Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitrittsgebiet: von VEB bis zum 30. Juni 1990 erwirtschaftete Verluste nicht ausgleichsfähig - Bindung des BFH an Feststellungen des FG zur Umwandlung eines VEB in eine Kapitalgesellschaft - keine Gewerbesteuerpflicht oder Körperschaftsteuerpflicht eines VEB - Umwandlungsverordnung der ehemaligen DDR nicht revisibel
Leitsatz (amtlich)
1. Stellt das FG fest, daß ein VEB bis einschließlich 30. Juni 1990 nicht aufgrund der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften (UmwV) vom 1. März 1990 umgewandelt worden ist, so ist der BFH an diese Feststellung grundsätzlich gebunden.
2. Die nicht nach der UmwV umgewandelten Betriebe wurden kraft Gesetzes zum 1. Juli 1990 in Kapitalgesellschaften umgewandelt.
3. Verluste, die ein VEB vor seiner Umwandlung erwirtschaftete, sind nicht ausgleichsfähig.
Orientierungssatz
1. Ein noch nicht umgewandelter VEB unterlag im 1. Halbjahr 1990 nicht der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, sondern einem eigenen nichtsteuerlichen Abführungssystem. Auf ihn sind auch nicht die Grundsätze zur steuerlichen Behandlung von Vorgesellschaften anwendbar, wonach die GmbH-Vorgesellschaft steuerlich als Kapitalgesellschaft behandelt wird, sofern sie später ins Handelsregister eingetragen wird. Die Umwandlung des VEB in eine Kapitalgesellschaft nach § 11 Abs.1 Treuhandgesetz ist eine übertragende und keine formwechselnde.
2. Die noch vom Ministerrat der DDR erlassene UmwV ist nicht Bundesrecht und daher kein revisibles Recht i.S. des § 118 Abs.1 FGO. Die UmwV wurde auch nicht im Zuge der Wiedervereinigung vom Bundesgesetzgeber übernommen. Eine Fortgeltung der UmwV kann weder aus dem Einigungsvertrag noch aus § 23 Treuhandgesetz abgeleitet werden.
Normenkette
FGO § 118 Abs. 1-2; GewStG DDR § 2; KöStG § 1; TreuhG § 11 Abs. 1, § 23; VoEigUmwV §§ 2, 4, 7
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. Sie führt die Geschäfte eines Volkseigenen Betriebes (VEB) fort.
Am 29. Juni 1990 erklärten der VEB und die Treuhandanstalt auf der Grundlage der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften (Umwandlungsverordnung --UmwV--) vom 1. März 1990 (Gesetzblatt der DDR --GBl DDR-- I 1990, 107) die Umwandlung des VEB in die Klägerin. Zur Durchführung der Umwandlung wurde mit Stichtag vom 1. Mai 1990 das Vermögen aus der Fondsinhaberschaft des Betriebes auf die Klägerin übertragen. Die Gesellschaftsanteile wurden zu 100 % von der Treuhandanstalt übernommen. Die Klägerin wurde auf Antrag vom 13. Juli 1990 am 17. Juli 1990 im Handelsregister eingetragen.
In ihrer Jahreserklärung für 1990 (Streitjahr) gab die Klägerin an, im ersten Halbjahr 1990 ca. 7 Mio Mark für Handelsfondsabgabe, Beitrag gesellschaftlicher Fonds, sonstige Abführungen, produktgebundene Abgaben (abzüglich einer negativen Nettogewinnabführung) gezahlt zu haben. Für das zweite Halbjahr 1990 erklärte sie einen Gewinn in Höhe von ca. 13 Mio DM. Am 15. Juli 1990 erging eine entsprechende Abrechnung zur Festsetzung der Steuerrate.
