Leitsatz (amtlich)
Nicht der Todestag, sondern der Stichtag 30. Juni (§ 32 Abs. 2 BewG 1934 in Verbindung mit § 47 Abs. 3 BewG 1934) entscheidet darüber, was Normalbestand und was Überbestand an Weinvorräten ist.
Normenkette
ErbStG a.F. § 21; ErbStG n.F. § 22; ErbStG a.F. § 22 Abs. 2; ErbStG n.F. § 23 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger hat als Alleinerbe der im Juli 1952 verstorbenen Erblasserin u. a. einen Qualitätsweinbetrieb geerbt.
Streitig ist im wesentlichen, ob die 1950er Flaschenweine im Einheitswert erfaßt sind oder als Überbestände zur Erbschaftsteuer heranzuziehen sind.
Der Kläger ist der Ansicht, daß auf Grund einer Zusage des FA die 1950er Flaschenweine so zu behandeln seien, als seien sie in einem endgültigen Steuerbescheid als Normalbestände des Weingutes im Einheitswert erfaßt worden. Werde eine bindende Zusage des FA nicht anerkannt, so sei dazu Stellung zu nehmen, ob die 1950er Flaschenweine in einem Qualitätsweinbaubetrieb sich noch im Ausbau befanden und daher gemäß § 24 Satz 1 BewDV vom 2. Februar 1935 (RGBl I 1935, 81, RStBl 1935, 189) zum Normalbestand rechneten. Der Kläger vertritt die Ansicht, daß die 1950er Flaschenweine auch noch am Todestag der Erblasserin sich im Ausbau befunden hätten.
Er beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG vom 25. März 1960 und unter Aufhebung des endgültigen Erbschaftsteuerbescheids vom 9. November 1957 den vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid vom 23. Mai 1956 - der die 1950er Flaschenweine nicht besonders erfaßt hatte - mit Ausnahme der Frage des Fortführungsbedarfs als endgültigen Steuerbescheid anzuerkennen.
Hilfsweise beantragt er, den im endgültigen Erbschaftsteuerbescheid vom 9. November 1957 angesetzten Nachlaßwert um 270 095,60 DM (Wert der 1950er Flaschenweine) zu mindern.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Auf die Revision des Klägers ist das Urteil des FG aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen. Der Bestand an 1950er Flaschenweinen ist durch den Einheitswert erfaßt.
1. Der Senat hat in der Entscheidung II 98/62 vom 27. März 1968 (BFH 91, 434, BStBl II 1968, 376) einen Steuerbescheid gegen einen Erben, der nicht selbst die nachgeforderte Erbschaftsteuer persönlich schuldete, sondern dessen Geschwister die Erbschaftsteuer schuldeten, für nicht rechtswirksam gehalten, da die Vorschriften des § 15 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ErbStDV vom 1. Juli 1952 (BStBl I, 536) nichtig sind. Diese Entscheidung findet auf den Streitfall insoweit keine Anwendung, als es um die Erbschaftsteuer des Klägers als Alleinerben geht. Für die in dem endgültigen Steuerbescheid vom 9. November 1957 weiter angeforderte Erbschaftsteuer, die auf die Vermächtnisnehmer entfällt, kann der Kläger auf Grund dieses Bescheides nicht in Anspruch genommen werden, wie in der Entscheidung II 98/62 näher ausgeführt ist.
2. Dem FG ist darin beizutreten, daß trotz der mehrfach ergangenen vorläufigen Bescheide (vorläufige Bescheide vom 7. September 1953, 20. August 1954, 19. Oktober 1954, 31. Mai 1955) der Kläger keinen Anspruch darauf hatte, daß der weitere vorläufige Bescheid vom 23. Mai 1956 - der die 1950er Flaschenweine als Überbestände nicht erfaßte - als endgültiger Bescheid hätte ergehen müssen.
Der Kläger ist zunächst dadurch nicht beschwert, daß das FA auf den Einspruch gegen den vorläufigen Bescheid vom 23. Mai 1956 nicht entschieden hat, und statt dessen den endgültigen Bescheid vom 9. November 1957 erlassen hat.
Wie das FG zu Recht ausführt, hätte das FA auch im Einspruchsverfahren gegen den vorläufigen Bescheid vom 23. Mai 1956 neue Ermittlungen anstellen können, die das Ergebnis gehabt hätten, das dem endgültigen Steuerbescheid auf Grund der Betriebsprüfung vom November 1956 zugrunde liegt. Das FG konnte ohne Rechts- und Verfahrensverstoß die Zusage dahin einschränken, daß das FA die in Aussicht gestellte Vermögensaufstellung auf den Todestag - statt bisher auf den 30. Juni 1952 - nicht ohne Prüfung zu übernehmen hatte. Die Abweichungen von der ersten Vermögensaufstellung auf den Stichtag 30. Juni 1952 gaben dem FA das Recht, zunächst den vorläufigen Bescheid vom 23. Mai 1956 zu erlassen und weitere Ermittlungen anzustellen, deren Ergebnis dazu berechtigte, den endgültigen Bescheid vom 9. November 1957 zu erlassen.
