Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Aufteilung der vorweggenommenen Erbfolge in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil bei Rückbehalt eines Nutzungsrechts durch den Übergeber - Abzinsung unverzinslicher Gleichstellungsgelder - Anschaffungsnebenkosten stellen Anschaffungskosten dar
Leitsatz (amtlich)
Behält sich der Übergeber eines Grundstücks im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge u.a. ein Nutzungsrecht am übertragenen Grundstück vor, so ist für die Aufteilung des Rechtsgeschäfts in den entgeltlichen und unentgeltlichen Teil dem Entgelt der um den Kapitalwert des Nutzungsrechts geminderte Wert des Grundstücks gegenüberzustellen.
Orientierungssatz
1. Der Übernehmer im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge erwirbt das Vermögen (hier: Mietwohngrundstück) insoweit unentgeltlich, als sich der Übertragende ein Nutzungsrecht daran vorbehält. Die Einräumung des Nutzungsrechts stellt keine Gegenleistung des Übernehmers für die Übertragung des Grundstücks dar; sie mindert vielmehr von vornherein das übertragene Vermögen (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Gleichstellungsgelder an Geschwister im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge, deren Fälligkeit um mehr als ein Jahr hinausgeschoben ist, sind für die Bemessung der Anschaffungskosten gemäß § 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 BewG mit ihrem Barwert anzusetzen. Eine unverzinsliche Schuld i.S. des § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG ist auch dann gegeben, wenn die Verzinsung ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Rechtsprechung).
3. NV: Zu den Anschaffungskosten eines im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragenen Grundstücks gehören neben dem Anschaffungspreis auch die Anschaffungsnebenkosten. Werden diese Kosten (hier: Kosten der notariellen Beurkundung und der Eintragung im Grundbuch) aufgewendet, um das Wirtschaftsgut von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen, so stellen sie ―trotz der Teilentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts― in voller Höhe Anschaffungskosten dar.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, § 7 Abs. 4; EStDV § 11d; EStG § 9 Abs. 1 Nr. 7, § 21a; BewG 1974 §§ 1, 12 Abs. 3
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erhielt mit notariell beurkundetem Vertrag vom 8.Oktober 1976 von seinen Eltern ein Mietwohngrundstück übertragen. Das Gebäude enthielt drei Wohnungen. Mit einem im Januar 1976 bestellten Gutachten war der Sachwert des Grundstücks auf 250 000 DM, davon Bodenwert 65 000 DM, der Ertragswert auf 165 000 DM und der erzielbare Verkehrswert auf 250 000 DM geschätzt worden. Die Eltern des Klägers behielten sich das lebtägliche und unentgeltliche Wohnrecht an der Obergeschoßwohnung vor. Dieses wurde als Reallast im Grundbuch eingetragen. Die Beteiligten setzten den Übernahmepreis unter Berücksichtigung des Vorbehaltswohnrechts auf 220 000 DM fest. Diesen Betrag sollten der Kläger und seine beiden Geschwister erhalten. Der Kläger hatte an seine Schwester nicht vor dem 1.Dezember 1976 100 000 DM und an seinen Bruder, der bereits 80 000 DM von den Eltern erhalten hatte, nicht vor Ende 1978 20 000 DM zu zahlen. Eine Verzinsung war nicht vorgesehen. Der Kläger nahm für die Zahlung an seine Schwester ein Darlehen auf.
Der Kläger und seine Familie bewohnten im Streitjahr 1977 die Erdgeschoßwohnung und ab 1.August 1977 zusätzlich die Dachgeschoßwohnung, die bis dahin vermietet war. Die Eltern des Klägers bewohnten die Obergeschoßwohnung.
In der Einkommensteuererklärung 1977 machte der Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten ++/ Grundbuchkosten von … DM und /++ Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Für die Ermittlung des der AfA zugrunde zu legenden Gebäudewerts ging er von einem zu 2/3 entgeltlichen und zu 1/3 unentgeltlichen Erwerb des Grundstücks aus.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) ++/ lehnte den Abzug der geltend gemachten Kosten als Werbungskosten ab und /++ setzte gemäß § 11d der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung (EStDV) die AfA des Rechtsvorgängers (716 DM) an, weil der Kläger das Grundstück unentgeltlich erworben habe. Gegen den Einkommensteuerbescheid 1977 legte der Kläger Einspruch ein. Nach Hinweis auf die Möglichkeit der Verböserung setzte das FA in der gegen beide Kläger gerichteten Einspruchsentscheidung eine höhere Einkommensteuer fest.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage teilweise stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, bei dem Übergabevertrag handele es sich um eine gemischte Schenkung. Der Kläger habe für das mit dem Wohnrecht belastete Grundstück, dessen Wert mit 220 000 DM angesetzt worden sei, Anschaffungskosten von 120 000 DM gehabt, mithin zu 12/22 entgeltlich und zu 10/22 unentgeltlich erworben. ++/ Die Anschaffungsnebenkosten (Kosten des Übergabevertrages von geschätzt … DM und Kosten der Eintragung des Eigentumswechsels und der Reallasten ins Grundbuch von … DM) seien deshalb aufzuteilen und in Höhe von 12/22 den Anschaffungskosten zuzuordnen. /++
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung der §§ 11d EStDV i.V.m. § 7 Abs.4 EStG.
