Entscheidungsstichwort (Thema)
VGA: Sog. Erdienensdauer bei nachträglicher Erhöhung einer Pensionszusage gegenüber beherrschendem Gesellschafter-Geschäftsführer
Leitsatz (amtlich)
Der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, nach dem sich der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft einen Pensionsanspruch regelmäßig nur erdienen kann, wenn zwischen dem Zusagezeitpunkt und dem vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand noch ein Zeitraum von mindestens 10 Jahren liegt, gilt sowohl für Erstzusagen einer Versorgungsanwartschaft als auch für nachträgliche Erhöhungen einer bereits erteilten Zusage.
Normenkette
EStG §§ 6a, 4 Abs. 1 S. 1; KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 29.06.2007; Aktenzeichen 9 K 293/03 K, G; EFG 2007, 1629) |
Tatbestand
I. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, war der am 13. Oktober 1939 geborene H, der seit dem Jahr 1987 auch die Hälfte der Geschäftsanteile der Klägerin hält. Als Testamentsvollstrecker seines verstorbenen Bruders W nahm H auf Lebenszeit neben seinen eigenen auch die Gesellschaftsrechte der Erben nach W wahr, die die andere Hälfte der Geschäftsanteile der Klägerin hielten. Zu diesen Gesellschaftsrechten gehörte das Stimmrecht in der Gesellschaft.
Nach dem Gesellschaftsvertrag stand H das Recht zur Geschäftsführung als Sonderrecht für die Dauer seiner Gesellschafterstellung zu. Die Höhe der Vergütung bestimmte die Gesellschafterversammlung. Die Bestellung, Abberufung und Vergütung weiterer Geschäftsführer bestimmte ein Beirat, der aus zwei, höchstens vier Mitgliedern bestand, die von den Gesellschaftern bzw. der Gesellschafterversammlung bestimmt wurden.
H war bereits seit dem Jahr 1966 als Geschäftsführer der Klägerin tätig. Am 16. Dezember 1980 sagte die Klägerin ihm eine lebenslange Altersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres in Höhe von 50 v.H. des letzten Bruttogehalts (ohne Gratifikationen, Provisionen und ähnliche Vergütungen), ferner eine Berufsunfähigkeitsrente und eine Hinterbliebenenversorgung zu. Mit Vertrag vom 16. November 1990 wurde das Dienstverhältnis mit Wirkung zum 1. September 1990 neu geregelt. H hatte danach Anspruch auf Ruhegehalt, wenn er aus den Diensten der Klägerin wegen Berufsunfähigkeit oder Vollendung des 65. Lebensjahres ausschied, und zwar in Höhe von 50 v.H. des ruhegehaltsfähigen Einkommens. Zugesagt wurden außerdem ein Witwengeld in Höhe von 60 v.H. sowie ein Waisengeld in Höhe von 20 v.H. des Ruhegehaltes.
Am 17. November 1995 erhöhte die Klägerin die monatliche Rente im Versorgungsfall auf 66 v.H. des letzten Bruttomonatsgehalts.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) war der Auffassung, dass H im Hinblick auf seine eigene Beteiligung und seine weiteren Stimmrechte aufgrund der Testamentsvollstreckung als beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer anzusehen sei. Die Erhöhung der Pensionszusage sei als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu beurteilen, da H sie nicht mehr habe erdienen können. Nach der Rechtsprechung sei dies nur dann der Fall, wenn die vertragliche Dienstzeit nach Erteilung der Zusage noch mindestens 10 Jahre betrage. H habe am 17. November 1995 nur noch 8 Jahre und 11 Monate bis zum Pensionsalter von 65 Jahren ableisten können.
Der gegen die entsprechend geänderten Bescheide für die Streitjahre 1996 bis 1999 erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) Münster mit Urteil vom 29. Juni 2007 9 K 293/03 K,G, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1629, statt.
Das FA stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG hat zu Unrecht angenommen, bei der Prüfung, ob eine Pension von einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer noch erdient werden könne, seien bei einer erstmaligen Pensionszusage einerseits und der Erhöhung einer bereits zugesagten Pension andererseits unterschiedliche Maßstäbe anzulegen.
