Leitsatz (amtlich)
Erwirbt eine Gesamthand ein Grundstück und ist an ihr ein Gesellschafter beteiligt, der seinen Gesellschaftsanteil als Treuhänder des Veräußerers hält, kann insoweit von der Erhebung der Grunderwerbsteuer nicht nach § 5 Abs. 2 GrEStG abgesehen werden. Die Beteiligung des Treuhänders kann dem Veräußerer nicht nach § 11 Nr. 3 StAnpG zugerechnet werden.
Normenkette
GrEStG 1940 § 5 Abs. 2; StAnpG § 11 Nr. 3
Tatbestand
Die Klägerin, eine offene Handelsgesellschaft, kaufte von der X-Aktiengesellschaft (AG) ein Grundstück in Niedersachsen.
Die Beteiligung an der Klägerin gehörte zu 95 % der AG, zu 5 % der Y-Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die diese Beteiligung treuhänderisch für die AG hält.
Das beklagte FA setzte die Grunderwerbsteuer fest; dabei ging es von dem Kaufpreis als Gegenleistung aus, erhob jedoch nach § 5 Abs. 2 GrEStG in Höhe von 95 % entsprechend der Beteiligung der AG an der Klägerin keine Steuer.
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin sich gegen diese Steuerberechnung wandte, hatten keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 5 Abs. 2 GrEStG und des § 11 Abs. 3 StAnpG. Sie meint, ihr Erwerb sei gemäß § 5 Abs. 2 GrEStG ganz von der Grunderwerbsteuer auszunehmen, da die AG, von der sie das Grundstück erworben habe, an ihr nicht nur zu 95 %, sondern wegen des Treuhandverhältnisses zur GmbH auch in Höhe der restlichen 5 % beteiligt sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Der Kaufvertrag unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Schuldner der Steuer ist die Klägerin, die als OHG unter ihrem Namen Rechte und Pflichten erwerben kann (§ 15 Nr. 1 GrEStG, § 124 HGB). Maßgebend für die Berechnung der Steuer ist der Kaufpreis (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Der Einheitswert ist - entgegen der ursprünglichen Ansicht der Klägerin - nur maßgebend, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG).
Gemäß § 5 Abs. 2 GrEStG wird dann, wenn ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand übergeht, die Steuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist.
Der Veräußerer des Grundstücks, die AG, war an dem Vermögen der Klägerin nur zu 95 % und nicht zu 100 % beteiligt. Die 5 %ige Beteiligung der GmbH kann der AG nicht nach § 11 Nr. 3 StAnpG zugerechnet werden. Diese Vorschrift ist nach ihrem ausdrücklichen Vorbehalt nur anwendbar, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Eine solche abweichende Regelung enthält für den vorliegenden Fall § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Danach unterliegt jedes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Unerheblich ist dabei, ob der Erwerbende als Treuhänder in der Ausübung seines Eigentums durch vertragliche Verpflichtungen gegenüber dem Veräußerer als Treugeber eingeschränkt ist. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nimmt keine Rücksicht darauf, daß das Grundstück in dem wirtschaftlichen und vertraglichen Machtbereich des Treugebers geblieben ist (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 3. April 1974 II 186/65, BFHE 112, 531, BStBl II 1974, 643).
Der vorgenannte Grundsatz gilt ebenso für den Fall, daß der Erwerbende eine Gesamthand ist und an ihr ein Gesellschafter beteiligt ist, der seinen Gesellschaftsanteil als Treuhänder des Veräußerers hält. Insoweit kann nicht § 5 Abs. 2 GrEStG mit der Begründung angewandt werden, daß der Gesellschafter nur Treuhänder und daher mit dem Treugeber wirtschaftlich identisch sei. Die genannte Vorschrift trägt nur - wie auch schon § 15 des GrEStG vom 12. September 1919 - dem Umstand Rechnung, daß bei einer Gesamthandsgemeinschaft die einzelnen Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Träger der Rechte und Pflichten sind (vgl. das Urteil vom 25. Februar 1969 II 142/63 BFHE 95, 292, BStBl II 1969, 400). Grunderwerbsteuer soll daher nicht erhoben werden, soweit der an die Gesamthand veräußernde Eigentümer auch als Gesellschafter wieder an dem Grundstückseigentum beteiligt ist und sich daher insoweit nur die Form seines Eigentums geändert hat (vgl. die Begründung zu ` 5 GrEStG, RStBl 1940, 398, rechte Spalte). Demnach kann auch hier - entsprechend der eingangs dargestellten Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG - Steuerfreiheit nur dann eintreten, wenn der Veräußernde selbst - und nicht etwa eine für ihn als Treuhänder handelnde Person - an der Gesamthand beteiligt ist.
Dem vorliegenden Entscheidungsergebnis entspricht der Grundsatz, daß auch in der Hand eines Treuhänders eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG stattfinden kann (vgl. das Urteil vom 16. März 1966 II 70/63, BFHE 86, 158, BStBl III 1966, 378, 380, Linke Spalte). Vereinigen sich bei der Gründung einer GmbH die Anteile teils in der Hand des Treuhänders und teilweise in der des Treugebers, entsteht die Steuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht deshalb, weil der Anteil des Treuhänders dem Treugeber wirtschaftlich zuzurechnen wäre; steuerauslösender Umstand ist vielmehr, daß der Treugeber gegen den Treuhänder einen Herausgabeanspruch nach § 667 BGB erwirbt (vgl. das Urteil vom 28. Juni 1972 II 77/64, BFHE 106, 138, BStBl II 1972, 719). Dieser Herausgabeanspruch - und nicht etwa die Vorschrift des § 11 Nr. 3 StAnpG - führt auch dazu, daß ein auf den Namen des Treuhänders im Grundbuch eingetragenes Grundstück ebenso zum Nachlaß des Treugebers im Sinne des § 3 Nr. 3 GrEStG "gehört" wie ein Grundstück, über das der Erblasser bereits einen Kaufvertrag abgeschlossen hatte, das aber zu seinen Lebzeiten nicht mehr auf ihn umgeschrieben wurde. Gleiches gilt für die Frage, ob ein Grundstück im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft "gehört" (BFHE 106, 138, BStBl II 1972, 719).
Fundstellen
Haufe-Index 71206 |
BStBl II 1975, 152 |
BFHE 1975, 124 |