Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitsbewertung eines Erbbaurechts
Leitsatz (NV)
1. Wird ein Erbbaurecht auf die Dauer von 30 Jahren bestellt, kann aus der im Erbbaurechtsvertrag vorgesehenen Möglichkeit einer späteren Vertragsverlängerung über weitere 20 Jahre nicht gefolgert werden, daß das Erbbaurecht von vornherein über 50 Jahre bestellt worden sei.
2. Verpflichtet sich der Grundstückseigentümer, für die mit Ablauf des Erbbaurechts in sein Eigentum übergehenden Gebäude an den Erbbauberechtigten eine Teilentschädigung nach Maßgabe des Verkehrswerts zu zahlen, kann diese Verpflichtung bei der Verteilung des Gebäudewerts nach § 92 Abs. 3 Satz 6 BewG nicht deshalb außer Betracht bleiben, weil der Erbbaurechtsvertrag Gestaltungsrechte vorsieht, bei deren zukünftiger Ausübung die Teilentschädigung entfällt.
Normenkette
BewG § 4 ff., § 92 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ist Rechtsnachfolgerin der X-Kommanditgesellschaft (KG), die am Bewertungsstichtag 1. Januar 1974 eine Spedition betrieb. Für diesen Betrieb hatte sie von der Stadt Z. (Stadt) mit Erbbaurechtsvertrag vom 13. November 1970 (Vertrag) ab 1. Oktober 1970 auf die Dauer von 30 Jahren ein Erbbaurecht an dem Grundstück A-Straße 1 in Z. erworben. In § 11 des Vertrags ist u.a. vereinbart:
,,Mit Ablauf des Erbbaurechts gehen sämtliche Gebäude und Anlagen gegen eine Entschädigung von 2/3 des Verkehrswertes, den sie zu dieser Zeit haben, in das Eigentum der Stadt über. . .
Die Stadt wird ihre Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung dadurch abwenden, daß sie der Erbbauberechtigten mit Ablauf des Erbbaurechtsvertrages eine Vertragsverlängerung über 20 Jahre mit einem anschließenden Vorpachtrecht vor anderen Bewerbern anbietet. Für die Dauer des Rechtsverhältnisses nach Ablauf von 30 Jahren soll der dann in diesem Gebiet übliche Erbbauzins (s. § 3 des Vertrages) gelten. Lehnt die Erbbauberechtigte den Abschluß dieses Vertrages ab, so erlischt der Anspruch auf Entschädigung. Die Stadt erklärt sich grundsätzlich bereit, auch mit einer von der Erbbauberechtigten in Vorschlag gebrachten anderen Firma einen anderen Pachtvertrag abzuschließen, wenn diese die Gewähr für eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung bietet. . ."
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bewertete das Erbbaurecht gemäß § 92 des Bewertungsgesetzes (BewG) auf den 1. Januar 1974 im Sachwertverfahren und stellte den Einheitswert in Höhe von 1263300 DM fest. Dabei berechnete das FA den Gesamtwert (§ 92 Abs. 1 BewG) wie folgt:
Bodenwert (§ 84 BewG) 524 850 DM (Wertzahl 80 v.H.: 419 880 DM)
Gebäudewert (§ 85 BewG) 1129 884 DM (Wertzahl 80 v.H.: 903 907 DM)
Wert der Außenanlagen (§ 89 BewG) 112 247 DM (Wertzahl 80 v.H.: 89 797 DM)
Ausgangswert (§ 83 BewG) 1766 981 DM
Angleichung an den gemeinen Wert
gemäß § 90 BewG i.V.m. § 2 der
Verordnung zur Durchführung des
§ 90 BewG (Wertzahl- VO) mit der
Wertzahl 80 v.H. = Grundstückswert: 1413 584 DM.
Angleichung an den gemeinen Wert gemäß § 90 BewG i.V.m. § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 BewG (Wertzahl- VO) mit der Wertzahl 80 v.H. = Grundstückswert:_1413584 DM.
Da am Bewertungsstichtag die restliche Laufzeit des Erbbaurechts noch 26 Jahre betragen hat, setzte das FA den Anteil der KG am Bodenwert gemäß § 92 Abs. 3 Nr.1 BewG in Höhe von 80 v.H. des - nach Anwendung der Wertzahl von 80 v.H. verminderten - Bodenwerts von 419880 DM, mithin 335904 DM an.
