Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu Inhalt und Wirkung der Ursprungsbescheinigung nach § 8 BerlinFG

 

Leitsatz (NV)

1. Der Berliner Unternehmer ist zum wesentlichen Teil i.S. des § 1 Abs. 6 Nrn.1 und 2 BerlinFG 1982/1987 in Berlin (West) tätig geworden, wenn dort die entscheidenden Erfolgsbedingungen gesetzt werden. Maßgebend ist, ob dort die für den Einzelfall typische Haupttätigkeit entfaltet wird. Auf den zeitlichen Umfang, in dem er sich in Berlin (West) aufgehalten hat, kommt es nicht entscheidend an.

2. Bei der vom Berliner Unternehmer beizubringenden Ursprungsbescheinigung gemäß § 8 BerlinFG 1982/1987 handelt es sich um einen Belegnachweis für die Inanspruchnahme der Kürzung von Umsatzsteuer nach dem BerlinFG. Zu ihrer Erlangung bedarf es nicht des Buchnachweises gemäß § 1 Abs. 9, § 10 BerlinFG.

 

Normenkette

BerlinFG 1982/1987 § 1 Abs. 6 Nr. 1; BerlinFG 1982/1987 § 1 Abs. 6 Nr. 2; BerlinFG 1982/1987 § 1 Abs. 9; BerlinFG 1982/1987 § 8 Abs. 1 S. 1; BerlinFG 1982/1987 § 8 Abs. 2; BerlinFG 1982/1987 § 10

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Diplom-Ingenieur mit Wohnsitz im ehemaligen Westteil von Berlin und befaßt sich mit den Problemen der sog. . . .technik. Ab 1982 ist er für die X-GmbH zunächst im Rahmen eines Werkvertrages, ab 1985 aufgrund eines sog. Zusammenarbeitsvertrages - zuletzt an durchschnittlich 10,5 Tagen monatlich - am Sitz der GmbH im Land Z tätig gewesen.

Zum Zwecke des Nachweises, daß er ausschließlich oder zum wesentlichen Teil in Berlin (West) tätig geworden ist, beantragte der Kläger bei der Beklagten und Revisionsbeklagten - Beklagten - (seinerzeit der Senator für Wirtschaft, Berlin, nunmehr die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Berlin) die Erteilung von Ursprungsbescheinigungen gemäß § 8 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Berliner Wirtschaft (BerlinFG) 1982/1987 für Leistungen nach § 1 Abs. 6 Nr.1 (technische und wirtschaftliche Beratung und Planung für Anlagen außerhalb von Berlin-West) und Nr.2 (Überlassung von gewerblichen Verfahren, Erfahrungen und Datenverarbeitungsprogrammen) BerlinFG 1982/1987. Die Beklagte lehnte die Erteilung dieser Bescheinigungen mit Bescheid vom 17. Mai 1989 ab, u.a. deshalb, weil der Kläger nach den von ihm vorgelegten Unterlagen in nicht unerheblichem Umfang außerhalb von Berlin (West) tätig gewesen sei.

Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, im Hinblick auf die vertraglichen Abmachungen mit der GmbH und seiner tatsächlich überwiegenden Anwesenheit am Sitz der Firma im Land Z bzw. am Ort der projektierten Anlagen sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß der Kläger entgegen den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 Nr.1 BerlinFG 1982/1987 auch Planungs- und Beratungsleistungen außerhalb von Berlin (West) erbracht und sich nicht nur auf eine Überwachung von in Berlin (West) geplanten Anlagen beschränkt habe. Das Gegenteil sei jedenfalls nicht nachgewiesen worden.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung von § 1 Abs. 6 Nr.1, Abs. 6 i.V.m. § 10 BerlinFG 1982/1987.

