Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht, Abgabenordnung Berufsrecht
Leitsatz (amtlich)
Der StB.-Prüfungsausschuß kann durch das Steuergericht verpflichtet werden, eine von einem Bewerber abgelegte Steuerberaterprüfung für bestanden zu erklären.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 S. 1; StBerG § 4 Abs. 1, §§ 9, 113; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Entscheidung des Steuerberater- Prüfungsausschusses (StB.-Prüfungsausschusses) bei dem beklagten Finanzminister (FM), nach welcher der Kläger, ein Steuerbevollmächtigter (StBev.) und Diplom-Kaufmann, die StB.-Prüfung 1963 nicht bestanden habe, und die darauf beruhende Versagung der beantragten Bestellung als StB. durch den FM zu Recht geschehen sind.
Der Kläger ist seit Dezember 1952 als Helfer in Steuersachen, jetzt: StBev., tätig. Die zweite StB.-Wiederholungsprüfung nach den früheren Prüfungsbestimmungen im Jahre 1963 bestand er nach der Entscheidung des Prüfungsausschusses nicht. Die E-Klausur (aus den Gebieten des Einkommensteuer-, des Körperschaftsteuer- und des Gewerbesteuerrechts) war mit 5 (mangelhaft) bewertet worden, die U-Klausur (aus den Gebieten des Umsatzsteuer-, des Einheitsbewertungs- und des Vermögensteuerrechts) mit 4 (ausreichend) und die Klausur auf dem Gebiet des Buchführungs- und Bilanzwesens mit 5; die mündliche Prüfung war mit 4 bewertet worden; die Prüfungsgesamtnote hatte 4,33 betragen. Gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses und die Versagung der Bestellung als StB. durch Erlaß des FM vom 17. Februar 1964 legte der Kläger Berufung ein.
Das FG hob nach mündlicher Verhandlung die Entscheidung des StB.-Prüfungsausschusses und den Erlaß des FM vom 17. Februar 1964 auf und sprach die Verpflichtung aus, den Berufungsführer (Kläger) so zu stellen, wie wenn er an der StB.-Prüfung 1963 aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grunde nicht teilgenommen hätte.
Mit der von ihm 1965 gegen die Vorentscheidung eingelegten, nunmehr als Revision zu behandelnden Rb. rügt der Kläger zunächst Verfahrensmängel. FM und FG hätten den Sachverhalt nicht in dem erforderlichen Masse aufgeklärt, insbesondere die angebotenen Beweise nicht oder nicht in der von ihm geforderten Weise erhoben, ihm auch nicht ausreichendes rechtliches Gehör gewährt. Das FG habe die Beweislastregeln verkannt; die Beweiswürdigung weise Mängel auf. Die Einsichtnahme in die Prüfungsakten sei ihm zu Unrecht verweigert worden. Die Ladung für die StB.-Prüfungen seien nicht jeweils zum gleichen Zeitpunkt an die zu Prüfenden versandt worden. Das FG habe in der Frage der zu schlechten Benotung im Hinblick auf die im Merkblatt für die schriftliche Prüfung nicht angegebenen, in ihr dann aber doch geprüften Gebiete die unvorhergesehene Prüfungssituation und die infolgedessen eingetretene Schockwirkung nicht in der richtigen Weise berücksichtigt. Die Anforderungen in der Prüfung seien überspannt worden. Durch "das Punktsystem" der den Prüfenden gegebenen Lösungshinweise habe der Prüfende nicht den erforderlichen Beurteilungsspielraum und sei in Wahrheit nicht unabhängig. Die Entscheidung des FG entspreche auch weder den Grundsätzen von Treu und Glauben noch der Billigkeit. Sie tragen den Besonderheiten des Streitfalls nicht Rechnung.
Der Kläger begehrt mit der Revision, die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als sie den FM nur verpflichtet, den Kläger so zu stellen, wie wenn er an der StB.-Prüfung 1963 aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grunde nicht teilgenommen hätte; er beantragt, die Verpflichtung auszusprechen, daß die von ihm abgelegte StB.-Prüfung 1963 für bestanden erklärt wird, und daß er ohne erneute Prüfung als StB. bestellt wird.