Soweit die Zusage dahin ging, den Flaschenweinbestand an 1950er Weinen als im Einheitswert erfaßt zum Normalbestand und nicht zum Überbestand zu rechnen, ist diese Zusage nicht bindend. Es kann hierbei dahingestellt bleiben, ob es sich um eine wirkliche Zusage oder nur um eine falsche Rechtsauskunft des FA gehandelt hat. Das FG will eine Bindung schon deshalb nicht anerkennen, weil sie nach Verwirklichung des Steuertatbestandes gegeben sei. Es kann hier dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen eine nach Verwirklichung des Steuertatbestandes gegebene Zusage das FA bindet.
Der eigene Vortrag des Klägers ist nicht geeignet, daraus die Rechtsfolge einer Bindung des FA herzuleiten. Der Kläger hat vorgetragen, daß er nach der Zusage das zur Bezahlung des streitigen Betrages erforderliche Geld im Betrieb investiert habe. Eine Zusage, die, wie im Streitfall, nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, kann gegebenenfalls Rechtswirkungen dahin erzeugen, daß ein im unmittelbar ursächlichen Zusammenhang mit der Zusage entstandener Schaden im Wege der Ermäßigung der Steuer oder auf andere Weise ausgeglichen wird. Im Streitfall ist nach dem Vorbringen des Klägers davon auszugehen, daß die durch die Zusage zunächst freigewordenen Mittel im Betrieb ertragbringend angelegt sind. Eine derartige Vermögensdisposition berechtigt nicht dazu, den Vorteil einer Minderung der Steuerlast in Anspruch zu nehmen. Inwieweit eine Steuerstundung oder Ratenzahlung auf Grund der Zusage angebracht war, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
3. Der Wein des Jahrgangs 1950 gehört gemäß § 22 Abs. 2 a. F. = § 23 Abs. 2 ErbStG n. F., § 29 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 a. F., § 32 Abs. 2 a. F., § 47 Abs. 2 und 3 BewG a. F. in den Fällen zum Normalbestand, in denen der Erblasser im Jahre 1952 gestorben ist.
a) Für die Wertermittlung ist zwar, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld, im gegebenen Falle also der Zeitpunkt des Todes der Erblasserin (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), maßgebend (§ 21 a. F. = § 22 ErbStG n. F.). Etwas anderes ist aber in § 22 Abs. 2 a. F. = § 22 Abs. 2 ErbStG n. F. für landwirtschaftliches Vermögen vorgeschrieben. Dazu gehört gemäß § 28 Nr. 3 BewG a. F. auch das Weinbauvermögen. Ersichtlich stellt nämlich § 22 a. F. = § 23 ErbStG n. F. nicht auf das landwirtschaftliche Vermögen im Sinne des § 28 Nr. 1 BewG a. F. und das forstwirtschaftliche Vermögen im Sinne des § 28 Nr. 2 BewG a. F., sondern auf das land- und forstwirtschaftliche Vermögen im Sinne des § 19 Nr. 1 BewG a. F. - also einschließlich des Weinbauvermögens im Sinne des § 47 BewG a. F. - ab.
b) Zum weinwirtschaftlichen Vermögen gehören auch die umlaufenden Betriebsmittel (§ 47 Abs. 2 a. F., § 29 Abs. 1 BewG a. F.), soweit sie nicht ausdrücklich von der Einbeziehung in den Einheitswert ausgenommen sind. Umlaufende Betriebsmittel sind, wie § 47 Abs. 3 BewG a. F. beweist, auch die selbsterzeugten Weinvorräte.
c) Nicht zum weinwirtschaftlichen Betrieb gehört der Überbestand an umlaufenden Betriebsmitteln (§ 47 Abs. 2 a. F., § 29 Abs. 2 Nr. 3 BewG a. F.); er wird also vom Einheitswert nicht erfaßt. Der Überbestand ist in § 47 Abs. 2 a. F., § 29 Abs. 2 Nr. 3 a. F., Satz 1 BewG definiert als der über den normalen Bestand hinausgehende Bestand. Überbestand ist nur das, was nicht Normalbestand ist. Zum Normalbestand gehören aber zufolge der Vorschrift des § 47 Abs. 3 BewG a. F. die Weinvorräte, die aus der letzten Ernte stammen.
4. Der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld (hier der Todestag, § 14 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) scheidet als Stichtag dafür aus, was zum Normalbestand und was zum Überbestand an Weinvorräten zu rechnen ist, da für diese Beurteilung gemäß § 21 ErbStG a. F., § 22 ErbStG n. F. die in § 22 Abs. 2 ErbStG a. F. (§ 23 Abs. 2 ErbStG n. F.) für anwendbar erklärten Vorschriften des BewG eingreifen.