Am 11. August 1992 legte die Klägerin gegen die Selbstveranlagung Einspruch ein und beantragte, den Verlust des ersten Halbjahres 1990 in Höhe von ca. 2,4 Mio Mark mit dem Gewinn des zweiten Halbjahres zu verrechnen. Das lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (s. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1996, 77).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 76 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. §§ 4, 8, 11 UmwV, Art.25 des Einigungsvertrages (EinigVtr) i.V.m. §§ 11, 23 des Treuhandgesetzes vom 17. Juni 1990 (GBl DDR I 1990, 300), des § 6 des Körperschaftsteuergesetzes der DDR (KöStG) i.d.F. des Steueränderungsgesetzes und der Verordnung über die Zahlung von Steuern der in Kapitalgesellschaften umgewandelten ehemaligen volkseigenen Kombinate, Betriebe und Einrichtungen im zweiten Halbjahr 1990 vom 27. Juni 1990 (GBl DDR I 1990, 618) und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht (FG) zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO).
1. Soweit die Klägerin Verfahrensmängel rügt, ergeht die Entscheidung gemäß Art.1 Nr.8 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) ohne Begründung.
2. Die Klägerin kann Verluste, die der von ihr übernommene Betrieb im ersten Halbjahr 1990 erwirtschaftete, nicht von den von ihr im zweiten Halbjahr 1990 erzielten Gewinnen absetzen. Ein solcher Verlustausgleich setzt eine Identität der Klägerin mit dem Träger des Unternehmens bis zum 1. Juli 1990 voraus, die im Streitfall nicht besteht.
a) Das FG hat unter Auslegung der UmwV festgestellt, daß die Klägerin im ersten Halbjahr 1990 noch nicht als GmbH und damit als Körperschaftsteuersubjekt nach § 1 Abs.1 Nr.1 KöStG bestand. Daran ist der Senat nach § 118 Abs.2 FGO gebunden.
Die noch vom Ministerrat der DDR erlassene UmwV ist nicht Bundesrecht und daher nicht revisibles Recht i.S. des § 118 Abs.1 Satz 1 FGO (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. November 1978 I R 65/76, BFHE 126, 424, BStBl II 1979, 193; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Tz.56, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., § 118 Rdnr.44, m.w.N.). Die UmwV wurde auch nicht im Zuge der Wiedervereinigung vom Bundesgesetzgeber übernommen. Eine vergleichbare Regelung, wie sie z.B. für die Verordnung über die Gründung, Tätigkeit und Umwandlung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks vom 8. März 1990 (GBl DDR I 1990, 164) durch Art.8 EinigVtr i.V.m. Anlage II Kapitel V Sachgebiet A Abschn.III Nr.4 vorgesehen ist, fehlt für die hier streitige UmwV. Für deren Übernahme fehlte auch jeglicher Bedarf, da nach § 11 des Treuhandgesetzes, das nach Art.25 EinigVtr fortgilt, die volkseigenen Kombinate, Betriebe, Einrichtungen und sonstigen juristisch selbständigen Wirtschaftseinheiten, die bis zum 1. Juli 1990 noch nicht in Kapitalgesellschaften umgewandelt waren, kraft Gesetzes in AG bzw. GmbH zum 1. Juli 1990 umgewandelt wurden. Damit war nach dem 30. Juni 1990 jeder freiwilligen Umwandlung nach der UmwV die Grundlage entzogen.
Die Klägerin kann sich bezüglich der Fortgeltung der UmwV auch nicht auf Art.8 i.V.m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn.II Nr.14 Satz 2 EinigVtr berufen. Diese Vorschriften erfassen nur die Fortgeltung abgaben-, zulagen- und prämienrechtlicher Art. Hierzu gehörte die Zivilrechtsfragen regelnde UmwV nicht.