Der FM führt insbesondere aus: Bei der StB.-Prüfung 1963, einer anhängigen Prüfung gemäß § 113 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG), sei das Bestehen der Prüfung Voraussetzung für die Bestellung zum StB. gewesen; da der Kläger nach der Entscheidung des Prüfungsausschusses die Prüfung nicht bestanden habe, komme es darauf an, ob diese Entscheidung durch ein gerichtliches Urteil ersetzt werden könne. Das sei hinsichtlich der "Urbenotung" nicht angängig. Gehe man mit dem Kläger davon aus, daß eine Behörde durch Urteil verpflichtet werden könne, eine Prüfung als bestanden anzusehen, so könne eine derartige Entscheidung doch nur dann in Betracht kommen, wenn jede andere Beurteilung der Prüfungsleistungen zwingend ausscheide. Das liege im Streitfall nicht vor. Das Vorhandensein sachfremder Erwägungen habe das FG ausgeschlossen. Der BFH dürfe nur von Sachverhalten ausgehen, die das FG festgestellt habe. Das FG habe aber eine "Schockwirkung" des Klägers "nicht selbst definitiv festgestellt", sondern sie nur als Behauptung des Klägers und nur als möglich bezeichnet. Die Einwendungen des Beklagten seien vom FG nicht gewürdigt worden. Der BFH dürfe auch nicht ohne entsprechende Feststellungen des FG davon ausgehen, daß die Prüfenden der StB.-Prüfung 1963 die durch die unvorhergesehenen Stoffgebiete in der schriftlichen Prüfung hervorgerufene Situation des Bewerbers bei der Bewertung der Arbeiten "außer Betracht gelassen" hätten. Das FG habe auch keine Feststellung zu der Frage getroffen, in welchem Masse die Benotung der Klausurarbeiten bei zutreffender Berücksichtigung der Schockwirkung anzuheben wäre; auf die Auskunft lediglich eines Prüfenden an das FG könne der Senat eine Entscheidung in dieser Hinsicht nicht stützen. Der Prüfungsausschuß könne auch schon deshalb nicht zu einer Entscheidung auf Grund eigener neuer Erkenntnisse verpflichtet werden, die Prüfung des Klägers für bestanden zu erklären, weil die Prüfungsentscheidung eine höchstpersönliche Entscheidung sei und eine "Vertretung im Amt für eine nach Abnahme der Prüfung vorzunehmende Prüfungsentscheidung nicht möglich" sei. Wenn wesentliche Verfahrensmängel hinsichtlich der Beweisaufnahme vorliegen sollten, so könnten auch nicht "Teile der Beweisaufnahme" im Revisionsverfahren berücksichtigt werden. Das FG habe auch keine Beweisschwierigkeiten gehabt.
Der FM beantragt, die Entscheidung des FG aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Nachdem der Senat zunächst einen Vorbescheid erlassen hatte, ist gemäß dem Antrag des Beklagten mündlich verhandelt worden.
Die Revision hat Erfolg. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß der Umstand, daß in der Einkommen- und in der Umsatzsteuerrechts-Klausur Fragen aus den in dem Merkblatt nicht angekündigten Stoffgebieten gestellt worden sind, einen Verstoß gegen Verfahrensbestimmungen für die StB.-Prüfung 1963 darstellte. Es trifft auch zu, daß grundsätzlich eine Nichteinhaltung der Verfahrensbestimmungen nur dazu führt, daß der Betroffene so zu stellen ist, wie wenn er an der Prüfung aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grunde nicht teilgenommen hätte. Das kann jedoch im Streitfall, weil dieser besonders liegt, nicht gelten.