1. Die Pensionszusage einer Kapitalgesellschaft zu Gunsten ihres Geschäftsführers kann wegen § 8 Abs. 1 KStG nur insoweit zur Minderung des steuerlichen Gewinns führen, als die Voraussetzungen des § 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingehalten sind. Anhaltspunkte dafür, dass es im Streitfall hieran fehlt, ergeben sich weder aus den Feststellungen des FG noch aus dem Vortrag des FA.
2. Die Zuführung zu einer Pensionsrückstellung kann jedoch aus steuerlicher Sicht eine vGA sein, die gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG das Einkommen der verpflichteten Gesellschaft nicht mindern darf. Sie ist dann, soweit sie sich in der Steuerbilanz ausgewirkt und demgemäß den Unterschiedsbetrag gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG gemindert hat, dem Gewinn der Gesellschaft außerhalb der Bilanz hinzuzurechnen (z.B. Senatsurteile vom 20. Dezember 2000 I R 15/00, BFHE 194, 191, BStBl II 2005, 657; vom 7. November 2001 I R 79/00, BFHE 197, 164, BStBl II 2005, 659, jeweils m.w.N.).
3. Voraussetzung für das Vorliegen einer vGA ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats, dass die Pensionsverpflichtung nicht (ausschließlich) durch das Dienstverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Begünstigten, sondern (zumindest u.a.) durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Das ist anzunehmen, wenn die Gesellschaft einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer unter ansonsten vergleichbaren Umständen keine entsprechende Zusage erteilt hätte. Maßstab für den hiernach anzustellenden Fremdvergleich ist das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, der gemäß § 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anwendet.
4. Ob eine Pensionszusage durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist, muss vorrangig das FG anhand aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles beurteilen. Dabei muss es u.a. prüfen, ob die begünstigte Person während der ihr voraussichtlich verbleibenden Dienstzeit den Versorgungsanspruch noch erdienen kann. Das ist im Allgemeinen nicht anzunehmen, wenn die Zusage einem Gesellschafter-Geschäftsführer erteilt wurde und dieser im Zusagezeitpunkt das 60. Lebensjahr vollendet hatte (Senatsurteil vom 23. Juli 2003 I R 80/02, BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926) oder wenn zwischen dem Zusagezeitpunkt und dem vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand nur noch eine kurze Zeitspanne liegt, in der der Versorgungsanspruch vom Begünstigten nicht mehr erdient werden kann (Senatsbeschluss vom 28. Juni 2005 I R 25/04, BFH/NV 2005, 2252, m.w.N.). In solchen Fällen ist prinzipiell davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter im Interesse der Gesellschaft von der Erteilung einer Pensionszusage abgesehen hätte. Es liegt dann regelmäßig eine vGA vor.
Ein Versorgungsanspruch ist nach ständiger Senatsrechtsprechung von einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer grundsätzlich nur dann erdienbar, wenn zwischen der Erteilung der Pensionszusage und dem vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand ein Zeitraum von mindestens 10 Jahren liegt (Senatsbeschluss in BFH/NV 2005, 2252; Senatsurteil in BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926, m.w.N.). Allerdings kann diese Frist mangels eindeutiger gesetzlicher Vorgaben nicht im Sinne einer allgemein gültigen zwingenden Voraussetzung verstanden werden (Senatsurteile vom 24. April 2002 I R 43/01, BFHE 199, 157, BStBl II 2003, 416; in BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926; Senatsbeschluss in BFH/NV 2005, 2252). Ist aufgrund der Gegebenheiten des Einzelfalles anderweitig sichergestellt, dass mit der Zusage die künftige Arbeitsleistung des Geschäftsführers abgegolten werden soll, ist dies deshalb auch dann anzunehmen, wenn die besagten Zeiträume nicht erreicht werden (Senatsbeschluss in BFH/NV 2005, 2252, m.w.N.).