Er beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und des Bescheids der Beklagten vom 17. Mai 1989 die Beklagte zu verpflichten, ihn für die Tätigkeiten im Auftrage der X-GmbH in 1983 bis 1987 Ursprungsbescheinigungen nach § 8 BerlinFG 1982/1987 zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BerlinFG 1982/1987 ist der Nachweis, daß ein Gegenstand in Berlin (West) hergestellt oder eine Werkleistung in Berlin (West) ausgeführt worden ist, durch eine Ursprungsbescheinigung zu führen, die der Senator für Wirtschaft, Berlin (nunmehr Senatsverwaltung für Wirtschaft, Berlin) auf Antrag des Berliner Unternehmers ausstellt. Der Antrag ist unter Vorlage der Rechnungen und Lieferscheine zu stellen und mit der Versicherung zu versehen, daß die Voraussetzungen der Herstellung in Berlin (West) erfüllt sind. Die Senatsverwaltung ist gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 BerlinFG 1982/1987 ermächtigt, von den beteiligten Unternehmen Angaben und Unterlagen zur Ermittlung des Tatbestandes sowie über die Höhe der Berliner Wertschöpfung zu verlangen. Für die sonstigen Leistungen i.S. des § 1 Abs. 6 BerlinFG 1982/1987 - also auch im Streitfall für Leistungen i.S. des § 1 Abs. 6 Nrn.1 und 2 BerlinFG 1982/1987 - gilt § 8 Abs. 1 BerlinFG 1982/1987 entsprechend (vgl. § 8 Abs. 2 BerlinFG 1982/1987). Die entsprechende Anwendung im Falle des § 1 Abs. 6 Nrn.1 und 2 BerlinFG 1982/1987 bedeutet: Durch die Ursprungsbescheinigung ist der Nachweis zu führen, daß der Berliner Unternehmer für die nach § 1 Abs. 6 Nr.1 BerlinFG 1982/1987 förderungswürdigen technischen und wirtschaftlichen Beratungsleistungen ausschließlich oder zum wesentlichen Teil in Berlin (West) tätig geworden ist bzw. daß die nach § 1 Abs. 6 Nr.2 BerlinFG 1982/1987 förderungswürdige Überlassung von gewerblichen Verfahren, Erfahrungen und Datenverarbeitungsprogrammen ausschließlich oder zum wesentlichen Teil in Berlin (West) entwickelt oder gewonnen worden sind. Nur zur Ermittlung dieser Tatbestände kann die Senatsverwaltung für Wirtschaft Unterlagen verlangen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Januar 1989 V R 176/83, BFHE 156, 286, BStBl II 1989, 308).

2. Im Streitfall hat der Kläger diverse Unterlagen (Verträge, Rechnungen, Tätigkeitsbestätigungen usw.) vorgelegt. Das FG ist unter Würdigung dieser Unterlagen zu der Überzeugung gelangt, daß die Tätigkeitsvoraussetzungen des § 1 Abs. 6 Nrn.1 und 2 BerlinFG 1982/1987 nicht erfüllt seien. Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (§ 118 Abs. 2 FGO).

a) Ob jemand eine Tätigkeit in Berlin (West) ausübt oder dort Leistungen erbringt oder nicht, ist nach den gesamten Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei ist die Beurteilung der Umstände eine Tatsachenwürdigung, die gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO dem FG obliegt und an die der BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, soweit keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben wurden (vgl. BFH-Urteil vom 3. August 1977 I R 210/75, BFHE 123, 441, BStBl II 1978, 118). Da der Kläger keine entsprechenden Rügen erhoben hat, kann der erkennende Senat die Würdigung des FG nur auf Rechtsfehler bzw. auf Verstöße gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze hin überprüfen.

b) Das FG hat den Berliner Ursprung der Tätigkeiten nach § 1 Abs. 6 Nr.1 BerlinFG 1982/1987 für den Streitfall nach Prüfung der Unterlagen u.a. mit der Begründung verneint, daß der Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Planungs- und Beratungsleistungen außerhalb von Berlin (West) erbracht und sich nicht nur auf eine Überwachung von in Berlin (West) geplanten Anlagen beschränkt habe. Diese Würdigung läßt weder einen Rechtsfehler noch Verstöße gegen Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze erkennen.