Einer der Prüfenden, Regierungsdirektor Dr. B., hat in seiner auch vom FG in Bezug genommenen Erklärung gegenüber dem FG angegeben, der Kläger hätte auch im Falle einer ganz einwandfreien Bearbeitung des gewerbesteuerrechtlichen Teils der Einkommensteuerrechts-Klausur infolge Aufbesserung um nur wenige "Punkte", die in dem der Aufgabe für die Prüfenden beigegebenen "Lösungshinweis" vorgesehen waren, nur die Note 5 für diese Klausur erhalten. Ebenso hat der Vorsitzende des Prüfungsausschusses in dem vom FG in Bezug genommenen Auskunftsschreiben an dieses Gericht erklärt: "Die Frage aus dem Gebiet der Gewerbesteuer war im Rahmen der Einkommensteuerarbeit nicht von solchem Gewicht, als daß sie das Gesamtergebnis der Arbeit hätte beeinflussen können". Diese Bewertung entsprach jedoch im Streitfall unter dessen besonderen Umständen nicht allgemein gültigen Maßstäben für die Beurteilung von Prüfungsleistungen. Es soll unterstellt werden, daß die in dem "Lösungshinweis" vorgesehenen Punktzahlen für die Prüfenden unverbindlich waren, ihre Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit als Prüfende mithin nicht beeinträchtigten, vielmehr nur ein Hilfsmittel zur geichmäßigen Beurteilung der einzelnen Arbeiten darstellten. Dennoch hat die Prüfungsbehörde bei der Benotung der Einkommensteuer- wie der Umsatzsteuer-Klausurarbeiten, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, nicht den besonderen Umständen des Falles, in dem die Stoffgebiete in dem Merkblatt für den schriftlichen Teil der StB.-Prüfung nicht einwandfrei aufgeführt waren, in dem erforderlichen Masse Rechnung getragen. Auch das FG hat die infolge der unvorhergesehenen Prüfungssituation eingetretene "Schockwirkung" nicht in dem rechtlich notwendigen Masse berücksichtigt.
Das FG hat zwar dargelegt, daß "nicht auszuschließen" sei, daß der Kläger ... wegen der "Schockwirkung" die anderen (nicht "merkblattfremden") Teile der Arbeiten nicht in der ohne den Verstoß gegen die Verfahrensbestimmungen bei der Prüfung möglich gewesenen Weise bearbeiten konnte "und letzteres wiederum möglicherweise der Grund dafür war, daß die betreffenden Prüfungsarbeiten durch den Prüfungsausschuß" so schlecht benotet wurden. Das FG hat weiter ausgeführt: "Die Ansicht einer besseren schriftlichen Leistung ist aber nicht mehr als eine Vermutung. Diese Vermutung kann nach Auffassung der Kammer durch keinerlei Beweismittel, sondern - wenn überhaupt - nur dadurch bestätigt werden, daß dem Bf. Prüfungsaufgaben gleichen Schwierigkeitsgrades ... zur Lösung gestellt werden". Diesen Ausführungen vermag der Senat nicht in vollem Umfang zu folgen.
Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Feststellung der Vorinstanz, daß nicht auszuschließen ist, daß der Kläger wegen der "merkblattfremden" Stoffgebiete zweier schriftlicher Prüfungsaufgaben unter "Schockwirkung" gestanden hat und daß dieser Umstand letzten Endes möglicherweise zu der schlechten Benotung geführt hat. Das FG hat alle ihm rechtlich möglich erscheinenden Mittel zur Ermittlung des Umstandes angewandt, daß der Kläger unter Schockwirkung gestanden hat; es hat das Vorliegen dieses Umstandes nicht nur als Behauptung des Klägers bezeichnet, sondern es hat diese Behauptung des Klägers auch tatsächlich und rechtlich gewürdigt und das Vorliegen nicht ausschließen können. Das FG hat jedoch außer acht gelassen, daß unter den obwaltenden Umständen nach der Lebenserfahrung, die auch das Revisionsgericht berücksichtigen darf (vgl. z. B. Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 29. Aufl., 1966, Bem. 2 A zu § 561), eine Schockwirkung als gegeben zu erachten ist; die Lebenserfahrung zeigt auch, daß auch Prüflinge, welche eine Prüfung wiederholen, der "Schockwirkung" im Falle unvorhergesehener Umstände unterliegen. Wenn der Beklagte in diesem Zusammenhang geltend macht, der Kläger habe seit Jahren eine recht große Praxis als StBev., auch habe er seine Sachkunde auf allen Steuerrechtsgebieten für so unzweifelhaft gehalten, daß er prüfungsbefreit als StB. habe bestellt werden wollen, so sind diese Darlegungen nicht durchschlagend. Diese Umstände haben mit der Frage der "Schockwirkung" im Falle von unvorhergesehenen bei einer Prüfung eintretenden Verhältnissen nichts zu tun. Dafür, daß entgegen der Lebenserfahrung im Streitfall eine Schockwirkung nicht eingetreten sei, hat der Beklagte nichts Stichhaltiges vorbringen können.