Insoweit ist die Bewertung zwischen den Beteiligten unstreitig.
Da die Stadt bei Ablauf des Erbbaurechts im Jahre 2000 für die Gebäude und Anlagen eine Entschädigung von 2/3 des Verkehrswerts zu zahlen habe, rechnete das FA gemäß § 92 Abs. 3 Nr.1 BewG 2/3 des Werts der Gebäude einschließlich der Außenanlagen der KG zu; das letzte Drittel rechnete es der KG gemäß § 92 Abs. 3 Satz 6 und Satz 2 Nr.1 BewG mit 80 v.H. zu. Danach ergeben sich folgende Wertansätze:
Gebäudewert: 903 907 DM
Außenanlagen: 89 797 DM
993 704 DM
davon 2/3 = 662 469 DM
80 v.H. des letzten Drittels von 331 234 DM
= 264 988 DM
Gebäudewert einschließlich Wert der Außenanlagen 927 457 DM
zuzüglich des o.a. Anteils am Bodenwert 335 904 DM
Einheitswert (abgerundet) 1263 300 DM.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, bei der Ermittlung des Einheitswerts des Erbbaurechts sei davon auszugehen, daß die Stadt im Jahre 2000 keine Entschädigung zahlen werde. Dies führe dazu, daß - neben dem Bodenwert - der Wert der Gebäude und Außenanlagen von insgesamt 993704 DM nicht nur zu 1/3, sondern in vollem Umfang gemäß § 92 Abs. 3 Satz 5 BewG aufgeteilt werden müsse. Der Einheitswert sei daher auf 80 v.H. des Grundstückswerts von 1413584 DM, somit auf (abgerundet) 1130800 DM zu ermäßigen.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Da am Bewertungsstichtag nicht davon ausgegangen werden könne, daß die Klägerin bei Ablauf des Erbbaurechts die vereinbarte Entschädigung von 2/3 des Werts der Gebäude und Außenanlagen nicht erhalten werde, habe das FA den Einheitswert zutreffend ermittelt.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Dies bedarf keiner weiteren Begründung (Art. 1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -).
2. Zu Recht hat die Vorinstanz die von der Klägerin begehrte Ermäßigung des Einheitswerts des Erbbaurechts abgelehnt und deshalb die Klage abgewiesen.
a) Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 BewG ist bei Belastung eines Grundstücks mit einem Erbbaurecht je ein Einheitswert für die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts und für die des belasteten Grundstücks festzustellen. Ausgangspunkt für die Ermittlung dieser Einheitswerte ist der Gesamtwert, der ohne Rücksicht auf die Belastung für Grund und Boden einschließlich der Gebäude und Außenanlagen festzustellen wäre (§ 92 Abs. 1 Satz 2 BewG). Dieser Wert ist in Fällen, in denen die Dauer des Erbbaurechts am Bewertungsstichtag weniger als 50 Jahre beträgt, grundsätzlich in der Weise aufzuteilen, daß auf die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts der Gebäudewert und ein nach der (Rest-) Laufzeit des Erbbaurechts gestaffelter Anteil am Bodenwert entfällt (§ 92 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BewG).
Im Streitfall wurde das Erbbaurecht auf die Dauer von 30 Jahren bestellt (s. § 1 des Vertrags). Hiervon ist das FG zu Recht ausgegangen. Zwar besteht - wie sich aus § 11 des Vertrages ergibt - die Möglichkeit einer Vertragsverlängerung über weitere 20 Jahre, doch kann daraus nicht gefolgert werden, daß das Erbbaurecht von vornherein auf 50 Jahre bestellt worden wäre. Eine zu einem späteren Zeitpunkt von der Klägerin und der Stadt vereinbarte Verlängerung des Erbbaurechts würde der ursprünglichen Vertragsdauer einen neuen Zeitabschnitt hinzufügen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 20. Dezember 1967 VIII ZR 119/65, Betriebs-Berater - BB - 1968, 103). Diese zivilrechtliche Beurteilung ist auch für das Bewertungsrecht maßgebend (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. März 1971 III R 130/68, BFHE 102, 102, BStBl II 1971, 481).