5. Das FG hat angenommen, H sei bezogen auf die Bemessung seiner Geschäftsführervergütungen als beherrschender Gesellschafter der Klägerin anzusehen. Ihm hätten in den Streitjahren sämtliche Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung zugestanden. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftervertrages habe die Gesellschafterversammlung die Höhe seiner Vergütung bestimmt. Nur die Vergütung etwaiger anderer Geschäftsführer hätte durch den Beirat festgelegt werden können. Ferner hat es festgestellt, die Versorgungsanwartschaft sei erst am 17. November 1995 verbindlich erhöht worden, als H bereits 56 Jahre und einen Monat alt war und ihm bis zum vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand lediglich 8 Jahre und 11 Monate verblieben. Soweit die Klägerin dagegen vorbringt, nicht die Gesellschafterversammlung, sondern der Beirat habe die Höhe der Bezüge des H bestimmen können, ferner sei die Versorgungsanwartschaft schon zu einem früheren Zeitpunkt erhöht worden, setzt sie nur ihre eigene an die Stelle der vom FG vorgenommenen Würdigung. Damit kann sie im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben. Sie zeigt keinen Verstoß des FG gegen Denkgesetze, gesetzliche Auslegungsregeln oder allgemeine Erfahrungssätze auf, sodass die Würdigung des FG für den Senat bindend ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
6. Die Entscheidung des FG hält insoweit einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand, als es angenommen hat, die vom Senat zur Erdienbarkeit von Pensionszusagen an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer entwickelten Grundsätze gälten nicht uneingeschränkt für die Erhöhung einer bereits gegebenen Zusage. Der Zeitraum, der einem Gesellschafter-Geschäftsführer bis zum vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand verbleibe, sei vielmehr nur ein Indiz, das zusammen mit anderen, etwa der Relation zwischen der Pensionserhöhung und der vorherigen Pensionszusage sowie der Höhe der Aktivbezüge, zu würdigen sei.
Erstzusagen auf eine Versorgungsanwartschaft und nachträgliche Zusagen, durch welche die Erstzusage erhöht wird, sind grundsätzlich auseinanderzuhalten und jeweils eigenständig auf ihre Erdienbarkeit zu prüfen (Gosch, KStG, § 8 Rz 1099). Dabei ist in beiden Fallgestaltungen derselbe Maßstab zugrunde zu legen. Angesichts der erheblichen und lang reichenden finanziellen Auswirkungen der Erhöhung einer bereits erteilten Zusage auf die GmbH würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Frage der Erdienbarkeit in diesem Zusammenhang nicht anders beurteilen als bei der erstmaligen Erteilung einer Versorgungszusage. Er würde deshalb gegenüber einem Nichtgesellschafter eine bereits zugesagte Versorgungsanwartschaft in der Regel nur dann erhöhen, wenn der Geschäftsführer voraussichtlich noch mindestens 10 Jahre lang für die GmbH tätig sein wird. Ausnahmen von diesem Grundsatz bedürfen ebenso wie bei einer erstmaligen Zusage der besonderen Begründung, etwa wenn dem Geschäftsführer ein Festbetrag als Pension zugesagt wurde, der sich infolge erheblicher Steigerung der Lebenshaltungskosten nunmehr zur Alterssicherung als unzureichend erweist (vgl. Senatsurteile vom 22. März 1972 I R 117/70, BFHE 105, 143, BStBl II 1972, 501; vom 6. April 1979 I R 39/76, BFHE 128, 352, BStBl II 1979, 687; in BFHE 199, 157, BStBl II 2003, 416).
7. Das FG ist von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Das FG wird anhand der Kriterien der Senatsrechtsprechung zur Erdienbarkeit von Pensionszusagen erneut zu prüfen haben, ob unter den Gegebenheiten des Streitfalles die Zusage der erhöhten Versorgungsanwartschaft allein die künftige Arbeitsleistung des H abgelten sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 2089970 |
BFH/NV 2009, 297 |
BFH/PR 2009, 96 |
BStBl II 2013, 39 |
BFHE 223, 64 |
BB 2009, 19 |
DB 2009, 1492 |
DB 2009, 95 |
DStR 2009, 43 |
DStRE 2009, 127 |
HFR 2009, 263 |