Entscheidungsgründe
Die gegenüber dem Kläger ergangene Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG die Bemessungsgrundlage für die AfA unzutreffend ermittelt hat.
1. Zu Recht ist das FG allerdings von einem teilentgeltlichen Erwerb des Grundstücks durch den Kläger ausgegangen. Wie der Große Senat des BFH mit Beschluß vom 5.Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) entschieden hat, ist die Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen die Zusage von Gleichstellungsgeldern und einer Abstandszahlung ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. In Höhe der zugesagten Gleichstellungsgelder bzw. der Abstandszahlung entstehen dem Übernehmer Anschaffungskosten. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem genannten Beschluß unter C II 2. Dagegen erwirbt der Übernehmer das Grundstück insoweit unentgeltlich, als sich der Übertragende ein Nutzungsrecht daran vorbehält. Die Einräumung des Nutzungsrechts stellt keine Gegenleistung des Übernehmers für die Übertragung des Grundstücks dar; sie mindert vielmehr von vornherein das übertragene Vermögen (BFH-Urteil vom 28.Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Wie sich aus Abschn.C II 1 c der Gründe des Beschlusses des Großen Senats vom 5.Juli 1990 ergibt, wird an dieser Rechtsauffassung festgehalten. Bei Anwendung der Rechtsgrundsätze des genannten Beschlusses führt die Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber seinen Geschwistern zu Anschaffungskosten.
2. Zu Unrecht hat das FG den an den Bruder zu zahlenden Betrag von 20 000 DM in voller Höhe ―nicht abgezinst― den Anschaffungskosten zugerechnet. Wegen der mehr als ein Jahr hinausgeschobenen Fälligkeit der Verbindlichkeit ist gemäß § 1 i.V.m. § 12 Abs.3 des Bewertungsgesetzes (BewG) als Anschaffungskosten nur deren Barwert anzusetzen (vgl. BFH- Urteil vom 19.April 1977 VIII R 119/75, BFHE 122, 111, BStBl II 1977, 601). Eine unverzinsliche Schuld i.S. des § 12 Abs.3 Satz 1 BewG ist auch dann gegeben, wenn ―wie vorliegend― die Verzinsung ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 21.Oktober 1980 VIII R 190/78, BFHE 132, 38, BStBl II 1981, 160).
++/ 3. Rechtsfehlerhaft hat das FG auch die Kosten der Beurkundung und der Eintragung im Grundbuch aufgeteilt und nur die dem entgeltlichen Teil entsprechenden Kosten den Anschaffungskosten zugeordnet. Zu den Anschaffungskosten gehören neben dem Anschaffungspreis auch die Anschaffungsnebenkosten (vgl. nunmehr § 255 Abs.1 des Handelsgesetzbuches ―HGB―). Werden diese Kosten ―wie vorliegend die Kosten der notariellen Beurkundung und der Eintragung im Grundbuch― aufgewendet, um das Wirtschaftsgut von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen, so stellen sie in voller Höhe Anschaffungskosten dar; denn sie erfüllen selbständig den Begriff der Anschaffungskosten.
4. /++ Zutreffend hat das FG den unentgeltlichen Teil des Erwerbs, dessen Umfang für die Bemessung der AfA nach § 11d EStDV erforderlich ist, ermittelt. Für die vorzunehmende Aufteilung in den entgeltlichen und den unentgeltlichen Teil des Rechtsgeschäfts ist das Entgelt dem Wert des übertragenen Wirtschaftsguts gegenüberzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 17.Juli 1980 IV R 15/76, BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11). Dieser entspricht vorliegend nicht dem gemeinen Wert des Grundstücks i.S. des § 9 BewG. Die Verpflichtung des Grundeigentümers, einem anderen das Grundstück zur unentgeltlichen Nutzung zu überlassen, gleichviel auf welcher Rechtsgrundlage sie beruht, gehört zu den nach § 9 Abs.2 BewG nicht zu berücksichtigenden persönlichen Verhältnissen; sie beeinflußt nicht den Wert des Grundstücks als solchen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs ―RFH― vom 23.Juni 1938 III 348/37, RStBl 1938, 716). Für die Ermittlung des Werts des Grundstücks zwecks Aufteilung des Rechtsgeschäfts in den entgeltlichen und unentgeltlichen Teil ist demgegenüber der Kapitalwert des vorbehaltenen Nutzungsrechts abzuziehen; denn der bisherige Eigentümer hat dieses gegenüber seinem früheren Vollrecht mindere Recht am Grundstück zurückbehalten. Wegen des Rückbehalts rechnet das Nutzungsrecht des Übergebers weder zum Entgelt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378) noch zum unentgeltlichen Teil des Rechtsgeschäfts. Es mindert vielmehr von vornherein den Wert des übertragenen Grundstücks.
Fundstellen
Haufe-Index 63976 |
BFH/NV 1991, 55 |
BStBl II 1991, 793 |
BFHE 164, 352 |
BFHE 1992, 352 |
BB 1991, 1838 |
BB 1991, 1838-1839 (LT) |
DB 1991, 1860-1861 (LT) |
DStZ 1992, 49 (KT) |
HFR 1991, 653 (LT) |
StE 1991, 279 (K) |