Das FG stellt in der Vorentscheidung in nicht zu beanstandender Weise fest, daß die vom Kläger zu Recht gerügte Verletzung der Verfahrensbestimmungen der Prüfung (zwei schriftliche Prüfungsaufgaben aus z. T. "merkblattfremden" Stoffgebieten) nicht dadurch behoben wird, "daß - wie dieses zumindest bei der U- Klausur wohl unstreitig geschehen ist - bei der Bewertung der Prüfungsarbeiten die Leistungen auf den "merkblattfremden" Stoffgebieten zugunsten der Prüflinge unberücksichtigt geblieben sind". Daß so verfahren worden ist, ergibt sich auch aus der in der Vorentscheidung herangezogenen schriftlichen äußerung des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses an das FG für die Umsatzsteuerarbeiten der Prüflinge der StB.-Prüfung 1963. Nach dieser äußerung hat ferner die Frage aus dem Gebiet der Gewerbesteuer in der Einkommensteuer-Aufgabe nicht ein solches Gewicht gehabt, daß sie das Gesamtergebnis der Arbeit hätte beeinflussen können. Der Senat trägt um so weniger Bedenken, dieses Auskunftsschreiben an das FG auch seinerseits zu berücksichtigen, als in sachlicher übereinstimmung mit dem Auskunftsschreiben auch der beklagte FM selbst in seinem Schriftsatz vom 25. März 1965 an das FG wörtlich ausgeführt hat: "Ist somit davon auszugehen, daß das Merkblatt an sich keine Veranlassung geben konnte, wegen der in den Prüfungsaufgaben enthaltenen Prüfungsgebiete bei den Bewerbern einen Schock auszulösen ...". Es reicht aber nicht aus, daß der Prüfungsausschuß lediglich in dieser in dem Auskunftsschreiben an das FG geschilderten Weise die zum Teil "merkblattfremden" Aufgaben berücksichtigte. Es hätte vielmehr nach allgemeiner, auch vom erkennenden Senat zu beachtender Lebenserfahrung bei der Benotung darüber hinaus auch einer mildernden Berücksichtigung des Umstands bedurft, daß der Kläger infolge der "Schockwirkung", welche das unvorhergesehene Verlangen der Bearbeitung von Fragen aus nicht angekündigten ("merkblattfremden") Stoffgebieten bei ihm auslöste, auch die anderen Teile der Arbeit schlechter bearbeitete, als er es sonst getan hätte. Wenn der FM ausführt, der Kläger hätte sich ja jedenfalls auch für die mündliche Prüfung für das Gebiet der Gewerbesteuer mit vorbereiten müssen, so geht dieser Einwand fehl. Nach dem Schreiben des FM vom 2. September 1963 an den Kläger wurde dieser zur Ablegung der schriftlichen Prüfung auf drei Tage in der ersten Hälfte des Oktobers 1963 geladen. Nach der Niederschrift des Vorsitzenden des StB.-Prüfungsausschusses bei dem FM hat die mündliche Prüfung Anfang Februar 1964 stattgefunden. Es lag also eine erhebliche Zeitspanne zwischen der schriftlichen und der mündlichen Prüfung. Deshalb war es nicht gerechtfertigt, in der schriftlichen Prüfung bereits auf solchen Stoffgebieten mit zu prüfen, deren Kenntnis nach dem Merkblatt erst für die mündliche Prüfung verlangt wurde. Mithin sind im Streitfall unter dessen besonderen Umständen durch Nichtberücksichtigung der "Schockwirkung" allgemeine Bewertungsmaßstäbe für Prüfungsleistungen bei der Benotung der Einkommensteuer- und der Umsatzsteuer-Klausur nicht beachtet worden. Eine Aufbesserung der Benotung der Einkommensteuer- und der Umsatzsteuerrechts-Klausur des Klägers ist somit gerechtfertigt. Es trifft nicht zu, daß diese Aufbesserung hinsichtlich der "Urbenotung" nicht angängig sei und eine gerechte Entscheidung etwa daran scheitern müsse. Es ergibt sich auch nicht eine ungerechtfertigte, ungleichmäßige Besserstellung des Klägers gegenüber anderen Mitprüflingen der StB.-Prüfung 1963; der Kläger hat die Beurteilung der Einkommensteuer- und der Umsatzsteuerrechts-Klausur zu Recht angefochten; es hätte anderen Prüflingen, die etwa in gleicher Weise benachteiligt worden wären, freigestanden, den gleichen Weg zu beschreiten.