Für das weinwirtschaftliche Vermögen ist gemäß § 22 Abs. 2 a. F. = § 23 Abs. 2 ErbStG n. F. der Einheitswert maßgebend, der auf den Zeitpunkt festgestellt ist, der der Entstehung der Steuerschuld vorangegangen ist oder mit ihr zusammenfällt. Unbeschadet des Abs. 4 (hierzu s. unten Nr. 7) ergibt sich also aus diesem Zeitpunkt, was zum weinwirtschaftlichen Vermögen gehört. Was Inhalt des weinwirtschaftlichen Vermögens ist, kann indessen nicht als Überbestand gesondert herangezogen werden (oben 3).
Für den Umfang des weinwirtschaftlichen Vermögens ist gemäß § 47 Abs. 2 a. F., § 32 Abs. 2 BewG a. F. hinsichtlich der umlaufenden Betriebsmittel der Stand am 30. Juni des Jahres maßgebend, der dem Feststellungszeitpunkt vorangeht. Daraus folgt: Zum normalen Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln gehören gemäß § 47 Abs. 3 a. F., § 32 Abs. 2 BewG a. F. die Weinvorräte, die am 30. Juni des dem Feststellungszeitpunkt vorangehenden Jahres aus der letzten Ernte stammen.
5. Die Erblasserin ist am 24. Juli 1952 gestorben. Unterstellt, zum 1. Januar 1952 wäre ein Einheitswert festgestellt worden, so wären in diesem also die Weine des Jahrgangs 1950 - als aus der dem 30. Juni 1951 vorangehenden Ernte stammend - enthalten. Sie könnten folglich - ohne Rücksicht auf ihren Ausbau (vgl. § 24 BewDV) und ohne Rücksicht auf ihre Abfüllung (jetzt aber § 56 BewG n. F.; vgl. indessen auch § 35 Abs. 2 BewG n. F.) - nicht zum Überbestand zählen.
6. Daß der Einheitswert auf einen früheren Zeitpunkt als den 1. Januar 1952 festgestellt wurde, ändert daran nichts. Denn der Einheitswert des weinwirtschaftlichen Vermögens umfaßt (zumindest) bei umlaufenden Betriebsmitteln nicht die konkrete Substanz des Feststellungszeitpunkts, sondern alle Elemente der jeweiligen Substanz, welche in die Klasse der in den Einheitswert einzubeziehenden umlaufenden Betriebsmittel gehören. Daher wäre das Ergebnis auch dann kein anderes, wenn im konkreten Falle § 22 Abs. 2 oder 3 a. F. = § 23 Abs. 2 oder 3 ErbStG n. F. anzuwenden wäre.
Die Vorräte an Weinen des Jahrgangs 1950 sind also im Einheitswert erfaßt und können nicht als Überbestand bewertet werden.
7. Ein anderes Ergebnis läßt sich nicht aus § 22 Abs. 4 ErbStG a. F. (§ 23 Abs. 4 ErbStG n. F.) herleiten. Satz 1 erklärt zwar für einen erst zu ermittelnden Einheitswert oder für den Fall einer Wertfortschreibung den Wert im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld als maßgebend. Abgesehen davon, daß die in Satz 1 aufgestellten Voraussetzungen (fehlender Einheitswert, mögliche Wertfortschreibung) im Streitfall nicht festgestellt sind, bleibt fraglich, ob nicht auch in den in Satz 1 vorgesehenen Fällen für den Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln der 30. Juni (§ 32 Abs. 2 BewG a. F.) und nicht der Todestag entscheidend bleibt. Der Wert im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld (Satz 1) ist für die Ermittlung des Einheitswerts nach dem folgenden Satz 2 nach den Grundsätzen des Zweiten Teiles des Bewertungsgesetzes und der dazu ergangenen Vorschriften besonders festzustellen (Stichtagbewertung). Der erläuternde Klammersatz "Stichtagbewertung" könnte dafür sprechen, daß der Stichtag 30. Juni (§ 32 Abs. 2 BewG a. F.) auch in diesen Fällen gilt. Danach läßt sich jedenfalls der Wortlaut des Abs. 4 nicht ausdehnend dahin auslegen, daß in den Fällen des Abs. 2 der Todestag als Stichtag dafür maßgebend ist, was Normal- und was Überbestand ist.
Nach den Anträgen des Klägers sind nicht alle Streitpunkte erledigt. Zu den weiteren Streitpunkten fehlen Feststellungen des FG. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, das hierüber noch zu entscheiden hat.
Fundstellen
Haufe-Index 69152 |
BStBl II 1970, 811 |
BFHE 1971, 106 |