Der Berliner Unternehmer ist zum wesentlichen Teil i.S. des § 1 Abs. 6 Nr.1 BerlinFG 1982/1987 in Berlin (West) tätig geworden, wenn dort die entscheidenden Erfolgsbedingungen gesetzt werden (vgl. Mößlang in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Anh.I, § 1 BerlinFG Rdnr.30). Maßgebend ist, ob dort die für den Einzelfall typische Haupttätigkeit entfaltet wird (vgl. auch Tz.21 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 9. April 1985 IV A 2 - S 7480 - 4/85, BStBl I 1985, 146). Insofern spielt das Zeitmoment zwar keine oder nur eine untergeordnete Rolle (s. Mößlang, a.a.O., unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 26. November 1953 V 138/53 U, BFHE 58, 397, BStBl III 1954, 63). Die Zeiten, in denen der Kläger sich außerhalb von Berlin (West) aufhielt, um die Ausführungen der in Berlin (West) entwickelten Projekte zu überwachen, brauchen also als solche nicht schädlich zu sein. Darauf stellt das FG jedoch auch nicht entscheidend ab. Es ist vielmehr aufgrund der Inhalte der vom Kläger zu erbringenden und erbrachten Leistungen zu der Überzeugung gelangt, der Kläger habe in den Kernbereich der Planungs- und Betreuungstätigkeit fallende Tätigkeiten außerhalb von Berlin (West) erbracht. Diese Überzeugung war - folgerichtig - auch entscheidend dafür, die entsprechenden Voraussetzungen i.S. des § 1 Abs. 6 Nr.2 BerlinFG 1982/1987 zu verneinen. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Mit seinen Erwägungen, die für die fraglichen Projekte maßgeblichen Tätigkeiten seien in Berlin (West) durchgeführt worden, setzt der Kläger im Ergebnis lediglich seine Würdigung an die Stelle derjenigen des FG, die aber möglich ist.

c) Ob das FG bei Beibringung weiterer Nachweise zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, kann angesichts dessen dahinstehen. Der Kläger hält derartige Nachweise nach den gesetzlichen Anforderungen für nicht erforderlich. Er hat solche Nachweise auch nicht beigebracht. Diese Umstände können jedoch nicht dazu führen, die tatrichterliche Würdigung des FG in Frage zu stellen. Auch wenn die beigebrachten Unterlagen, wie der Kläger meint, als Nachweis für den Antrag gemäß § 8 BerlinFG 1982/1987 genügen sollten, würde doch gerade dies nichts daran ändern, daß das FG die Voraussetzungen für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 Nrn.1 und 2 BerlinFG 1982/1987 als nicht erfüllt angesehen hat. Genügen die Nachweise andererseits nicht, bliebe es nach dem festgestellten Sachverhalt auch dann dabei, daß die Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 Nrn.1 und 2 BerlinFG 1982/1987 nicht erfüllt wären. Denn der Kläger ist etwaigen strengeren Nachweiserfordernissen - aus welchen Gründen auch immer - nicht nachgekommen und beabsichtigt auch nicht, dies zu tun.

Im übrigen ist es für das Verfahren zur Erlangung der Ursprungsbescheinigung nicht von Bedeutung, ob der Kläger den nach § 1 Abs. 9 i.V.m. § 10 BerlinFG 1982/1987 erforderlichen Buchnachweisen für die Inanspruchnahme des Umsatzsteuerkürzungsanspruchs gerecht geworden ist. Diese Erfordernisse bestehen, wie dem Wortlaut des § 1 Abs. 9 BerlinFG 1982/1987 klar zu entnehmen ist, nur im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung dem FA gegenüber, nicht aber gegenüber der hier beklagten Senatsverwaltung für Wirtschaft. Die Ursprungsbescheinigung nach § 8 BerlinFG 1982/1987 stellt vielmehr ihrerseits einen Belegnachweis für die Kürzung dar (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Dezember 1990 V B 70/89, BFH/NV 1991, 657; Klezath in Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, 10. Aufl., § 8 BerlinFG Rdnr.389; vgl. auch § 10 Abs. 2 Nr.1 Buchst. b BerlinFG 1982/ 1987). Soweit das FG dies in der Vorentscheidung anders gesehen haben sollte, wäre dies unrichtig. Auf die Entscheidung bleibt dies aber ohne Einfluß, da die entsprechenden Erwägungen durch das FG lediglich hilfsweise und damit in nicht erheblicher Weise angestellt worden sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419161

BFH/NV 1993, 755

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