Im Streitfall reicht die gebotene Aufbesserung der Benotung der Einkommensteuer- und der Umsatzsteuerrechts-Arbeit des Klägers jedenfalls aus, damit die Prüfung des Klägers hätte für bestanden erklärt werden müssen (vgl. die bisherige Prüfungs-Gesamtnote von 4,33). Der Meinung des FM, daß die Prüfung nur dann als bestanden angesehen werden könne, "wenn jede andere Beurteilung der Prüfungsleistungen zwingend ausscheidet", vermag sich der Senat besonders im Streitfall nicht anzuschließen. Es wäre mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, wenn trotz wesentlicher, vom Kläger in keiner Weise verschuldeter Mängel bei der Prüfung diese nicht als bestanden angesehen werden würde und infolgedessen die Bestellung des Klägers als StB. seitens der Verwaltung mit der Begründung abgelehnt würde, es sei erforderlich, daß "jede andere Beurteilung der Prüfungsleistungen des Betroffenen zwingend" ausscheide. Es trifft vielmehr die Ansicht des Klägers zu, daß in Anbetracht der Besonderheiten des Streitfalles etwaige Zweifel zu seinen Gunsten gewertet werden müssen. Dies muß im Streitfall um so mehr gelten, als dem Kläger - wie ihm zuzugeben ist - andernfalls unverschuldet unverhältnismäßige Nachteile entstehen würden. Nach der Lebenserfahrung ist nämlich damit zu rechnen, daß das Erinnerungsvermögen der Prüfenden hinsichtlich der Vorgänge bei der StB.-Prüfung 1963 infolge der inzwischen vergangenen langen Zeit beeinträchtigt sein dürfte, was sich bei ihrer Vernehmung als Zeugen zuungunsten des Klägers auswirken könnte.
Da nach den obigen Ausführungen die Entscheidung des Prüfungsausschusses hätte auf "bestanden" lauten müssen, war die Entscheidung, daß der Kläger die Prüfung nicht bestanden habe, rechtswidrig. Sie ist daher zu Recht vom FG aufgehoben worden. Dagegen wird, wie sich aus Vorstehendem ergibt, die Entscheidung des FG, daß der Kläger (nur) so zu stellen sei, wie wenn er aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grunde nicht an der Prüfung teilgenommen hätte, dem Kläger nicht gerecht. Dieser einschränkende Teil der Vorentscheidung war daher aufzuheben. Es ist dagegen nicht Sache des erkennenden Senats, selbst das Bestehen der Prüfung auszusprechen. Der StB.-Prüfungsausschuß bei dem Beklagten ist vielmehr gemäß § 101 FGO zu verpflichten, die von dem Kläger 1963 abgelegte StB.-Prüfung in einem neu zu erlassenden Prüfungsbescheid für bestanden zu erklären. Sodann wird der Beklagte gemäß § 4 Abs. 1, § 9 Satz 1 StBerG den Kläger auf Grund der für bestanden erklärten StB.-Prüfung als StB. zu bestellen haben. Der Senat hat bereits sogar für das alte Steuerberatungsrecht ständig entschieden, daß die Steuergerichte berechtigt sind, Finanzverwaltungsbehörden zu verpflichten, einen Bewerber als StB. zuzulassen (jetzt zu bestellen); vgl. insbesondere das Urteil VII 119/62 vom 6. August 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963, 415/6 Nr. 397, auch Mattern-Messmer, Reichsabgabenordnung, Tz. 624.
Die Meinung des Beklagten, der Prüfungsausschuß könne schon deshalb nicht zu der Entscheidung verpflichtet werden, die Prüfung des Klägers für bestanden zu erklären, weil die Prüfungsentscheidung eine "höchstpersönliche" Entscheidung sei und eine Vertretung im Amt für seither etwa ausgeschiedene Prüfende nicht möglich sei, geht fehl. Denn es handelt sich im Streitfall, wie auch der Beklagte zugibt, bei dem Ausspruch des Prüfungsausschusses auf Grund der Entscheidung des erkennenden Senats nicht um einen solchen auf Grund eigener Beurteilung, sondern lediglich um die Befolgung und Ausführung des gerichtlichen Urteils.
Fundstellen
Haufe-Index 412810 |
BStBl III 1967, 739 |
BFHE 1968, 1 |
BFHE 90, 1 |