Auch aus § 23 des Treuhandgesetzes läßt sich Gegenteiliges nicht entnehmen. Zwar sollen danach § 11 Abs.2 und § 15 Abs.3 des Treuhandgesetzes auch für Umwandlungen gelten, die aufgrund der UmwV vorgenommen worden sind. Diese Bezugnahme auf die UmwV, sollte sie eine Transformation des DDR-Rechts in Bundesrecht bedeuten, beschränkt sich aber auf die in § 11 Abs.2, § 15 Abs.3 des Treuhandgesetzes geregelten Tatbestände und Rechtsfolgen. Im Streitfall geht es aber ausschließlich um das in § 11 Abs.1 des Treuhandgesetzes enthaltene Tatbestandsmerkmal einer bis zum 1. Juli 1990 noch nicht in eine Kapitalgesellschaft umgewandelten Wirtschaftseinheit.
War die Klägerin somit nach den bindenden Feststellungen des FG am 1. Juli 1990 noch nicht wirksam nach der UmwV umgewandelt, so entstand sie gemäß § 11 Abs.1 des Treuhandgesetzes als Kapitalgesellschaft und damit als Körperschaftsteuersubjekt erst am 1. Juli 1990. Die vor diesem Zeitpunkt vom VEB erwirtschafteten (positiven oder negativen) Gewinne unterlagen entsprechend den Feststellungen des FG mangels Körperschaftsteuersubjekteigenschaft des VEB nicht der Körperschaft- oder Gewerbesteuer (vgl. auch Fußnote 1 zu § 2 des Gewerbesteuergesetzes der DDR i.d.F. vom 18. September 1970, GBl DDR, Sonderdruck 672), sondern einem eigenen nichtsteuerlichen Abführungssystem.
b) Die Rechtsgrundsätze zur steuerlichen Behandlung von Vorgesellschaften, wonach die GmbH-Vorgesellschaft steuerlich als Kapitalgesellschaft i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 des Körperschaftsteuergesetzes behandelt wird, sofern sie später ins Handelsregister eingetragen wird (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Oktober 1992 I R 17/92, BFHE 169, 343, BStBl II 1993, 352, m.w.N.), finden auf Fälle der vorliegenden Art keine Anwendung. Während die sog. Vorgesellschaft und die später eingetragene Kapitalgesellschaft als identische Steuersubjekte angesehen werden, weil erstere notwendige Vorstufe für die Entstehung der Kapitalgesellschaft ist (vgl. z.B. Baumbach/ Hueck, GmbH-Gesetz, 16.Aufl., § 2 Rdnr.4, § 11 Rdnrn.6 ff.), sind VEB und Klägerin abgabenrechtlich unterschiedlich zu behandelnde Rechtsträger. Dementsprechend wurde der VEB nach § 11 Abs.1 des Treuhandgesetzes auch in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt. In Umwandlungsfällen unterliegt der ursprüngliche Rechtsträger als solcher bis zum Wirksamwerden der Umwandlung und der neue Rechtsträger ab diesem Zeitpunkt den jeweiligen abgabenrechtlichen Vorschriften. Dazwischen ist keine steuerpflichtige Vorgesellschaft geschaltet.
c) Die Umwandlung nach § 11 Abs.1 des Treuhandgesetzes ist eine übertragende und keine formwechselnde, so daß auch ein Verlustausgleich aus diesem Grund ausscheidet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1994 I R 60/94, BFHE 176, 369, BStBl II 1995, 326, m.w.N.). Die übertragende Natur der Umwandlung ergibt sich aus § 11 Abs.2 Satz 2 des Treuhandgesetzes, wonach die Umwandlung den Übergang des Vermögens aus der Fondsinhaberschaft des VEB sowie des in Rechtsträgerschaft befindlichen Grund und Bodens in das Eigentum der Kapitalgesellschaft bewirkt. Das gilt nach § 23 des Treuhandgesetzes auch für nach der UmwV umgewandelte VEB.
Fundstellen
Haufe-Index 65880 |
BFH/NV 1997, 139 |
BStBl II 1997, 194 |
BFHE 181, 437 |
BFHE 1997, 437 |
BB 1997, 295-296 (LT) |
DB 1997, 609-610 (LT) |
DStR 1997, 263-264 (LT) |
DStRE 1997, 106-107 (LT) |
HFR 1997, 246 (L) |
StE 1997, 84 (K) |