Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der als Betriebsausgaben abziehbaren Schuldzinsen bei gemischtem Kontokorrentkonto eines Überschußrechners
Leitsatz (NV)
Bei der Ermittlung der als Betriebsausgaben abziehbaren Schuldzinsen, die auf einem gemischten Kontokorrentkonto anfallen, ist auch bei einem Überschußrechner grds. davon auszugehen, daß Habenbuchungen, insbesondere eingehende Betriebseinnahmen, vorrangig auf einem privaten Unterkonto des Kontokorrentkontos verrechnet werden können.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3-4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erzielte in den Streitjahren (1981 und 1982) Einkünfte aus freiberuflicher Arbeit als . . . Die Einkünfte wurden durch Überschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Die Klägerin unterhielt ein Kontokorrentkonto bei einem Kreditinstitut, über das sowohl Betriebseinnahmen als auch Betriebsausgaben und Privatentnahmen gebucht wurden. Das Kontokorrentkonto wies in den Streitjahren für die Klägerin stets negative Salden aus. Dementsprechend wurde die Klägerin im Streitjahr 1981 mit Schuldzinsen in Höhe von . . . DM, im Streitjahr 1982 mit Schuldzinsen in Höhe von . . . DM belastet. Diese Zinsen zog die Klägerin als Betriebsausgaben ab.
Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklage (das Finanzamt - FA -) nach einer Betriebsprüfung nicht. Entsprechend den Feststellungen des Prüfers ließ das FA Schuldzinsen in Höhe von . . . DM in 1981 und in Höhe von . . . DM in 1982 nicht zum Betriebsausgabenabzug zu, da es sich insoweit um Privatentnahmen handele. Den nicht abziehbaren Teil der Schuldzinsen ermittelten der Prüfer und das FA in der Weise, daß die Schuldzinsen entsprechend dem Verhältnis der Summe aller Auszahlungen über das Kontokorrentkonto zur Summe der nichtbetrieblich veranlaßten Auszahlungen aufgeteilt wurden. Die bis dahin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) stehenden Einkommensteuerbescheide 1981 und 1982 wurden durch Bescheid vom 7. Februar 1986 entsprechend geändert. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit der vom Finanzgericht (FG) gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 4 Abs. 1, 3 und 4 i. V. m. § 5 EStG sowie des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß eine Aufteilung der Zinsen in betrieblich und privat veranlaßte Zinsen geboten war und daß nur die betrieblich veranlaßten Zinsen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abgezogen werden können. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat inzwischen entschieden, daß eine solche Aufteilung stets geboten ist, wenn ein Negativsaldo auf einem Kontokorrentkonto sowohl durch betrieblich als auch durch privat veranlaßte Auszahlungen entsteht (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817). Die zivilrechtlich einheitliche Kontokorrentschuld muß dann für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlungen in eine Betriebs- und in eine Privatschuld aufgeteilt werden. Die Kontokorrentzinsen sind Betriebsausgaben, soweit sie anteilig auf den betrieblich veranlaßten Teil der Kontokorrentschuld entfallen. Der betrieblich und der privat veranlaßte Teil der Schuldzinsen sind grundsätzlich durch eine Zinszahlenstaffelrechnung zu ermitteln. Dies gilt sowohl bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG als auch bei der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG.
2. Nicht gefolgt werden kann der Vorinstanz hingegen bei der Ermittlung des nichtabziehbaren Teils der Kontokorrentzinsen. Wie sich auch aus dem Beschluß des Großen Senats, auf den insoweit verwiesen wird, ergibt, führen Habenbuchungen, insbesondere also auch eingehende Betriebseinnahmen, grundsätzlich zu einer anteiligen Tilgung der negativen Salden auf dem betrieblichen wie auf dem privaten Unterkonto. Darüber hinaus kann der Steuerpflichtige nach dem Rechtsgedanken des § 366 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch abweichende Verbuchung in seiner Buchführung oder seinen Aufzeichnungen bestimmen, daß vorrangig der Schuldsaldo auf dem privaten Unterkonto getilgt wird. Demgegenüber hat das FG aufgrund abweichender rechtlicher Erwägungen die Ermittlung des betrieblich veranlaßten Schuldzinsenanteils nach Maßgabe getrennter Unterkonten in den Aufzeichnungen der Steuerpflichtigen abgelehnt und den abziehbaren Betrag geschätzt. Das Urteil des FG mußte deshalb aufgehoben werden, da nicht auszuschließen ist, daß die Ermittlung der abziehbaren Schuldzinsen nach der Zinszahlenstaffelmethode zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis führt.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird bei seiner erneuten Verhandlung festzustellen haben, in welchem Umfang außerbetrieblich veranlaßte Schuldzinsen angefallen sind, wenn man von einer vorrangigen Verrechnung der eingehenden Betriebseinnahmen und sonstiger Gutschriften auf einem privaten Unterkonto ausgeht. Dazu wird das FG der Klägerin Gelegenheit geben müssen, noch nachträglich eine den Grundsätzen des Beschlusses in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, entsprechende Zinszahlenstaffelrechnung mit getrennten Unterkonten vorzulegen. Wird allerdings eine Zinszahlenstaffelrechnung dieser Art nicht vorgelegt und sind bei einem umfangreichen Zahlungsverkehr über das Kontokorrentkonto mit zahlreichen sowohl betrieblich wie privat veranlaßten Sollbuchungen Aufzeichnungen der Steuerpflichtigen nicht so beschaffen, daß eine zu zutreffenden Ergebnissen führende Zinszahlenstaffelrechnung vom FG noch nachträglich ohne zumutbaren Zeit- und Arbeitsaufwand erstellt werden kann, so ist der betrieblich veranlaßte Teil der Schuldzinsen unter Beachtung der Rechtsgrundsätze des Beschlusses in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 durch Schätzung nach § 162 AO 1977 zu ermitteln.
Fundstellen
Haufe-Index 417637 |
BFH/NV 1991, 809 |