabe von Fertigungslizenzen diesem Zweck entspräche, sei an keiner Stelle der ErfVO authentisch gesagt worden. Es habe auch keine volkswirtschaftlich begründete Zielsetzung dahin bestanden, den im eigenen Betrieb produzierenden Erfinder hinsichtlich der Auswertung der Erfindung nicht ebenso zu begünstigen wie den Erfinder ohne eigenen Betrieb.
Schließlich werde Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO beantragt bis zur Entscheidung des BVerfG über den Vorlagebeschluß des FG Münster vom 23. Juni 1965 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1965 S. 587).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Wie das BVerfG im Beschluß 2 BvL 15/65 vom 30. Januar 1968 (BStBl II 1968, 296) ausgesprochen hat, verstößt die der ErfVO vom 30. Mai 1951 zugrunde liegende Ermächtigung in Art. II Nr. 2 Buchst. e des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 29. April 1950 (BGBl I 1950, 95) gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Die ErfVO ist deshalb ungültig. An ihrer Stelle war auch nicht, wie das FG zu Recht ausgeführt hat, der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 11. September 1944 (a. a. O.) betreffend einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder anzuwenden, da er kein Milderungserlaß im Sinne von § 13 AO a. F. war. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des IV. Senats des BFH im Urteil IV R 110/68 vom 5. Dezember 1968 (BFH 94, 246, BStBl II 1969, 136) an. Damit erledigt sich zugleich der Antrag des Steuerpflichtigen auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO.
2. Was die Anwendbarkeit der Regelung der ErfVO vom 30. Mai 1951 bis zur Neuregelung der steuerlichen Vergünstigung für Erfinder betrifft (vgl. die gleichlautenden Ländererlasse vom 30. April 1968, BStBl I 1968, 719), so erfordert auch sie grundsätzlich das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen in jedem einzelnen Anwendungsfalle. Der Senat tritt jedoch der Auffassung des FG bei, daß die Gewährung der Vergünstigung - ob vorläufig oder endgültig - im Streitfall an der Verwertung der Erfindung im eigenen gewerblichen Betrieb des Erfinders scheitert. Wie das BFH-Urteil IV 98/58 U vom 14. Januar 1960 (BFH 70, 504, BStBl III 1960, 189) erkennen läßt, genügt für die Annahme einer Verwertung der Erfindung im eigenen gewerblichen Betrieb die Herstellung oder Bearbeitung von Wirtschaftsgütern nach einer durch ein Patent geschützten Erfindung im eigenen Betrieb des Erfinders. Wie auch Abschn. 149 Abs. 4 EStR deutlich macht, kommt es für die Verwertung im eigenen gewerblichen Betrieb allein auf die Herstellung, nicht auch auf den Vertrieb der unter Ausnutzung der Erfindung hergestellten Wirtschaftsgüter an, wenngleich dieser in der Regel mit der Herstellung verbunden ist (wie selbst im Falle der Überlassung des Patents an eine vom Erfinder gegründete GmbH, die ihrerseits den Erfinder mit der Herstellung des patentierten Wirtschaftsguts in seinen Gewerbebetrieb beauftragt).
Wie der Steuerpflichtige selbst ausführt, ist die ihm fremde L-GmbH allein für den Vertrieb der von ihm im eigenen gewerblichen Betrieb hergestellten Maschinen zuständig, wenngleich andererseits deren Absatzmöglichkeiten wiederum für die Auftragserteilung an den Betrieb des Steuerpflichtigen bestimmend sind. Für die Einräumung des Alleinvertriebsrechts zahlt die L-GmbH dem Steuerpflichtigen ein Entgelt, das er als Alleinvertriebslizenz bezeichnet. Damit ist jedoch die Tatsache der Verwertung der Erfindung im eigenen gewerblichen Betrieb durch die Herstellung der Maschinen unter Ausnutzung des Patents nicht ausgeschlossen; sie ist vielmehr geradezu Voraussetzung für die Einräumung des Alleinvertriebsrechts an die GmbH. Auch wenn das von der GmbH gezahlte Entgelt als Lizenz bezeichnet wird, so ist es deshalb noch kein Entgelt für die Überlassung des Patents zur eigenen Verwertung. Zwar können die Verwertung im eigenen gewerblichen Betrieb (z. B. für einen bestimmten geographischen Bereich) und die Überlassung des Patents zur Verwertung durch einen Dritten in dessen Betrieb (z. B. für einen anderen geographischen Bereich) nebeneinander stehen, so daß die Vergünstigung für die aus der Überlassung gezogenen Lizenzzahlungen gegeben ist. Es können aber nicht die gleichen Grundsätze auf Fälle der Aufspaltung des Begriffs der Verwertung in den Herstellungs- und in den Vertriebsbereich - wie im vorliegenden Falle - übertragen werden. Zu Unrecht beruft sich der Steuerpflichtige auf die Begründung zur ErfVO vom 30. Mai 1951. Entgegen der Auffassung des Steuerpflichtigen führt diese aus, daß jedes aufgrund der Erfindung hergestellte Wirtschaftsgut zugleich Gewinn aus der Verwertung der zu begünstigenden Erfindung und normalen Produktionsgewinn enthalte. Das richtige Verhältnis könne weder aufgrund der Kalkulationsunterlagen noch durch Vergleich mit den Lizenzgebühren bei einer Überlassung gleichartiger Erfindungen zur Verwertung im Betrieb eines Dritten mit einiger Sicherheit festgestellt werden. Deshalb habe eine Regelung ähnlich der in § 4 Nr. 3 ErfVO für die nicht im eigenen gewerblichen Betrieb verwerteten Erfindungen getroffen, für die im eigenen Betrieb verwerteten Erfindungen nicht getroffen werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 68874 |
BStBl II 1970, 187 |
BFHE 1970, 369 |