b) Beträgt die Dauer des Erbbaurechts am Bewertungsstichtag weniger als 50 Jahre, ist abweichend von der Regelung des § 92 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BewG in die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks auch ein Anteil am Gebäudewert einzubeziehen, wenn besondere Vereinbarungen dies rechtfertigen (§ 92 Abs. 3 Satz 3 BewG). Nach § 92 Abs. 3 Satz 4 BewG gilt dies insbesondere, wenn bei Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf der Eigentümer des belasteten Grundstücks keine dem Gebäudewert entsprechende Entschädigung zu leisten hat. Für die Bemessung des Anteils am Gebäudewert, der zur wirtschaftlichen Einheit des belasteten Grundstücks zu rechnen ist, treffen § 92 Abs. 3 Sätze 5 ff. BewG detaillierte Regelungen.
Eine derartige Vereinbarung, die die Aufteilung des Gebäudewerts auf die beiden wirtschaftlichen Einheiten zwingend zur Folge hat, ist im Streitfall getroffen worden. Denn nach § 11 Satz 1 des Vertrags hat sich die Stadt verpflichtet, für sämtliche mit Ablauf des Erbbaurechts in ihr Eigentum übergehenden Gebäude und Anlagen eine Entschädigung von 2/3 des Verkehrswerts an die Klägerin zu entrichten. Diese Verpflichtung kann entgegen der Auffassung der Revision nicht etwas deshalb außer Betracht bleiben, weil der Erbbaurechtsvertrag Gestaltungsrechte vorsieht, bei deren Ausübung, die erst in Zukunft möglich ist, die Teilentschädigung für die Gebäude und Anlagen entfällt, z.B. dadurch, daß die Stadt der Klägerin später eine Verlängerung des Erbbaurechtsvertrags über 20 Jahre anbietet, die Klägerin diese Verlängerung jedoch ablehnt. Wenn die Vorinstanz aus der Formulierung (Verwendung des Indikativs) in § 11 Satz 8 des Vertrags (,,die Stadt wird ihre Verpflichtung . . . dadurch abwenden, daß sie . . . eine Vertragsverlängerung anbietet.") geschlossen hat, daß sich die Stadt damit zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses weder bindend gegenüber der Klägerin zur Vertragsverlängerung verpflichtete, noch der Klägerin ein konkretes Angebot zur Vertragsverlängerung unterbreitet habe, so begegnet dies revisionsrechtlich keinen Bedenken. Insbesondere kann daraus nicht geschlossen werden, daß die in § 11 Satz 1 des Vertrages geregelte Verpflichtung zur Entschädigung von 2/3 des Verkehrswerts, der von einer in einem besonderen Verfahren zu bestimmenden Schätzungskommission festzulegen ist (§ 11 Sätze 2 bis 7), von vornherein als rechtlich nicht existent betrachtet werden kann. Der Stadt wurde vielmehr nur ein Gestaltungsrecht eingeräumt.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 5. März 1986 II R 239/83 (BFH/NV 1987, 424) ausgeführt hat, stellen sich diese Gestaltungsrechte als sog. Potestativbedingungen dar, d.h. ungewisse zukünftige Ereignisse, deren Eintritt allein vom Willen eines der Vertragspartner abhängig ist. Für derartige Bedingungen gelten die §§ 4 ff. BewG ebenso wie für ,,echte" Bedingungen. Zu Unrecht geht die Revision davon aus, daß das Maß der Aussichten für den Eintritt oder Nichteintritt gewisser Ereignisse unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise berücksichtigt werden müsse. Die genannten Vorschriften knüpfen an Begriffe des bürgerlichen Rechts an und enthalten Regelungen, die es eindeutig verbieten, sie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszulegen (vgl. BFH in BFHE 102, 102, BStBl II 1971, 481).
Damit ist im Streitfall davon auszugehen, daß die Stadt aus der Sicht des maßgebenden Bewertungsstichtags zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2/3 des Werts der Gebäude und Außenanlagen verpflichtet war. Das FG hat dementsprechend zu Recht den vom FA für das Erbbaurecht festgestellten Einheitswert, dessen Berechnung keine Fehler erkennen läßt, bestätigt.
Fundstellen
Haufe-Index 418735 |
BFH/NV 1993, 287 |